Dortmund. Die Knappschaft schließt ihre Geburtsklinik in Dortmund. Die Leitung erklärt die Gründe für das Aus. Der Hebammenverband nennt es einen „Schlag ins Gesicht“.
Als „Leuchtturmprojekt“ hätte der Landesverband der Hebammen NRW die Versorgung von jungen Müttern im Knappschaftskrankenhaus Dortmund gerne gesehen. Die Hebammen dort arbeiten nicht nur im Kreißsaal, sondern betreuen die Frauen auch auf der Wochenbettstation. „Das ist genau das, was wir uns wünschen“, sagt die Vorsitzende Michelle Rump. „Kontinuierliche, dauerhafte, verlässliche Versorgung.“ Doch das in ganz Dortmund einzigartige Modell wird eingestampft: Ende März ist Schluss mit der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Brackel. Die Hebammen sprechen von einem Skandal.
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Anfang Februar hatte die Knappschaft überraschend bekannt gegeben, dass die Klinik geschlossen wird, und zwar schon Ende März. Das sei auch eine Folge der Krankenhausreform, teilt die Geschäftsführung auf Nachfrage der Redaktion mit. Die Lauterbach-Umstrukturierung hat die Klinik zwei Leistungsgruppen gekostet: Eierstockkrebs und Brustmedizin sind ihr nicht mehr zugewiesen worden. In der Folge fehlen künftig nicht nur Patientinnen, sondern auch Fachkräfte, wie der Hauptgeschäftsführer der Knappschaft Kliniken Westfalen, Stefan Aust erläutert. Die Attraktivität der Klinik für Bewerber sinke. „So ist es nicht gelungen, eine Chefarztnachfolge für die Leitung der Abteilung zu finden, die wir aktuell interimsmäßig besetzt haben.“
Nur 400 Geburten in Dortmund-Brackel in 2024
Schlecht sehe es künftig auch mit der finanziellen Förderung aus, so Aust. Die Regierungskommission empfehle eine Förderung erst ab einer Mindestanzahl von 500 Geburten jährlich. Im Knappschaftskrankenhaus sind 2024 aber nur rund 400 Babys zur Welt gekommen. Alle Überlegungen, das Problem zu lösen, liefen ins Leere. „Beantragte neue Leistungsgruppen, wie der Aufbau einer Neurochirurgie, mit der wir die Notfallversorgung in Dortmund hätten deutlich verbessern und auch die Defizite der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe hätten ausgleichen können, wurden uns aber nicht zugesprochen“, bedauert Aust.
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Deshalb sei Ende Januar die Entscheidung gefallen, die Klinik zu schließen. Was das Aus für die Versorgungssituation in der Stadt bedeutet? Der Geschäftsführer verweist auf die „gut erreichbaren, umliegenden Kliniken in Dortmund-Mitte, Hörde und Unna“. Die Vorsitzende des Hebammenverbandes ist mit dieser Aussage ganz und gar nicht einverstanden. Sie spricht von einem „Schlag ins Gesicht der werdenden Eltern“: „Die Wahlfreiheit der Patientinnen wird deutlich eingeschränkt“, so Rump.
Hebammen-Kreißsaal gilt als Erfolgsmodell
Die 400 zusätzlichen Geburten müssten die umliegenden Kliniken strukturell erst mal stemmen. „Badewanne, Wehenschreiber, Personal: Das steht ja nicht unbegrenzt zur Verfügung“, sagt Rump. „Und wenn der eine Kreißsall voll ist und der andere geschlossen, dann ist es vorbei mit der freien Wahl für die Frauen.“
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Vor allem deshalb, weil das Rundum-Betreuungsmodell von Brackel außergewöhnlich sei. Aber auch wegen des Hebammen-Kreißsaals, in dem Frauen ohne ärztliche Hilfe entbinden können. „Das ist ein absolutes Erfolgsmodell“, betont Rump. Erst vor zwei Jahren seien für die Einrichtung 25.000 Euro Förderung geflossen. „Und das wird jetzt einfach platt gemacht.“ Dabei dürfe es für eine wirklich freie Wahl nicht nur Häuser mit Maximalversorgung geben. „Sondern eben auch die kleinen, wo der Fokus eben nicht auf der Risikogeburt liegt.“
Verband will Schließung abwenden
Die Hebammen-Sprecherin bangt aber nicht nur um die Zukunft der Patientinnen, sondern auch um die des Personals. 14 Studierende, also angehende Hebammen, seien bei der Knappschaft in Dortmund beschäftigt, zwei weitere hätten gerade ihre Verträge unterschrieben. „Die hängen doch jetzt im luftleeren Raum.“ Versicherungen der Klinikleitung, den Mitarbeitenden würden Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung in anderen Knappschafts-Geburtskliniken angeboten, hält Rump für eine Farce. „Die nächste ist in Marl – und nicht jeden Baum kann man einfach verpflanzen.“
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Mit Protest, Stellungnahmen und Öffentlichkeitsarbeit will sich der Hebammenverband dafür starkmachen, dass die Schließung doch noch abgewendet werden kann. Wirklich Hoffnung hat Michelle Rump was das angeht allerdings nicht. „Ich bin Realistin. Aber wir wollen nichts unversucht lassen.“
Eine Petition „Frauen zahlen den Preis“ vom Deutschen Hebammenverband wurde am 7. Februar mit einer Kundgebung vor dem Reichstag in Berlin gestartet. Gefordert wird eine 1:1-Betreuungsgarantie durch Hebammen für jede Frau unter der Geburt. Mehr Infos: hebammenverband.de
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