Duisburg. Das Duisburger Verdichterwerk von Siemens Energy hat schwere Jahre hinter sich. So richtet sich der Standort nach der Trendwende neu aus.

Das Verdichter-Werk von Siemens Energy lieferte in den vergangenen Jahren zu selten gute Nachrichten. Der stete Wandel des Energie-Sektors führte zeitweise zu Überkapazitäten, auch im Geschäft der Duisburger, immer wieder brachte Personalabbau den traditionsreichen Standort im Hochfelder Industrieareal in die Schlagzeilen. Nun hat sich der Wind gedreht, betont Standortleiterin Jane Ploeger: „Wir stellen wieder ein.“

Auf über 150 Jahre Industriegeschichte blickt der Standort des Werks von Siemens Energy am Außenhafen in Hochfeld zurück. Vor 23 Jahren übernahm ihn der Siemens-Konzern von Mannesmann-Demag.
Auf über 150 Jahre Industriegeschichte blickt der Standort des Werks von Siemens Energy am Außenhafen in Hochfeld zurück. Vor 23 Jahren übernahm ihn der Siemens-Konzern von Mannesmann-Demag. © Siemens Energy | Siemens Energy

In 20 Jahren zwei Drittel der Arbeitsplätze in Hochfeld abgebaut

Seit gut einem Jahr führt die Leiterin der globalen Forschung und Entwicklung bei Siemens Energy auch das Werk, in das sie bereits vor 20 Jahren kam. Da zählte es rund 6000 Beschäftigte. 1900 waren es noch vor drei Jahren, als Siemens Energy verkündete, in Deutschland 3000 Jobs zu streichen, davon bis zu 370 in Duisburg und weitere 700 in der Mülheimer Turbinenproduktion.

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Umgesetzt wurde der Abbau nur zum Teil, heute stehen mehr als 1800 Beschäftigte in Hochfeld in Lohn und Brot. Das hat auch mit der Energiepreis-Krise in der Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu tun: Die Anlagen aus dem Bereich der konventionellen Energiegewinnung, etwa zur Förderung und Nutzung von Erdgas, werden länger in Betrieb bleiben und bringen neue Aufträge aus dem alten Geschäft.

Lieber blickt Jane Ploeger nach vorn: Auf neue Geschäfte im Bereich der Erneuerbaren, bei denen es etwa um die Speicherung von CO₂ oder den Transport von Wasserstoff geht. „Tradition ist wichtig, aber wir dürfen nicht stehenbleiben.“

In riesigen Gehäusen werden die Wellen, Laufräder und Rotoren zu Verdichtersträngen zusammengebaut, die Gase in der Energie-Industrie transportieren.
In riesigen Gehäusen werden die Wellen, Laufräder und Rotoren zu Verdichtersträngen zusammengebaut, die Gase in der Energie-Industrie transportieren. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Standortleiterin: Neuer Spirit und „Yes-we-can“-Mentalität“

Die gebürtige US-Amerikanerin denkt eher an Chancen als an Risiken. Die Abspaltung der Energie-Sparte im Siemens-Konzern habe „einen neuen Spirit erzeugt“, berichtet sie: „Wir haben die gesamte Organisation auf den Kopf gestellt.“ Es gebe nun, ungeachtet der Schwierigkeiten bei der Windkraft-Tochter Gamesa, und Staatsgarantien zur Absicherung des hohen Auftragsbestands, die nach einem Minus in Höhe von 4,59 Milliarden Euro im vergangenen Jahr erforderlich wurden, im Hochfelder Werk eine „Yes-we-can“-Mentalität“.

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Am Anfang der Transformation, berichtet Ploeger, habe die Erkenntnis gestanden, dass der Markt Produkte und Expertise des Standorts auch nach der Energiewende braucht. „Wir beschäftigen uns mit Gasen, damit haben wir immer schon gearbeitet.“ Der Unterschied: Die speziellen Eigenschaften etwa von Wasserstoff stellen auch besondere Anforderungen an Materialien. Allerdings gelte auch für Produktion, Lagerung und Transport von regenerativ erzeugten Energieträgern: „Verdichter werden dazu immer gebraucht.“

Jane Ploeger leitet seit einem Jahr das Werk in Hochfeld. Dort tätig ist die gebürtige US-Amerikanerin bereits seit 20 Jahren.
Jane Ploeger leitet seit einem Jahr das Werk in Hochfeld. Dort tätig ist die gebürtige US-Amerikanerin bereits seit 20 Jahren. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Energiewende eröffnet neue Chancen: Verdichter sind unverzichtbar

Ihre globale Spitzenposition verteidigen die Hochfelder mit einer neuen Generation von Produkten. In Duisburg entstehen riesige Turbo-Verdichter, in denen Laufräder mit bis zu zwei Metern Durchmesser hohe Volumina mit Höchstgeschwindigkeit transportieren. Außerdem baut Siemens Energy an anderen Standorten auch Kolben-Verdichter, die sich für geringere Volumen und hohe Drücke eignen.

