Bottrop. Die Wurzeln des Bottroper Quadrats liegen in der Ur- und Ortsgeschichte. Josef Albers‘ Kunst kam später. Ein Tier fasziniert Kinder am meisten.

Im kommenden Jahr feiert Bottrop 50 Jahre Museumszentrum Quadrat: Damals entsteht der erste Museumsneubau in der noch rauchenden Industrie- und Kohlestadt. Schon jetzt laufen Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr. Dabei geht es neben der Kunst von Josef Albers, dessen wohl bekanntester Werk-Zyklus seither mit Namen des Hauses untrennbar verwoben ist, verstärkt auch um die Ursprünge des inzwischen überregional bekannten Museums.

Die liegen im letzten Jahrhundert, als die noch junge Stadt beginnt, sich auf ihre Wurzeln zu besinnen. Dem Gründungsdirektor der Ur- und Ortsgeschichtlichen Sammlung, die lange vor Albers‘ Kunst an wechselnden Orten in der Stadt gezeigt wurde, ist es großenteils zu verdanken, dass dieses Museum im Wortsinne tiefer gräbt.

Bottrops urzeitliche Funde beeindrucken seit fast 50 Jahren Fachleute und Kinder gleichermaßen

Was zum Vorschein kam und bis heute nicht nur bei Fachleuten, sondern vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen zu den Stars der Sammlung gehört, ist teils einige Tausend bis weit über 100.000 Jahre alt: darunter Mammut, Wisent, Werkzeuge und Knochen eines Lagerplatzes der Neandertaler am heutigen Rhein-Herne-Kanal.

Museumseröffnung des Bottroper Heimatmuseums 1961 in der alten Villa am Stadtgarten. Über dem Kopf des Wisents: Arno Heinrich. Rechts im Bild: der damalige Oberbürgermeister Bernhard Roghmann (CDU).
Museumseröffnung des Bottroper Heimatmuseums 1961 in der alten Villa am Stadtgarten. Über dem Kopf des Wisents: Arno Heinrich. Rechts im Bild: der damalige Oberbürgermeister Bernhard Roghmann (CDU). © Privat | Familie Heinrich

Mit seinen Funden setzte der Gründungsdirektor des alten Heimatmuseums, heute: Museum für Ur- und Ortsgeschichte im Quadrat, Bottrop auf die urzeitliche Landkarte. Arno Heinrich (1929-2009) war die treibende Kraft hinter diesen Tiefenforschungen. Der Autodidakt aus Stettin, der nach dem Krieg über Umwege und der Arbeit wegen in Bottrop strandete, suchte bereits während seiner Zeit im Bergbau nach Fossilien. Im Laufe vieler Jahre wurde er nicht nur zum anerkannten Experten in Sachen Urgeschichte, sondern betreute auch zahlreiche Grabungen in Bottrop und Umgebung.

„Wir möchten im Jubiläumsjahr dem Gründungsdirektor des Museums für Ur- und Ortsgeschichte, Arno Heinrich, einen größeren Platz einräumen. “

Dr. Charalampos Kevrikidis, Sammlungsleiter

„Wir möchten im Jubiläumsjahr und auch künftig der Person Arno Heinrich im Museum einen größeren Platz einräumen und seine Arbeit entsprechend würdigen“, sagt Sammlungsleiter Dr. Charalampos Kevrekidis. Zwar falle das Jubiläumsjahr mit den Planungen für Umgestaltung und Ertüchtigung der Eizeithalle zusammen. Dennoch sei zunächst eine Ausstellung über den ersten Direktor des damaligen Heimatmuseums und später auch ein eigener Bereich in der umgestalteten Halle geplant, so Kevrekidis. Der kann sich mit Fug und Recht als Nachfolger von Arno Heinrich betrachten, denn bei einer Eröffnung 1961 verfügte das Heimatmuseum noch über keine Kunstsammlung.

Auch die Kinder von Arno Heinrich zeigen sich über die anstehende Würdigung ihres Vaters erfreut. Sohn Andreas Heinrich, Jahrgang 1963, kann sich noch gut an die Wohnung der Familie in der alten Villa am Stadtgarten erinnern. „Wir wohnten quasi über dem Museum und konnte alles aus nächster Nähe miterleben.“ Als der erste Teil des Quadrats eröffnet wurde, dann die Erweiterung 1983: „Wir konnten Kohl und Präsident Bush senior vom Fenster aus beobachten, als sie aus den Limousinen stiegen“, erinnert sich Andreas Heinrich.

