Dortmund. Ein Designer aus Finnland hat eine Weltkarte der berühmtesten Persönlichkeiten erstellt. Rund 70 Dortmunder stehen drauf. Doch die Auswahl ist fragwürdig.

Eine ganz besondere Weltkarte gibt es im Internet zu entdecken: Der finnische Designer und Karten-Bastler Topi Tjukanov hat eine virtuelle Weltkarte der Promis angefertigt. Der Name des Werks: „Notable People“ – zu Deutsch: bemerkenswerte Persönlichkeiten. Die gibt es an nahezu jedem Ort der Welt. Aber wen finden wir in Dortmund?

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Zunächst zum Hintergrund: Topi Tjukanov entwickelte die Karte mithilfe seines Arbeitgebers Mapbox, einem amerikanischen Anbieter von benutzerdefinierten Online-Karten. Sein Werk brachte ihm 2022 innerhalb kürzester Zeit eine Menge Aufmerksamkeit ein. Die Methode dahinter: Die Bekanntheit einer Person wird auf Grundlage von Informationen aus Wikipedia und Wikidata (Länge der Einträge, durchschnittliche Anzahl der Aufrufe zwischen 2015 und 2018) berechnet. Basis ist eine Studie von Forschern der Universität Paris. Wie sie die Daten genau gesammelt haben, lässt sich mit einem Klick erfahren.

Auf den ersten Blick nur wenige Dortmunder

Und auch sonst funktioniert diese virtuelle Weltreise per Mausklick. Wer die Adresse der Seite eingibt, sieht zunächst nur einen Globus. Beim Blick auf Europa fallen die Namen Adolf Hitler, Winston Churchill, Leonardo da Vinci, Pablo Picasso und Cristiano Ronaldo ins Auge – Persönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen also. Aufteilen lassen sie sich in die Kategorien Kultur, Wissenschaft, politische Führer und Sport.

Promi Weltkarte Dortmund
Das ist ja überschaubar mit den bekannten Dortmundern. © Funke Medien NRW | Screenshot: Notable People

Zoomt man sich in die Karte hinein, kommt Deutschland ins Bild. Eine Vielzahl weiterer Namen taucht auf – Goethe, Merkel, Einstein, Bach und Luther. Zieht man die Karte noch größer, wird es unübersichtlich. Deshalb besser rasch umstellen auf die Städtenamen, das Ruhrgebiet anpeilen und dann Dortmund weiter vergrößern. Dann erscheinen die Namen der „bemerkenswerten Persönlichkeiten“, die in der Westfalenmetropole geboren sind.

Liste Dortmunder Persönlichkeiten bei Wikipedia ist länger

Auf den ersten Blick scheinen es erschreckend wenige zu sein: Doch Vorsicht – der Button „All“ täuscht. Er zeigt nicht alle, sondern nur eine Auswahl. Wer die einzelnen Rubriken anklickt, bekommt noch weitere Namen angezeigt. Dennoch wird deutlich: Die Promi-Weltkarte zeigt wegen ihrer besonderen Herangehensweise nur eine kleine Auswahl. Die Liste der bekannten Dortmunder Persönlichkeiten bei Wikipedia ist um ein Vielfaches länger.

Marco Reus steht ganz groß im Mittelpunkt der Dortmunder Promi-Karte, Kevin Großkreutz (re.) ist nicht dabei. (Archivbild)
Marco Reus steht ganz groß im Mittelpunkt der Dortmunder Promi-Karte, Kevin Großkreutz (re.) ist nicht dabei. (Archivbild) © dpa | Caroline Seidel

Eines fällt sofort auf, wenn man in den Ausschnitt zwischen Lütgendortmund und Wickede scrollt: Unübersehbar in der Mitte des Wallrings prangt dick der Name Marco Reus, so groß geschrieben wird kein anderer in der Stadt. Berühmtsheits-Rang 6414 wirft das System für ihn aus. Zum Vergleich: Manuel Neuer läuft unter 2743, Goethe unter 64. Für Reus ist also noch Luft nach oben.

Generäle, Politiker, Künstler, Geistliche

Der zweite Name, der heraussticht, ist Wilhelm Canaris. Wilhelm wer? Canaris war ein deutscher Admiral, klärt Wikipedia auf. Während der Zeit des Nationalsozialismus war er von 1935 bis 1944 Leiter der Abwehr, des militärischen Geheimdienstes der Wehrmacht. Ab 1938 war er im Widerstand aktiv. Als das herauskam, wurde er von einem SS-Standgericht im Konzentrationslager Flossenbürg zum Tode verurteilt und gehängt.

Wer in Geschichte nicht so bewandert ist, wird viele der Namen auf der Promi-Weltkarte kaum kennen. Den Ringer Fritz Weikart, den Politiker Ernst Arnds, den Maler Heinz Eberhard Strüning, den Botaniker Paul Graebner und den Geistlichen Gottfried Asselmann werden viele wohl erst googeln müssen – so wie die vielen Politiker aus der NS-Zeit, die in der Auswahl verzeichnet sind.

Kaum Frauen in der Promi-Weltkarte

Frauen sind übrigens Mangelware auf der Karte. Gerade einmal sechs Namen von berühmten Dortmunderinnen spuckt das System aus. Doch wenn man genau hinsieht, stellt man fest: Eine davon, die Biochemikerin Eva-Maria Neher, stammt gar nicht aus Dortmund, sondern aus Mülheim. Dafür findet sich unter den Frauen aber eine, die auch noch immer in der Stadt aktiv ist: Schwimmerin Sonja Schöber, heute Pressesprecherin der Sportwelt Dortmund.

Schwimmerin Sonja Schöber, hier ein Foto von 2007 aus ihrer aktiven Zeit, hat es in die Promi-Liste geschafft.
Schwimmerin Sonja Schöber, hier ein Foto von 2007 aus ihrer aktiven Zeit, hat es in die Promi-Liste geschafft. © WAZ | KRUSE, Reiner

Kann diese Auswahl repräsentativ für die Stadt sein? Kaum. Einen Wikipedia-Eintrag zum Maßstab für Berühmtheit zu machen, ist wenig aussagekräftig. Denn schließlich werden die Beiträge im beliebten Online-Lexikon meist nicht von Historikern, sondern aus persönlichem Interesse erstellt. „Und über 90 Prozent der Schreiber sind Männer“, sagt Martina Kliner-Fruck, die in Dortmunds Nachbarstadt Witten das Stadtarchiv leitet und sich vor einiger Zeit mit der Promi-Weltkarte auseinandergesetzt hat.

Männlicher Blick auf die Geschichte

Der immer noch überwiegend männliche Blick auf die Geschichte spiegele die fragwürdige Auswahl auf der Weltkarte leider ebenso wider, wie das große Interesse vieler Nutzer an Militärgeschichte und am Nationalsozialismus, meint sie. „Die Artikel werden einfach oft geklickt.“

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Wenn man den Machern von „Notable People“ glauben will, sogar mehr als die Artikel über Tatort-Kommissar Dietmar Bähr oder Fußballspieler Kevin Großkreutz. Immerhin: Der frühere Oberbürgermeister Günter Samtlebe (Rang 590744) hat es in die Liste geschafft. Er hätte sich sicher darüber gefreut.