Bottrop. Ende 2024 soll das Nadler-Werk schließen. Zwei Bottroper, die seit mehr als 30 Jahren dort arbeiten, erzählen, wie sehr das Werksaus sie trifft.
Die Belegschaft hat in den vergangenen Jahren schon manchen Kampf um ihre Arbeitsplätze ausgefochten, verschiedene Besitzerwechsel erlebt. Jetzt aber scheint das Ende nicht mehr abzuwenden: Das Werk von Nadler Feinkost in Bottrop soll schließen. Rund 170 Mitarbeitende werden hier ihren Job verlieren, viele von ihnen sind schon Jahre oder Jahrzehnte dabei. Nicht wenige Paare trifft das Werksaus gleich doppelt. Wir haben mit einem gesprochen.
Nadler-Aus: Für Bottroper Paar geht es nicht nur ums Finanzielle
Beide Verdiener auf einem Schlag ohne Arbeit: Natürlich sorgt sich das Bottroper Paar ums Finanzielle, wenn voraussichtlich Ende des Jahres die Feinkost-Produktion an der Scharnhölzstraße endgültig stillsteht. Ob das Weihnachtsgeld noch gezahlt wird, ob Lohnfortzahlungen im Rahmen der Kündigungsfrist kommen oder Abfindungen – über all das wird mit der Betreibergesellschaft NB Manufaktur, die zur Wernsing Food Group gehört, noch verhandelt, bestätigt auch der Betriebsrat.
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Aber man spürt: Es ist nicht die Geldfrage allein, die das Leben der beiden erschüttert. Sie fühlen sich Nadler, ihren bisherigen Arbeitsplätzen und vor allem den Kollegen und Kolleginnen eng verbunden. „Es gab gute Zeiten und es gab schlechte Zeiten. Aber wir waren immer wie eine Familie“, sagt die Bottroperin, die wie ihr Partner ihren Namen lieber nicht öffentlich preisgeben möchte.
Immer wieder ist sie im Gespräch den Tränen nahe. Der drohende Verlust all dessen, was mehr als 30 Jahre lang einen Großteil ihres Lebens ausmachte, trifft die 55-Jährige im Innersten.
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„Ich bin seit 1991 bei Nadler“, erzählt sie. Eine Nachbarin hatte ihr damals gesagt, dass im Werk Arbeitskräfte gesucht würden. Gerade erst nach Bottrop gezogen, stieg sie quer ein. „Ich war kurz in der Verpackung, ein paar Monate später dann Maschinenführerin.“ Nach einem privaten Unfall 2005 sei sie aber in die Verpackung zurückgekehrt.
Die 55-Jährige erinnert sich daran, in den Anfängen die Kartons noch selbst gefaltet und alles per Hand verpackt zu haben. „Das war eine gute Zeit“, sagt sie und klingt ein wenig wehmütig. Auch wenn die heutige Hilfe durch Maschinen sicher nicht zu unterschätzen ist.
Am Tag des Vorstellungsgesprächs gleich mit der Arbeit bei Nadler angefangen
Seit gut 20 Jahren ist einer ihrer Kollegen auch ihr Partner: Der 49-Jährige arbeitet seit 1993 bei Nadler. Am Tag des Vorstellungsgesprächs sei er erst gar nicht mehr heimgegangen, sondern gleich ab in den Betrieb.
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Angefangen in der Produktion, wechselte er in die Mayonnaise-Abteilung und schließlich in die Endverpackung als Anlageneinrichter und Maschinenführer. Durch eine Umschulung vor wenigen Jahren ist er heute gelernter Anlagenmaschinenführer in der Lebensmitteltechnik. Für diese Qualifizierung bislang ungelernter Kräfte bei Nadler hatte sich der Betriebsrat stark gemacht.
Und jetzt? Werden die beiden nach so vielen Jahren nicht mehr in der gleichen Abteilung arbeiten, nicht mehr die gleichen Kollegen haben. „Die Trennung tut weh“, sagt die 55-Jährige.
Dabei haben sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen so viel zusammen durchlebt. In einer Krise zum Beispiel hätten sie auf ein paar Tage Urlaub verzichtet, aufs Weihnachtsgeld. „Wir haben immer gekämpft. Wir haben das alles gemacht, Hauptsache war, wir behalten den Arbeitsplatz“, sagt die Bottroperin.
Schichten tauschen, woanders einspringen, nicht so genau auf die Uhr gucken – für die beiden innerhalb ihrer Nadler-Familie kein Problem. Man habe sich gegenseitig unterstützt. „Ich war mehr arbeiten als zu Hause. Man hat sich im Betrieb einfach wohl gefühlt“, meint er. Aber die Situation jetzt – „die ist traurig“. Alles zerplatze einfach, „peng, wie eine Seifenblase“.
Bislang, berichten das Paar und der Betriebsrat, wurden noch keine Kündigungen ausgesprochen. Aber natürlich denken die Betroffenen schon an die Zeit nach Nadler.
Gelernter Anlagenmaschinenführer: „Arbeitsstellen sind genug im Angebot“
Wenn es darum geht, einen neuen Job zu finden, ist er der Optimistische von beiden. Klar, er geht auf die 50 zu, das macht ihm schon ein wenig Sorgen. Andererseits: „Arbeitsstellen sind genug im Angebot“, sagt er. Mit der abgeschlossenen Ausbildung kann er sich gut als Anlagenmaschinenführer bewerben. Er sucht in einem Umkreis von 30 Kilometern, hat schon das eine oder andere im Auge.
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Seine Partnerin tut sich da viel schwerer. „Für mich ist das schrecklich“, sagt sie zum Thema Jobsuche. Und: „Ich habe Angst.“ Nicht vor dem Arbeiten an sich. Aber davor, wie es in einem neuen Betrieb sein mag. „33 Jahre sind eine lange, lange Zeit“, sagt sie mit Blick auf ihre Nadler-Vergangenheit. Wie werden auf einer neuen Arbeitsstelle die Kollegen sein? Die Atmosphäre? Wie weit wird man dorthin fahren müssen? „Aber ich will es natürlich versuchen. Ich kann nicht einfach zu Hause sitzen“, ergänzt die 55-Jährige. Und schließlich: „Man braucht das Geld zum Leben, das ist ja normal.“
Auch wenn Business nun einmal Business sei, fehlt ihr das Verständnis für die Entscheidung zur Werksschließung. Wer das beschlossen habe, das sei ihr Gefühl, „der hat kein Herz“.