Essen. Seit 40 Jahren sorgt Flamenco-Virtuose Rafael Cortés für das spanische Gefühl mitten in Essen. Wie er dank der Musik auch Krisen überwunden hat.

Wer 40 Jahre auf der Bühne steht, der darf sich normalerweise schon zu den Altvorderen des Musikgeschäfts zählen. Aber Rafael Cortés ist gerade mal 50 und hat nichts mit den in Ehren ergrauten Bühnen-Tigern der Branche gemein, die noch eine Erinnerungsrunde durch die Konzertsäle drehen. Sein 40-jähriges „Dienst“-Jubiläum ist eben weit entfernt vom Abschied, sondern auch eine Feier der Wiederauferstehung.

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Nach einem Herzstillstand, den er 2022 bei einem Konzert in der Erzengel Michael Kirche in Köln knapp überlebt hat, hat die Begegnung mit dem Publikum noch einmal an Intensität gewonnen. Sein Sohn Rafael, der bei dem dramatischen Zwischenfall damals zu den Lebensrettern gehörte, managt diese Begegnungen inzwischen. Am 30. August beispielsweise, wenn Rafael Cortés in der Alten Kirche in Altenessen spielt.

Flamenco als Familien-Tradition: Großvater Octavio Cortés Maya im Kreise seiner Enkel.
Flamenco als Familien-Tradition: Großvater Octavio Cortés Maya im Kreise seiner Enkel. © Cortés

Altenessen, das ist die Heimat des Flamenco-Großmeisters, der den Stadtteil im Essener Norden schon immer mit andalusischem Flair geflutet hat. Der Künstler ist schließlich Nachkomme der Flamenco-Legende Octavio Cortés Maya. Der Großvater lässt dem Enkel die erste Gitarre bauen, als der Junge gerade fünf Jahre alt ist.  Das Gitarrenspiel, es gehört seither zum Leben, „so wie essen oder trinken“, sagt Rafael Cortés, der mit der Flamenco-Musik aufwächst wie andere mit Rolf Zuckowskis Kinderliedern. „Das war ganz natürlich.“

Die Musik gehört für Cortés zum Leben, „so wie essen oder trinken“

Schon als Schuljunge tourt er in den Ferien mit Stars der Flamenco-Szene durch die Welt und sorgt als Knirps auch beim Vorspiel an der Folkwang Musikschule für Staunen, wo ihn sein Mentor Angel Martinéz damals dem berühmten Flamenco-Lehrer „El Macareno“ vorstellt.

Die Gitarre hat Rafael Cortés schon als Kind nicht aus der Hand legen können. 
Die Gitarre hat Rafael Cortés schon als Kind nicht aus der Hand legen können.  © Cortés

An der Brunnenstraße lernt Rafael Cortés auch zu schätzen, was ihn und seine Musik über all die Jahre stark geprägt hat: die Vielfalt der Kulturen und Klänge im Ruhrgebiet. Dort spielt er nicht nur Flamenco, sondern auch Gypsy und Jazz und alles, was der lernwillige Schüler vor die flinken Finger bekommt. „Ich habe so viel geübt, dass ich manchmal nicht mehr zur Schule gegangen bin“, erinnert sich der Flamenco-Könner. Der Papa, der eine Autowerkstatt betreibt, sieht‘s nicht gerne und macht dem Treiben erst einmal ein Ende. Die Gitarre ist damals kaputt, doch die Mama sorgt heimlich für Ersatz. Ein Leben ohne Gitarre ist zwar möglich, aber sinnlos, lautet für Rafael Cortés die Devise, frei nach Loriots berühmtem Mops-Motto.

Ein eingespieltes Team: Rafael Cortés und sein Sohn Rafael.        
Ein eingespieltes Team: Rafael Cortés und sein Sohn Rafael.         © Cortés

Auch heute kann sich der Essener Ausnahmemusikerer immer noch nicht bremsen, wenn er eine neue Gitarre bekommt. Dann wollen die Finger einfach Saitenberührung haben und die Seele jene Schwingungen erleben, die nur die Musik entfachen kann. Selbst nach einem Konzert kann Cortés die Gitarre manchmal nicht weglegen, „auch wenn die anderen schon fragen: tun dir nicht die Finger weh?“, lächelt der 50-Jährige.

Hier ist Rafael Cortés zu hören

Am 30. August spielt Rafael Cortés ein Konzert in der Alten Kirche Altenessen. Tickets unter www.eventim.de Mehr Infos unter rafael-cortes.com

Weitere Essener Konzert anlässlich seines 40-jährigen Bühnenjubiläums gibt es am 9. Dezember in der Lichtburg, 20 Uhr, und am 13. Dezenber in Schloss Borbeck, 19 Uhr. Tickets für beide Konzerte gibt es unter rca-events.reservix.de

Die Leidenschaft für die Musik hat er an seinen Sohn vererbt. Der Flamenco ist und bleibt Familienangelegenheit bei den Cortés. Doch als sein Vater stirbt, will Rafael Cortés für die Familie da sein und den väterlichen Job übernehmen. Der damalige Chef allerdings erkennt sofort den Künstler, nicht die Kfz-Fachkraft und beendet die Handwerks-Karriere mit einer Kündigung: „Irgendwann wirst du es mir danken.“

Rafael Cortés teilt den Applaus und die Bühne gerne mit alten Freunden

Dankbar sein dürften vor allem die Fans in aller Welt, die Rafael Cortés mit seinem virtuosen Spiel, der halsbrecherischen Fingerfertigkeit und seinem grandiosen Rhythmusgefühl über all die Jahre begeistert hat: In der Hamburger Elbphilharmonie oder in der Alten Oper Frankfurt ebenso wie in Konzerthäusern in Polen oder den Niederlanden. Und in der Essener Lichtburg, wo Cortés im vergangenen Winter die gloriose Präsentation seines neuen Albums „Espada de Fuego“ gefeiert hat. Zusammen mit vielen vertrauten Künstlern, die er schon seit Jahren um sich schart. Cortés, den schon Weltstars wie Al Di Meola und Tommy Emmanuel um Kooperationen gebeten haben, ist ein Musiker, der das Scheinwerferlicht und den Applaus am liebsten mit seinen Mitspielern teilt.

Seine Wurzeln hat er ohnehin nie vergessen. Und wenn er heute an der Zeche Carl vorbeikommt, dann ist die Erinnerung gleich wieder da an das erste Solo-Konzert, das er hier als Zehnjähriger gegeben hat. Damals ist er nach dem Fußballspielen im Hof einfach mal ins Büro des Geschäftsführers marschiert und hat vorgespielt. Ein paar Wochen später konnte dann jeder hören, was da für ein musikalisches Ausnahmetalent in der Nachbarschaft heranwächst. 40 Jahre ist das her, und die Gitarre hat Rafael Cortés seither durch alle Höhen und Tiefen des Lebens begleitet. „Die Musik hat mich immer beschützt.“

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