Essen. Revierkonzerne wie RWE, Thyssengas und OGE sind in Sorge um die Wasserstoff-Wirtschaft. Durch Vorgaben der EU würden Projekte ausgebremst.
Wenn es darum geht, Kohle und Erdgas zu ersetzen, kommt künftig vielerorts Wasserstoff ins Spiel – in Stahlwerken, Raffinerien und Chemieparks, in Kraftwerken und an Lkw-Tankstellen. Bei vielen Unternehmen aus dem Ruhrgebiet sind große Hoffnungen mit dem Aufbau der Wasserstoff-Wirtschaft verbunden. Konzerne wie die Energieversorger Eon, RWE und Steag, der Stahlhersteller Thyssenkrupp sowie die Pipelinebetreiber Open Grid Europe (OGE) und Thyssengas verfolgen ehrgeizige Projekte – teils mit milliardenschweren Investitionsplänen. Allerdings sehen sich die Unternehmen zuweilen gehemmt durch staatliche Vorgaben.
Einerseits gibt es etliche Fördertöpfe, von denen die Konzerne im Zusammenhang mit Wasserstoff-Projekten profitieren dürften. Andererseits fehlt es häufig noch an Klarheit dazu, wann und wie viel staatliches Geld als Anschubfinanzierung fließen wird. Auch die künftigen Spielregeln für die europäische Wasserstoffproduktion stehen noch nicht fest. Da wohl ein Milliardenmarkt entsteht, blicken die Unternehmen aufmerksam auf die Pläne der EU-Kommission, die sich mit dem Thema befasst. Durch den Ukraine-Krieg wird der Wasserstoff zum Politikum, schließlich geht es neben dem Kampf gegen den Klimawandel auch darum, die russischen Erdgaslieferungen zu ersetzen.
RWE-Chef Krebber äußert deutliche Kritik
„Europa braucht grüne Gase eher heute als morgen – zur Erreichung unser Klimaschutzziele und für mehr Unabhängigkeit von Russland“, sagt RWE-Chef Markus Krebber. „Doch die jetzt vorgelegten, konkreten Regelungen für Wasserstoff bremsen die notwendigen Investitionen in den nächsten Jahren aus.“ Durch ein Regelungspakt namens „REPower EU“ werde die „Transformation der Industrie unnötig verzögert“.
RWE nennt Beispiele für derzeit von der EU-Kommission angestrebte Regeln, die nach Darstellung des Unternehmens wie ein Bremsklotz beim Hochfahren der Wasserstoffproduktion wirken. So sei geplant, dass Elektrolyseure immer nur dann Wasserstoff produzieren dürfen, wenn fast zeitgleich auch Strom aus neuen Windparks und Solaranlagen erzeugt wird. Dies würde dazu führen, dass Elektrolyseure bei jeder längeren Flaute stillstehen. „Das macht den Betrieb und damit den Wasserstoff unnötig teuer und eine kontinuierliche Lieferung an die Industrie nahezu unmöglich“, urteilt RWE. Kritisch sieht der Essener Konzern auch, dass „nach einer kurzen Übergangszeit bis Ende 2026 nur noch Strom aus neu zu bauenden und ungeförderten Windkraft- und Solaranlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff zugelassen werden soll“.
Unternehmen wollen eigentlich Milliardenbeträge investieren
Mit der Kritik steht RWE nicht allein da. Bei Thyssenkrupp heißt es, das Management komme zu ähnlichen Einschätzungen. „Die Kriterien für den Strombezug für die Herstellung von grünem Wasserstoff sind derart eng gefasst, dass sich die Erzeugung kaum wirtschaftlich lohnt“, sagt auch Niko Bosnjak, der beim Essener Gasnetzbetreiber OGE für Energiepolitik zuständig ist. Die Pläne der EU-Kommission würden „die Erzeugung von Wasserstoff innerhalb Deutschlands sehr stark einschränken“. Auch der Dortmunder Pipelinebetreiber Thyssengas erwartet, dass die EU-Regeln einen schnellen Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft bremsen würden, da für Produzenten und Abnehmer „kleinteilige und teils hohe Hürden“ vorgesehen seien.
Die Folgen der EU-Vorgaben für Wasserstoff-Projekte in NRW – etwa ein Großprojekt in Duisburg-Walsum – seien noch schwer abzuschätzen, sagt Ralf Schiele, Geschäftsführer des Essener Energiekonzerns Steag: „Dies sorgt für Verunsicherung bei den Unternehmen, die bereitstehen, Milliardenbeträge in eine grüne Wasserstoffwirtschaft zu investieren.“ Eigentlich will die Steag schon in drei Jahren den Stahlstandort von Thyssenkrupp mit Wasserstoff für eine klimafreundliche Produktion beliefern. Zum Projekt „Hydroxy Walsum“ gehört unter anderem der Bau einer Wasserelektrolyse-Anlage.
Eon: „Wir brauchen mehr Pragmatismus“
„Wir brauchen mehr Pragmatismus, um die Chance zu nutzen, eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen“, heißt es bei Deutschlands größtem Energieversorger Eon. Das Essener Unternehmen setzt darauf, dass die Regeln der EU noch umformuliert werden, um baldige Investitionsentscheidungen in Wasserstoff-Projekte zu ermöglichen.
Die Gaspipelinebetreiber Thyssengas und OGE sehen weitere Pläne der EU kritisch. Als Grundsatz sehe die EU-Kommission eigentumsrechtliche Entflechtung der künftigen Wasserstoff-Wirtschaft vor. Danach wären Energieunternehmen wie Thyssengas „faktisch gezwungen, nach 2030 ihre Wasserstoffnetze zu veräußern“, erklärt der Revierkonzern. Für Investoren stelle sich die Frage, „warum sie in ein Netz investieren sollen, das sie in acht Jahren wieder verkaufen müssen“. Auch OGE-Manager Bosnjak betont: „Unter diesen Bedingungen macht eine Investition in Wasserstoffnetze für die Fernleitungsnetzbetreiber folglich keinen Sinn.“