Düsseldorf. Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather äußert sich ausführlich zur Lage von Thyssenkrupp und übt den Schulterschluss mit Konzernchefin Martina Merz.

Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather hat für ihren Vortrag im Düsseldorfer Industrieclub mehrere Schaubilder mitgebracht. Auf Seite 13 ihrer Präsentation ist dargestellt, wie sich der Aktienbesitz der Stiftung an Thyssenkrupp und den Vorgängergesellschaften seit 1968 entwickelt hat. Aus einer 100-Prozent-Beteiligung an der Essener Firma Krupp ist im Laufe der Jahre ein knapp 21-prozentiger Anteil am heutigen Stahl- und Industriegüterkonzern geworden. Durch die Übernahme von Hoesch und die Fusion mit Thyssen sank der Einfluss der Stiftung im Unternehmen merklich. Später kamen Kapitalerhöhungen hinzu, an denen sich die Ankeraktionärin nicht beteiligte.

Doch nach wie vor ist die Krupp-Stiftung, die auf dem Gelände der Essener Villa Hügel residiert, die größte Anteilseignerin von Thyssenkrupp. Auf Hauptversammlungen des Unternehmens hat sie eine Art Veto-Recht, das sich durch ihren Aktienbesitz ergibt. Und Stiftungschefin Ursula Gather betont ihre Treue zum Unternehmen. Noch nie habe die Stiftung Aktien verkauft – und sie habe auch keine Pläne, dies in Zukunft zu tun, sagt sie vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf: „Wir sind eine stabile, verlässliche Ankeraktionärin des Unternehmens.“

Ein Bedürfnis der Stiftung ergibt sich allerdings durch einen Umstand, den Ursula Gather auf Seite 14 ihres Vortrags darlegt: Die Stiftung ist auf eine Dividende von Thyssenkrupp angewiesen. Drei Jahre in Folge sind zuletzt rote Balken in Gathers Grafik zu den Gewinnausschüttungen verzeichnet: Die Nullrunden häufen sich. Fünf Mal in den vergangenen zehn Jahren blieb eine Gewinnausschüttung aus. Dabei

Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather zeigt sich offen für eine Verselbstständigung von Thyssenkrupp Steel.
Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather zeigt sich offen für eine Verselbstständigung von Thyssenkrupp Steel. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

sind die Dividenden die einzigen Einnahmen, mit denen die Krupp-Stiftung ihre Aufgaben finanzieren kann. Mit Geld, das der Konzern erwirtschaftet, fördert die Stiftung schon seit Jahrzehnten Projekte aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Bildung, Gesundheit und Sport. Auch das Krupp-Krankenhaus mit zwei Standorten in Essen gehört zur Stiftung. „Es ist natürlich klar, dass ohne Dividendenzuflüsse die Stiftung nur einen begrenzten Zeitraum weitermachen kann – jedenfalls in der Art und Weise, wie sie heute ihre gemeinnützigen Zwecke erfüllt“, sagt Gather. Falls es keine Dividendenzahlungen gebe, seien „erhebliche Eingriffe“ beim Förderprogramm erforderlich.

Noch während ihrer Zeit als Rektorin der TU Dortmund hat Ursula Gather die Führung der Stiftung im Oktober 2013 nach dem Tod des langjährigen Stiftungschefs Berthold Beitz übernommen. Ende 2021 wurde sie für weitere sieben Jahre im Amt bestätigt.

Ursula Gather über Martina Merz: „Ich halte viel von ihr, sehr viel“

Gathers Hoffnungen ruhen auf Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz, die das seit Jahren angeschlagene Unternehmen unter anderem mit Kostensenkungen und Firmenverkäufen wieder „dividendenfähig“ machen will. Offen demonstriert die Chefin der Großaktionärin den Schulterschluss mit der Vorstandsvorsitzenden. „Mein Eindruck ist, dass die Strategie von Martina Merz Erfolge zeitigt“, sagt Gather, die auch über einen Sitz im Thyssenkrupp-Aufsichtsrat verfügt. Merz habe nicht nur Ankündigungen gemacht, sondern „Umsetzungsstärke“ gezeigt. Ihre Pläne, „um das Unternehmen wieder in die Spur zu bringen“, seien „zu einem ganz großen Teil“ realisiert. „Ich halte viel von ihr“, sagt Gather, „sehr viel“.

In einer schwierigen Lage des Konzerns hat Merz im Oktober 2019 den Vorstandsvorsitz übernommen. Die Äußerungen der Stiftungschefin deuten darauf hin, dass der Drei-Jahres-Vertrag der Managerin wohl verlängert wird.

Im Frühjahr befasst sich der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp fast schon traditionell mit strategischen Themen. Für den Donnerstag (19. Mai) sei eine Sitzung des Gremiums geplant, heißt es im Umfeld des Unternehmens. Die Palette potenzieller Themen ist breit. Nach der Corona-Krise muss sich das Thyssenkrupp-Management nun mit den Folgen des Ukraine-Kriegs befassen. Pläne zur Verselbstständigung des traditionsreichen Stahlgeschäfts mit rund 26.000 Beschäftigten und großen Standorten unter anderem in Duisburg, Bochum,

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz soll das Unternehmen wieder „dividendenfähig“ machen.
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz soll das Unternehmen wieder „dividendenfähig“ machen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Dortmund und Gelsenkirchen hat Merz angesichts der neuen Unsicherheiten erst einmal auf Eis gelegt. Stiftungschefin Gather lässt durchblicken, dass sie offen ist für eine Abspaltung der Duisburger Konzerntochter Thyssenkrupp Steel. Gestalt und Form des Unternehmens hätten sich seit Bestehen der Stiftung immer wieder gewaltig geändert, sagt Gather, als sie auf eine mögliche Herauslösung der Stahlsparte aus dem Konzern angesprochen wird. So sei beispielsweise der Edelstahl von Thyssenkrupp verkauf worden.

Verselbstständigung des Stahlgeschäfts die „richtige Strategie“

Die Verselbstständigung des konzerneigenen Stahlgeschäfts bezeichnet die Stiftungschefin als „richtige Strategie“. Das bedeute aber nicht, dass sich die Krupp-Stiftung von ihrer Beteiligung am Stahl trennen werde. Bei einer Abspaltung hätten die jetzigen Aktionäre auch ihren Anteil an einem selbstständigen Konzern Thyssenkrupp Steel. „Ja, natürlich kann es auch in dem Unternehmen einmal zu einer Kapitalerhöhung kommen, die unseren Anteil senken würde“, sagt Gather. „Aber das kann ich jetzt nicht vorhersehen.“

Auf Nachfrage äußert sich die Stiftungschefin bei der WPV auch zu Forderungen der IG Metall nach einem Einstieg des Staates bei Thyssenkrupp Steel. Grundsätzlich gebe es „harte Vorbedingungen“, wenn der Bund oder das Land bei einem Unternehmen einstiegen wollen, sagt sie. Bei der Thyssenkrupp AG werde dies also ohnehin aus beihilferechtlichen Gründen „nicht gehen“ – „und ob es beim Stahl geht, wird man auch sehen müssen.“ Ob sie offen sei für einen Staatseinstieg? „Das hängt sicher ab vom Kapitalbedarf“, sagt Gather, außerdem auch davon, ob es noch weitere Optionen gebe. „Ich habe nicht vor, das auszuschließen. Es kann ja auch notwendig sein.“