Bottrop. Die Stadt Bottrop hat mehrere Kurzzeitparkplätze auf der Gladbecker Straße weggenommen. Die Geschäftsleute verlieren die Hälfte ihres Umsatzes.
Kunden sind sensibel, wenn es um die Erreichbarkeit ihrer Geschäfte geht. Geschäftsleute auch, wenn es um Umsatzeinbußen geht. Wer wollte es ihnen verdenken, vor allem, wenn ein Geschäft wie das Second-Hand-Kaufhaus „Allerhand aus zweiter Hand“ an Gladbecker Straße 244 -246 auf dem Eigen oder ein ähnlich aufgestellter Laden auf der gegenüberliegenden Seite die Existenzgrundlage für Inhaberinnen und Mitarbeiter bilden.
Acht Angestellte hat Yvonne Knippenberg, die das bekannte Second-Hand-Kaufhaus 2019 von Martina Peukert und Inge Barth übernommen hat. Seit knapp vier Wochen gibt es die Kurzzeitparkplätze vor ihrem Laden nicht mehr. „Und ob sie es glauben oder nicht, das haben wir schon in den ersten Tagen gemerkt, jetzt würde ich sagen, das macht fast 50 Prozent weniger Einnahmen im Kaufhaus aus“, sagt die Inhaberin. Sicher, die Haushaltsauflösungen seien Teil dieses zweigleisigen Geschäfts, aber die Hälfte weniger Umsatz vorne im Laden, das sei schon eine Hausnummer.
Zwei, drei Parkplätze weniger machen sich gerade bei älterer Kundschaft schnell bemerkbar
Zwei, drei Parkplätze, das könne doch nicht die Welt sein. „O doch“, sagt Yvonne Knippenberg. Es kämen viele ältere Leute, zum Teil auch mit Stock oder Rollator, die regelmäßig dort kauften, vor allem, weil sie manchmal nur eine Minirente haben. „Es gibt ältere Damen, die freuen sich über eine Markenbluse, die sie hier für zehn statt für 80, 90 Euro im Neueinkauf bekommen und: Warum soll man im Alter oder mit weniger Geld nicht mehr Wert auf das eigene Erscheinungsbild legen?“
Die Geschäftsfrau weiß, wovon sie spricht. Sie selbst war einmal eine Zeit lang auf Hartz IV angewiesen, wie es damals noch hieß. Das Geschäft „Allerhand aus zweiter Hand“ habe sie selbst, auch mithilfe ihrer Familie, unter großer Anstrengung übernommen und ist seit fünf Jahren zufrieden, wie es läuft. Bis jetzt. Dass sie darüber hinaus auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, die aufgrund ihres Alters oder kleinerer Einschränkungen woanders sicher keinen Job mehr finden würden.
Ein kleiner Geschäftsmikrokosmos auf dem Bottroper Eigen – Inhaber möchten gerne bleiben
So ähnlich wie dieser Abschnitt der Gladbecker Straße mit dem Second-Hand-Laden gegenüber von Sylvia Weß und dem Plattenladen von Jochen Schneider einen Eigener Mikrokosmos darstellt, ist auch „Allerhand aus zweiter Hand“ wie eine kleines soziales Netzwerk und vor allem auch Treffpunkt für Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund. Selbst das Bottroper Frauenhaus profitiert des Öfteren von Yvonne Knippenbergs Team, etwa wenn es um unkompliziert zu vermittelnde Einrichtungsgegenstände oder Haushaltszubehör geht, die Frauen in Not manchmal so schnell es geht benötigen.
„Wir möchten auch weiter hier bleiben, aber da ist die aktuelle Parkraumregelung leider kontraproduktiv“, sagt Yvonne Knippenburg. „Wir finden es schade, dass niemand uns im Vorfeld informiert hat oder einen Ortstermin gemacht hat, auf dem wir über mögliche Alternativen hätten sprechen können.“ Gefühlt würde nämlich der Straßenabschnitt sogar unruhiger. „Mehr Autos machen einen U-Turn, weil ja mehr Platz da ist.“ Die recht wenigen Wagen, die aus der Ernst-Ender-Straße herauskommen, müssten dazu direkt auf die zweite Spur ziehen, weil kurz nach der Ausfahrt wieder Wagen parken dürfen, auch nicht so sicher, findet Yvonne Knippenberg.
Auch ihre Nachbarin auf der gegenüberliegenden Straßenseite, Sylvia Weß, spricht bereits von weniger Kundschaft und Umsatzeinbußen. Zwar seien auf ihrer Straßenseite noch Kurzparkplätze vorhanden, aber jeder nahe Parkraum, der verschwindet, schlage aufs Geschäft, so die Inhaberin, die seit zehn Jahren dort ansässig ist. Die Änderung kann sie aber ganz anders als Beruhigung durch die Tempo-30-Zone nicht nachvollziehen.
Aus Sicht des Straßenverkehrsamtes war die Änderung notwendig. „Aus Sicherheitsgründen“, sagt dessen Leiter Fabian Fingerlin auf Nachfrage der WAZ. In einem Schreiben hatte er bereits der Geschäftsleitung von „Allerhand in zweiter Hand“ die Sachlage geschildert. Die Begründung für die Änderung: An Verkehrsknotenpunkten müssten sogenannte „Sichtdreiecke“ zu planen oder freizuhalten, die den Blick von einer untergeordneten auf eine übergeordnete Straße ausreichend freigeben.
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Hintergrund: In einer NRW-Gemeinde beschäftigte sich ein Gericht mit dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen gegen zwei Amtsträger, weil dort die Sichtdreiecke wohl nicht ausreichend gewesen seien. Daraufhin habe Bottrop die Hauptverkehrsstraßen auf die vorgeschriebenen Sichtdreiecke überprüft und dann eben auch im Bereich Ernst-Ender-Straße das absolute Halteverbotsschild versetzt. Mit dem aktuellen Ergebnis.
Eine Änderung sei aus seiner Sicht an dieser Stelle wohl nicht möglich, so Fabian Fingerlin, der durchaus Verständnis für Ladenbesitzer hat. Auch der Vorschlag von Yvonne Knippenberg, gerade mit Blick auf die Kinder (die Ernst-Ender-Straße ist Spielstraße), die Zufahrt zur Gladbecker Straße zu sperren, käme eher nicht infrage. Das wäre ohnehin zunächst eine Sache für das Planungsamt und zöge wohl andere Beschwerden nach sich. Und schließlich gebe es etwas weiter weg durchaus noch Parkmöglichkeiten. Offensichtlich eine klassische Patt-Situation zwischen beiden Seiten.