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Er erinnert sich aber auch an eine Reise nach Sibirien, noch zu Sowjet-Zeiten. Dort wurden im Permafrost-Boden immer wieder Mammutfunde gemacht. „Mit meinem Vater nahm ich 1982 an einer Fachtagung teil, allein schon die Reise dorthin war abenteuerlich“, so Andreas Heinrich. „Als ich dort Wissenschaftler nach ein paar Mammuthaaren oder Fell fragte, wurden wir als Kultur-Imperialisten beschimpft und: Ob wir denn überhaupt die Abhandlungen des Deutschen Arno Heinrich kennen würden?“

Er habe damals mit dem Finger zu einer Gruppe gezeigt und den Russen gesagt: „Der dort ist mein Vater, Arno Heinrich.“ Dann sei alles schnell gegangen. Die Fellteile der tiefgefrorenen sibirischen Mammuts, die nur durch Beschädigungen des gefrorenen Bodens zutage kamen, sind bis heute im Bottroper Museum zu sehen.

Museum sucht Fotos, Dokumente oder Filme von Arno Heinrich und der Frühzeit des Heimatmuseums

Die Anfänge des Museums für Ur- und Ortgeschichte sind eng mit Arno Heinrich verbunden. Nach den ersten Bottroper Jahren im Bergbau wurde er als Hausmeister an der Körnerschule eingestellt. Dort stellte er auch systematisch die ersten Funde aus, die aus der Region stammten. Arno Heinrich war bei allen großen Funden und Grabungen jener Jahre dabei und erlangte über die Jahre auch wissenschaftliche Anerkennung. Vielen Bottroperinnen und Bottropern werden noch die Grabungen auf dem bronzezeitlichen Gräberfeld am Westring/Hünefeldstraße in Erinnerung sein.

50 Jahre Museumszentrum Quadrat und 65 Jahre Museum für Ur- und Ortsgeschichte: Der goldene Schlüssel von der Eröffnung des alten Heimatmuseums 1961 tauchte wieder auf. Andreas Heinrich hat die Szene mit seinem Vater Arno Heinrich im Familienalbum aufgestöbert. Sammlungsleiter Charalampos Kevrekidis (r.) im Museum den Originalschlüssel von damals.
50 Jahre Museumszentrum Quadrat und 65 Jahre Museum für Ur- und Ortsgeschichte: Der goldene Schlüssel von der Eröffnung des alten Heimatmuseums 1961 tauchte wieder auf. Andreas Heinrich hat die Szene mit seinem Vater Arno Heinrich im Familienalbum aufgestöbert. Sammlungsleiter Charalampos Kevrekidis (r.) im Museum den Originalschlüssel von damals. © Dirk Aschendorf

Kürzlich wurde im Quadrat der goldene Schlüssel wieder gefunden, mit dem die Tür zum alten Heimatmuseum 1961 offiziell geöffnet werden sollte. „Der Schlüssel passte nicht, diese Geschichte hat mein Vater jedenfalls immer wieder erzählt“, erinnert sich Andreas Heinrich. Also stehen Arno Heinrich und Oberbürgermeister Bernhard Roghmann auf dem erhaltenen Foto im Familienalbum der Heinrichs vor der verschlossenen Tür.

Auch dies sind Dinge, die für Charalampos Kevrekidis jenseits des wissenschaftlichen Aspekts zur Museumsgeschichte und ins Jubiläumsjahr gehören. Die Geschichte ist für den neuen Sammlungsleiter genauso spannend, wie die Planungen zur Neupräsentation und Ertüchtigung der Eiszeithalle in den nächsten Jahren.

Für das Jubiläum und die Dokumentation über Arno Heinrich bittet das Museum auch Bottroperinnen und Bottroper um Mithilfe. Wer Fotos, Dokumente oder vielleicht sogar Filmmaterial zu Arno Heinrich und die Frühzeit des Museums besitzt, wird gebeten, sie dem Haus leihweise zur Verfügung zu stellen. Kontakt: Museumszentrum Quadrat, Anni-Albers-Platz 1. Tel.: 02041 29716 oder E-Mail: charalampos.kevrekidis@bottrop.de.