Bottrop. Knapp 1000 Flüchtlinge leben derzeit in Bottroper Gemeinschaftsunterkünften. Wie die Stadt versucht, sie bestmöglich zu integrieren.
Der Messerstecher von Solingen lebte in einer Flüchtlingsunterkunft. Dort scheint sich der 26-jährige Syrer, der vorher nicht auffällig gewesen war, radikalisiert zu haben. Seine Tat, bei der drei Menschen starben und acht schwer verletzt worden sind, geschah mutmaßlich im Auftrag des sogenannten „Islamischen Staats“. Wie lässt sich eine Radikalisierung verhindern, wie werden Flüchtlinge in Bottroper Unterkünften betreut? Ein Einblick.
„Wir haben dazugelernt“, sagt Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert. 2015/2016, damals war noch Willi Loeven Sozialdezernent, habe es keine soziale Betreuung in den Flüchtlingsunterkünften gegeben, außer in den großen städtischen Improvisationslösungen wie dem Saalbau, in dem damals bis zu 600 Menschen untergebracht werden konnten.
Flüchtlinge in Bottrop: Sozialarbeiter helfen bei Alltagsfragen
Heute, zweieinhalb Jahre nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und in Zeiten vieler Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien, sieht das anders aus: In allen städtischen Einrichtungen seien Sozialarbeiter freier Träger aktiv, vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK).
„Die Wohlfahrtsverbände sind schnell mit in die Betreuung gegangen“, sagt Karen Alexius-Eifert. Die Sozialarbeiter helfen beim Ankommen in Deutschland, in der Unterkunft, bei Alltagsfragen. So schildert es die stellvertretende Sozialamtsleiterin Pia Blümling. „Es ist eine soziale, keine psychologische Betreuung“, stellt sie klar. Aber die Helfer können Kontakt vermitteln zu anderen Stellen, wenn weitergehende Hilfe gebraucht ist.
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Jeweils zwei Personen seien für eine Einrichtung zuständig. Sie sind nicht rund um die Uhr vor Ort, aber haben feste Zeiten, sind ansprechbar, wenn es um Fragen geht zur Einschulung der Kinder, zum Betreuungsplatz, zu Bankangelegenheiten oder schlicht der Frage, wie man den öffentlichen Nahverkehr richtig benutzt.
Durchmischte Flüchtlingsheime, keine reinen Männer-Unterkünfte
Derzeit leben knapp 1000 Geflüchtete in städtischen Bottroper Unterkünften. Sie sind nach Nationalitäten, Religionen und Geschlechtern durchmischt untergebracht. „Das halten wir für am Sinnvollsten“, sagt Karen Alexius-Eifert. „Wir haben bewusst keine reinen Männerunterkünfte.“ Sie habe die Erfahrung gemacht, dass die Geflüchteten gut zusammenleben können, trotz unterschiedlicher Hintergründe. „Sie haben alle eine Fluchterfahrung. Das ist ein bindender Faktor.“
Die Durchmischung der Personengruppen und die regelmäßige Betreuung sind Faktoren, die eine Radikalisierung verhindern können. „Dass Menschen ansprechbar sind, ist ein wichtiger Schritt, um Tendenzen entgegenzuwirken“, sagt die Sozialdezernentin. Und klar ist: „Das beste Mittel ist Integration.“
Völlig ausschließen könne man das Risiko natürlich nicht. „Das Schlimmste ist aber, wenn jemand meint, er habe keine Perspektiven“, sagt Karen Alexius-Eifert. „Soziale Isolation ist für niemanden gut.“ Zudem stehe die Stadt im Austausch mit den Behörden.
Hohe Kosten für Flüchtlingsunterbringung – zu wenig Geld vom Land
Ein Problem bei der Unterbringung der Flüchtlinge bleibt das Geld: Pro Geflüchtetem zahlt das Land Nordrhein-Westfalen 1125 Euro an die Kommune. „Das deckt bei weitem nicht alles ab“, stellt die Sozialdezernentin klar. Diese Pauschale sei seit 2021 nicht gestiegen, Inflation und Kostensteigerung zum Trotz. Die Städte fordern derzeit eine Erhöhung von mindestens 25 Prozent.
Hinzu kommt der klamme städtische Etat und das Haushaltssicherungskonzept, das auch die Streichung einer Sozialarbeiterstelle vorsieht. Mit der Versorgung der Flüchtlinge in Unterkünfte ist es nicht getan. Denn auch nach dem Auszug in die eigene Wohnung werden sie betreut, wenngleich nicht mehr so engmaschig. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gibt es ein WG-Programm, für das die Stadt Wohnungen anmietet, in denen vier bis neun junge Erwachsene zusammen leben und von den Johannitern und Sozialarbeitern der Stadt regelmäßig aufgesucht werden.
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Experten beobachten eine immer früher einsetzende Radikalisierung, wie unter anderem der Mediendienst Integration berichtet. Die Täter von Mannheim und Solingen waren Mitte 20, die Tatverdächtigen, die vor wenigen Wochen einen islamistischen Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien geplant hatten, waren noch minderjährig.
Ein Weg, es nicht so weit kommen zu lassen, ist eine engmaschige Betreuung – und Perspektiven für junge Menschen.