Duisburg. Die Stahlindustrie wartet auf Klima-Entscheidungen in Brüssel. Wie es weitergeht, erklärt EU-Kommissar Nicolas Schmit beim Besuch in Duisburg.
Der EU-Kommissar für Arbeit und soziale Rechte, Nicolas Schmit, hat am Montag EU-Entscheidungen über den europäischen Rahmen zum klimafreundlichen Umbau der Stahlindustrie „in den nächsten Monaten“ angekündigt.
„Wir müssen die Dinge so anpacken, dass es am Ende nicht die Deindustrialisierung ist“, sagte der Luxemburger bei Thyssenkrupp Steel (TKS) in Duisburg. „Die Arbeitsplätze werden keine Zukunft haben, wenn es kein Produkt zu einem marktfähigen Preis gibt“, betonte Schmit, der von NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und dem Bochumer EU-Parlamentarier Dennis Radtke begleitet wurden.
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Revierkonzerne- EU-Vorgaben bremsen Wasserstoffprojekte ausNach einem Besuch der Marxloher Werkkiste, wo Ausbildung für Jugendliche aus Mitteln des EU-Sozialfonds gefördert wird, diskutierte Schmit mit TKS-Arbeitsdirektor Markus Grolms und dem Betriebsratsvorsitzenden Tekin Nasikkol die Brüsseler Entscheidungen, die in der Branche dringend erwartet werden.
Die zentralen Fragen lauten dabei: In welcher Höhe darf der Staat die Milliarden-Investition in den Umbau der Werke unterstützen? Erleichtert die EU denjenigen Unternehmen den Weg zur Klimaneutralität, die ihn nachweislich beschreiten? Dürfen die Stahlkocher auf finanziellen Ausgleich für die Differenz zwischen konventioneller und „grüner“ Produktion hoffen, um die Markteinführung des zwar klimaneutralen, aber am Anfang deutlich teureren Stahls zu unterstützen.
Zielkonflikt zwischen EU-Klimazielen und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie
„Es gibt keinen Dissens zur Frage, ob wir uns dem Klimawandel stellen müssen“, sagen Schmit und Radtke – wohl aber über den besten Weg. Die Frage dabei: Wie können energieintensive Industrien wie Stahl und Chemie bestehen angesichts der ehrgeizigen Ziele, die von der EU in „Fit for 55“ und dem „European Green Deal“ formuliert werden.
Die erste wichtige Entscheidung fällt am 7./8. Juni: Da stimmt das EU-Parlament über die Neuordnung des Emissionshandels ab. Geplant ist eine schrittweise Reduzierung der sogenannten „freien“ Zertifikate für die Stahlindustrie. Sie müsste – je nach Geschwindigkeit des Abbaus – von 2026 bis 2030 zwischen 5,7 und 16 Milliarden Euro mehr für ihren CO2-Ausstoß zahlen, rechnet die Wirtschaftsvereinigung Stahl vor. „Das entzieht den Unternehmen die Mittel für die erforderlichen Investitionen“, warnt Tekin Nasikkol. Eine zu ambitionierte Neuordnung des Emissionshandels verfehle das Ziel, glaubt auch Markus Grolms: „Allein TKS plant Investitionen von sieben Milliarden Euro für die Umstellung auf die wasserstoffbasierte Produktion. Wir können das Geld nur einmal ausgeben. So wäre der Einstieg in die Transformation massiv gefährdet, Wertschöpfung, Beschäftigung und soziale Sicherheit würden riskiert.“
Betriebsrat und Arbeitsdirektor: EU muss die Belange der Beschäftigten achten
Beide werben dafür, nachweislich in Klimaschutz investierende Unternehmen bis 2030 von einer Reduzierung der Freizuteilungen auszunehmen. „Das EU-Parlament muss bei seiner Entscheidung die Belange der Beschäftigten achten und eine zukunftsfähige Lösung auf den Weg bringen“, sagt Tekin Nasikkol. Allerdings entscheidet das Parlament nicht allein. „Es ist Teil des Gesetzgebungsverfahrens, noch nicht das Ende“, erklärt Dennis Radtke. An der finalen Ausgestaltung seien anschließend noch Kommission und Rat beteiligt. Radtke: „Es gibt also noch Spielraum.“
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„Zum Ziel zu stehen, heißt auch, den richtigen Weg zu wählen“, sagt Nicolas Schmit. Über den werde „in den nächsten Monaten“ entschieden. Dann könne auch auf nationaler Ebene die Höhe der Beihilfen festgelegt werden. Die Anträge für zahlreiche Projekte liegen bereits in Brüssel. „Die Stahlindustrie ist bereit, ihren Beitrag zu leisten. Wir müssen es schaffen, sie für die Generation unserer Enkel fit zu machen“, formuliert NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann die Herausforderung für die Politik.