Bottrop. Nadler in Bottrop ist geschlossen. Die meisten Mitarbeitenden suchen noch eine neue Stelle. Was mit denen geschieht, die nichts gefunden haben.
Zum Schluss waren es noch 161 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die die im August angekündigte Schließung des Nadler-Feinkostwerkes zum Ende des Jahres eine höchste ungewisse Zukunft bereit hielt. Dieser Tage zieht Betriebsratsvorsitzende Suzann Dräther mit Blick auf die Belegschaft diese Bilanz: „Ein Drittel ist schon bei einem neuen Arbeitgeber untergekommen, zwei Drittel suchen noch, zwölf werden in eine Transfergesellschaft wechseln.“
Nadler-Werksaus in Bottrop: Manche Beschäftigte wechseln zu Moers Frischeprodukte
Das bei Nadler beschäftige Paar, das unserer Redaktion im September seine Erschütterung angesichts des doppelten Arbeitsplatzverlustes geschildert hatte, gehört zu denen, die jetzt bereits etwas Neues in Aussicht haben. Die 55-Jährige Bottroperin, seit 1991 bei Nadler im Einsatz, hatte sich vor der Jobsuche gefürchtet, sich kaum vorstellen können, nach so langer Zeit in demselben Betrieb woanders neu anzufangen. Doch jetzt tritt sie im Januar höchst motiviert eine Tätigkeit als Hauswirtschafterin in einem Seniorenzentrum in Essen an. „Sie war ein paar Tage zum Probearbeiten dort, und es hat ihr gefallen“, erzählt ihr Partner.
Der 49-Jährige wiederum, seit 1993 im Nadler-Team, war die Jobsuche stets positiv angegangen. So hat er sich auch bei Moers Frischeprodukte beworben und habe eine telefonische Zusage zum 1. Februar erhalten. Dort soll er, wie bisher, als Anlagenmaschinenführer eingesetzt werden. „Die Hoffnung, dass es mit einer neuen Arbeitsstelle klappt, war immer da“, sagt der Bottroper. Auf fünf geschriebene Bewerbungen habe er Angebote eben von Moers Frischeprodukte und von Herta Wurstwaren erhalten. Drei Kollegen, mit denen er bislang direkt zusammengearbeitet habe, wollen wie er nach Moers gehen: „Wir werden dort zusammen anfangen.“
„Ich will meine Kündigungsfrist nicht aussitzen. Mir fällt schon jetzt die Decke auf den Kopf.“
„Ich freue mich schon darauf“, sagt der Bottroper. Und: „Ich will meine Kündigungsfrist nicht aussitzen. Mir fällt schon jetzt die Decke auf den Kopf.“ Die Produktion an der Scharnhölzstraße steht bereits seit Anfang Dezember still.
Viele Nadler-Beschäftigte haben Kündigungsfrist bis zum 30. Juni 2025
Für viele aus der Nadler-Familie drängt die Zeit tatsächlich nicht allzu sehr, denn „ganz viele Beschäftigte haben eine Kündigungsfrist bis zum 30. Juni“, berichtet Suzann Dräther. Für die in der Transfergesellschaft verdoppele sich die Kündigungsfrist bei dann aber nicht mehr vollem Gehalt. „Hierhin wechseln die Beschäftigten, die sagen, dass sie noch einmal eine Schulung brauchen.“ Manche wollen sich noch einmal komplett neu orientieren, erzählt die Betriebsratschefin.
Wer indes vor Ende der Kündigungsfrist einen neuen Job habe und einen Aufhebungsvertrag mit der NB Manufaktur GmbH & Co. KG schließt, kann laut Dräther von einer Sprinterprämie profitieren, die der ansonsten gezahlten Abfindung am Ende in nichts nachstehe.
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Die Betriebsratsvorsitzende ist zufrieden mit dem Sozialplan, der mit dem Arbeitgeber ausgehandelt werden konnte – immerhin auf freiwilliger Basis, da bei dem noch recht kurzen Bestand der NB Manufaktur GmbH & Co. KG als Tochter der Wernsing Food Gruppe keine Verpflichtung dazu bestand. Die NB Manufaktur hatte das Feinkostwerk zum Jahreswechsel 2021/22 von Müller übernommen. Zuvor hatte es schon andere Besitzerwechsel in der bald 100-jährigen Nadler-Geschichte gegeben. Seit 46 Jahren existiert das Feinkost-Werk an der Scharnhölzstraße in Bottrop.
Nadler-Betriebsrat hat auch noch für das Weihnachtsgeld gekämpft
Neben Transfergesellschafts- oder Abfindungsregelungen habe der Betriebsrat unter anderem erreichen können, dass Weihnachtsgeld und ein Inflationsausgleich-Prämien-Rest von 800 Euro an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgezahlt werden. „Am Anfang hatte der Arbeitgeber uns ein Volumen von 1,3 Millionen Euro angeboten“, beschreibt Dräther den finanziellen Topf für Abfindungen und Co. „Mit knapp 3,6 Millionen Euro sind wir rausgegangen.“
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Suzann Dräther selbst hat zusammen mit anderen an einem Bewerbungstraining teilgenommen, hat auch schon ein Bewerbungsgespräch für eine Stelle im Jobcenter Gelsenkirchen geführt. „Mit meinem Betriebsratsmandat und meinem ehrenamtlichen Engagement in der Gewerkschaft (Dräther ist auch Bottroper DGB-Vorsitzende, Anm. d. Red.) habe ich einen gewissen Makel. Ich kann nur bei Non-Profit-Organisationen oder gewerkschaftsnahen Arbeitgebern unterkommen. Oder überall da, wo meine Softskills gefragt sind“, meint die 59-Jährige.
Das Durchschnittsalter der Belegschaft liegt bei 57 Jahren. Das sei aber in Zeiten des Fachkräftemangels kein Hinderungsgrund, einen neuen Job zu finden. „Ich habe an vielen Stellen erlebt, dass Firmen kein Problem damit haben, Ältere einzustellen“, berichtet Dräther. Deren Erfahrung, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit würden geschätzt, teils seien sie auch für zeitlich befristete Projekte gefragt.
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Nach Bekanntwerden der Schließungspläne für Nadler hatten Unternehmen wie der neu in Bottrop angesiedelte Logistiker Yusen, Moers Frischeprodukte, Westfleisch in Oer-Erkenschwick oder Wurstwarenhersteller Herta Interesse an frei werdendem Personal signalisiert. Indes werde der vergleichsweise hohe Industrielohn, anders als bei Nadler, dann nicht unbedingt gezahlt.
So wird die eingeschworene Nadler-Familie mit den vielen, langjährigen Beschäftigten zwar ohne Zweifel auseinander gehen. Suzann Dräther: „Klar, wir wären alle gerne bis zur Rente hier geblieben. Aber wo eine Tür zu geht, geht eine andere wieder auf.“