Längst laufen sie weltweit in zahlreichen industriellen Anlagen: Siemens Energy verweist auf über 2500 Verdichter für Transport und Speicherung von Wasserstoff. Beim Betrieb von Pipelines sind sie ebenso unverzichtbar wie bei Elektrolyseuren. Ihren Platz finden sie auch in der Vermeidung von CO₂: So werden im weltweit größten Projekt zur Speicherung von jährlich 500.000 Tonnen Kohlendioxid im Permian Bassin in Texas (USA) Verdichter aus Hochfeld das klimaschädliche Gas in die Tiefe pressen.

Rund 30.000 verschiedene Werkzeuge werden zur Bestückung der Fräsen verwendet, die zur Fertigung der Bauteile für die Verdichter von Siemens Energy eingesetzt werden.
Rund 30.000 verschiedene Werkzeuge werden zur Bestückung der Fräsen verwendet, die zur Fertigung der Bauteile für die Verdichter von Siemens Energy eingesetzt werden. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

In den Werkshallen werden riesige Laufräder, Wellen und Rotoren gefräst

Aus stählernem Vormaterial unterschiedlicher Güten entstehen in den riesigen Werkshallen die Laufräder, Wellen und Rotoren. Bis zu 12 Tonnen wiegen diese Herzstücke der Groß-Verdichter. Sie werden nach der „Hochzeit“ mit ebenfalls tonnenschweren Wellen in passende Gehäuse unterschiedlichster Größen eingebaut. Laufräder mit bis zu zwei Metern Durchmesser kann die Portalfräse des Werks bearbeiten.

Tage dauert es, bis die Anlagen im 24-Stunden-Betrieb solche großen Bauteile aus ganzen Metallstücken fräsen, für die hochpräzise Bearbeitung gibt es rund 30.000 unterschiedliche Werkzeuge. Anschließend wird die komplette Anlage im werkseigenen Mega-Testcenter montiert. Auch ein Düsenjet könnte in der größten Werkshalle parken – hier können bis zu sechs Verdichter-Stränge gleichzeitig getestet werden. „Vorher verlässt keine Anlage das Werk“, erklärt Luca Dehnel. Er ist einer der Projektleiter, die Besucher durchs Werk führen. Üblich sei, dass auch die Kunden eigene Fachleute schicken, um den Probelauf zu begleiten, berichtet er.

Die Laufräder und Rotoren werden im Hochfelder Werk mit den passenden Wellen „verheiratet“. Die Aggregate gehen aus Duisburg zu Kunden in aller Welt.
Die Laufräder und Rotoren werden im Hochfelder Werk mit den passenden Wellen „verheiratet“. Die Aggregate gehen aus Duisburg zu Kunden in aller Welt. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Standort steht im globalen Wettbewerb: „Wir brauchen die besten Leute“

Der Verdichtungsprozess mag grundsätzlich einfach erscheinen, die technisch besten Anlagen dafür zu bauen, ist hohe Ingenieurskunst. „Die Dekarbonisierung industrieller Prozesse ist nicht trivial“, sagt Jane Ploeger. Im globalen Wettbewerb müsse das Werk deshalb durch die Qualität seiner Produkte und Kundenservice die besseren Argumente liefern. „Wir sind teurer als Wettbewerber, die in China oder Indien produzieren. Deshalb brauchen wir die weltweit besten Leute für die Forschung und Entwicklung.“

Die findet Siemens Energy auch unter den Maschinenbau-Studierenden der Universität Duisburg-Essen. Während es bei den akademischen Berufsbildern gelinge, Nachwuchs zu finden, falle es bei den handwerklichen Berufen zusehends schwerer, berichtet Jane Ploeger. Um Ausbildungsplätze für Mechatroniker und Industriemechaniker zu besetzen, macht der Infotruck der Metall- und Elektroindustrie regelmäßig Station im Werk. Insgesamt 52 neue Kolleginnen und Kollegen will Siemens Energy in diesem Jahr einstellen, 20 Stellen sind noch zu vergeben.

SIEMENS ENERGY: DIE MASCHINENBAU-GESCHICHTE DES WERKS

  • Die Industriegeschichte des Werks am Wolfgang-Reuter-Platz in Hochfeld begann 1862 mit der Gründung von Bechem&Keetmann, zehn Jahre später erfolgte die Umbenennung in Duisburger Maschinenbau AG.
  • Zum Zusammenschluss Deutsche Maschinenfabrik AG (DEMAG) kam es 1910. Sie wurde 1973 durch die Mannesmann AG übernommen. 1992 wurde umstrukturiert, fortan firmierte das Unternehmen unter Mannesmann DEMAG Fördertechnik AG.
  • Die Siemens AG übernahm den Standort 2001 nach dem Mannesmann-Verkauf an Vodafone und die anschließende Zerschlagung des Konzerns.
  • Seit 2020 steht das Werk unter der Regie der Siemens Energy, in der der Konzern seine Aktivitäten im Energiesektor bündelt.