Bottrop/Essen. Bei einem Konzert in einer Kirche wäre er fast gestorben. Nun tritt der Essener Star-Gitarrist Rafael Cortés in einem Bottroper Gotteshaus auf.

Flamenco und Kirche ist für Rafael Cortés kein Widerspruch. Nicht weil der Essener mit spanischen Wurzeln ohnehin „von Natur aus“ katholisch ist, wie er sagt. Aber seit er in einer Kölner Kirche während eines Konzerts von jetzt auf gleich umfiel und 20 Minuten tot war, wie die Ärzte bestätigten, und dort dank sofortiger Hilfe wieder aufwachte, hat der 50-jährige Ausnahmegitarrist noch einmal ein intensiveres Verhältnis zum Glauben wie zur Kirche bekommen. So freut es ihn natürlich besonders, dass er im Jahr seines 40. Bühnenjubiläums nicht nur in Bottrop auftritt, sondern dort gleich auch in einer Kirche: im Oktober in der Kulturkirche Heilig Kreuz.

Eigentlich musste er vor zwei Jahren zu dem Kölner Kirchenkonzert sogar etwas gedrängt werden. Denn inzwischen ist Cortés, der als ein legitimer Nachfolger von Flamenco-Stars wie Paco de Lucia (dessen Bruder schenkte ihm sogar eine Gitarre von Paco, nachdem er den Essener im Konzert gehört hatte) oder Niño Ricardo gilt, große Häuser, wichtige Festivals und entsprechende Gagen gewöhnt.

Es sind nicht immer die großen Glamour-Orte, die nachhaltigen Eindruck hinterlassen

Aber es sind nicht die Glamour-Orte wie Hamburgs Elbphilharmonie, Frankfurts Alte Oper oder die Festivals von Jerez oder Madrid, die – bei aller Hochachtung vor diesen Tempeln der Kultur – in 40 Jahren nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Für tiefere Eindrücke sorgen bei Rafael Cortés vielmehr direkte Erlebnisse und Begegnungen mit dem Publikum, die eher an kleineren Orten möglich sind.

„Ein Schlüsselerlebnis hatte ich einmal im Blue Note-Club in Posznan in Polen. Auf einmal fiel der Strom komplett aus, nichts funktionierte und man schleppte unzählige Kerzen heran und wir spielten unplugged, am Ende sogar das Lied ,Der letzte Sonntag‘, das ganz populär war während des polnischen Widerstands im Zweiten Weltkrieg, und alle sangen mit“, erinnert sich der Musiker.

„Wenn du einmal tot warst und zu den zwei Prozent gehörst, die so lange einen Herzstillstand überhaupt überleben, glaubst du nicht mehr an Zufälle.“

Flamenco-Star Rafael Cortés, der bei einem Konzert fast gestorben wäre

Auch die Kölner Erzengel-Michael-Kirche, wo er seine persönliche Auferstehung erlebte, sei so ein Ort. „Als ich erfuhr, dass die Ärztin und eine Krankenschwester, die zu meinen Rettern gehörten, vorher ihre Dienste getauscht hatten, um in mein Konzert kommen zu können, wurde mir noch einmal anders. Wenn du mal tot warst und zu den zwei Prozent gehörst, die so lange einen Herzstillstand überhaupt überleben und dann noch ohne schlimme Folgen, glaubst du nicht mehr an Zufälle.“

Natürlich hat Rafael Cortés kürzlich in Köln die zweite Hälfte des abgebrochenen Konzerts nachgeholt: „Ein unglaubliches Gefühl der Dankbarkeit, auch der Demut.“ Was löst so ein Ereignis im Leben aus? Er persönlich sei weniger aggressiv und ungeduldig, entspannter und vielleicht auch liebevoller.

Cortés‘ Wurzeln liegen zwar in Spanien, in Granada. Sein Großvater war schon ein bekannter Flamenco-Gitarrist. Aber der Enkel ist, was man als echtes Kind des Ruhrgebiets nennt, aufgewachsen fast unmittelbar am Rhein-Herne-Kanal. Bis heute lebt er in dieser Straße in Essen-Altenessen, wo er vor Jahren auch ein Haus gekauft hat. Ganz in der Nähe, in der Zeche Carl, hat er vor 40 Jahren auch seinen ersten Soloauftritt. Ermöglicht hat den übrigens der damalige Organisator dieses sozio-kulturellen Zentrums, der heutige Kämmerer und Kulturdezernent von Dortmund, Jörg Stüdemann.

Ein Ausnahmemusiker, der mit Noten nichts anfangen kann: „Musik ist Gefühl!“

Alle sind begeistert von der Virtuosität des Gitarristen, der nie eine Hochschule besucht hat. „Ich trat vor einer Jury der Folkwang Musikschule auf, konnte keine Noten, spielte nur und bekam eine Art Stipendium.“ Bis heute hat Rafael Cortès ein zwiespältiges Verhältnis zu Noten. Musik ist für ihn neben dem technischen Rüstzeug am Instrument Gefühl, Improvisation, auch ein sich „reingrooven“ in ein Ensemble.

Denn er tritt nicht nur als Solist auf. Größen wie Tommy Emmanuel oder Carles Benavent gehören zu den Musikpartnern. Auch Jazz oder Gypsy gehören zum Repertoire. Früh lernt er den bekannten Fado-Sänger Telmo Pires kennen und natürlich macht man zusammen Musik. Auch Hape Kerkeling hat er mal begleitet, obwohl das eher auf einer Zufallsbegegnung beruhte. „Der kann wirklich gut singen, wissen viele gar nicht.“

Rafael Cortés (r.) mit seinem Sohn Rafael Cortés junior. Er wird auch beim Bottroper Konzert dabei sein.
Rafael Cortés (r.) mit seinem Sohn Rafael Cortés junior. Er wird auch beim Bottroper Konzert dabei sein. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Und um in der Region zu bleiben, deren Konzerthäuser in Essen und Dortmund genauso zu den Auftrittsorten gehört wie die bekannte Essener Lichtburg: „Ich möchte unbedingt einmal mit Helge Schneider spielen.“ Und dann fehlt nur noch New York... Aber jetzt kommt erst Bottrop, wieder einmal. Dort spielt er unter anderem mit seinem Sohn. „Ein toller Gitarrist, für den aber, wie damals für meinen Vater, Musik vielleicht die schönste Nebensache der Welt, aber nicht der Hauptberuf ist.“

Rafael Cortés und Co.: Samstag, 12. Oktober, 20 Uhr, Kulturkirche, Scharnhölzstraße 33. Karten (20 Euro) in der Humboldt-Buchhandlung und bei Foto Lelgemann sowie an der Abendkasse (22 Euro). In der Essener Lichtburg tritt Cortés am 9. Dezember auf, am 13. Dezember im Schloss Borbeck. Tickets dafür: rca-events.reservix.de.