Bottrop/Essen. Zehn Tage ist im Juni 2025 die A42 zwischen Bottrop und Essen voll gesperrt. Der Grund: Abriss einer Rohrbrücke. Der Aufwand dafür ist gewaltig.
Das Objekt der Begierde ist nur 120 Meter lang und verursacht trotzdem einen immensen Aufwand und hohe Kosten. Die alte Rohrbrücke des Unternehmens BP an der Straße „Lichtenhorst“ zwischen Ebel und Welheimer Mark wird abgerissen. An ihrer Stelle soll eine neue Brücke gebaut werden. Das klingt einfach, ist aber sehr umfangreich.
+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bottrop verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren WhatsApp-Kanal
Die bisherige Rohrbrücke muss für den geplanten sechsspurigen Ausbau der A42 weichen. Seit Monaten wird dafür an der Baustelle gearbeitet, BP schätzt die Kosten für die gesamte Maßnahme auf 35 Millionen Euro. Ein Großteil der Millionensumme fließt in die vorbereitenden Maßnahmen. Evonik ist von BP beauftragt worden.
In der Zeit um Pfingsten (Anfang Juni 2025) muss für zehn Tage die A42 in beide Richtungen voll gesperrt werden. Ein Besuch unserer Redaktion vor Ort zeigt, warum es aktuell die Mega-Baustelle im Bottroper Süden ist. Der Aufwand, der betrieben wird, ist gewaltig. In den zehn Tagen muss, wie bei einem Uhrwerk, ein Rädchen ins andere greifen, um den engen Zeitplan einzuhalten.
Erschwert wird das Ganze dadurch, dass über die marode A42-Brücke keine Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen fahren dürfen. Deshalb ist unweit des Sturmshofs auf dem Gelände, das zu Arcelor Mittal gehört, inzwischen eine Fläche für Schwerlaster hergerichtet.
Diese wird als Ent- und Umladeplatz genutzt. Die zwei tonnenschweren Raupenkräne (mindestens 80 Meter hoch) werden in Einzelteilen angeliefert und dann erst zusammengebaut. Ein Kran bleibt am Hafen stehen, der andere wird unterdessen zur Rohrbrücke über die Autobahn bis zum Lichtenhorst transportiert – jedoch weiterhin in vielen Einzelteilen.
Raupenkran wiegt fast 1000 Tonnen und benötigt die gesamte A42
Die Anlieferung muss über den Hafen erfolgen, erklärt Evonik. Ein Transport über die marode Brücke kommt nicht infrage, die Teile des Krans sind um ein Vielfaches schwerer als 3,5 Tonnen. Der Kran kann auch nicht zusammengebaut vom Hafen über das Teilstück bis zum Lichtenhorst transportiert werden. „Das hält die Autobahn nicht aus“, sagt Thomas Kruck, Projektmanager bei Evonik.
Nur um eine Hausnummer zu nennen: Alleine das Gegenwicht eines Krans liegt bei 500(!) Tonnen. Vor Ort an der alten Rohrbrücke muss der Kran mit einem Gewicht von 1000(!) Tonnen plus eben jenen 500 Tonnen Gegengewicht schließlich zusammengebaut werden. Drei Tage sind dafür eingeplant. Danach soll er betriebsbereit sein.
Doch es gab im Vorfeld ein Problem: Der Untergrund an der Brücke zwischen A42 und Emscher ist für eine derartige Schwerlast überhaupt nicht vorbereitet gewesen.
Mit einem Bohrpfahlgerät sind deshalb in den zurückliegenden Wochen vier riesige Löcher entstanden, fast 20 Meter tief wurde in die Erde gebohrt, der Raum mit Bewehrungsstahl und Beton verfüllt. Das Erdmaterial musste mit vielen Lkw-Ladungen abtransportiert werden. Das Hauptfundament für die neue Brücke ist fertig.
Herausforderung: Die neue Rohrbrücke wird länger, hat aber weniger Segmente
Doch es gibt die nächste Herausforderung: Die (Noch-)Brücke ruht auf vier Segmenten. Eine auf der Nordseite, eine auf der Südseite und zwei mitten auf dem Deich. „Die neue Brücke besteht aber aus zwei Segmenten“, sagt Thomas Kruck. Die Spannweite wird verlängert auf 140 Meter.
Eines der zwei Segmente wird nicht mehr so nah an der Emscher sein, sondern ins Hinterland des Deiches auf der Seite der BP-Raffinerie verlegt. Außerdem sieht die Planung vor, dass die neue Brücke circa 1,40 Meter höher sein wird als die aktuelle.
Eine weitere Herausforderung liegt in der Form des Bauwerks. Denn die alte Rohrbrücke ist gebaut wie ein U, also nach oben offen. Das heißt, bei einem Abtransport über den Raupenkran besteht die Gefahr, dass die Betonsegmente einknicken. „Das Bauwerk ist nicht dafür geplant gewesen, um es einmal zu heben“, sagt Thomas Kruck.
Deshalb wird die Innenseite gekontert und es müssen eigens vier Spezialkonstruktionen gefertigt werden. Die Segmente der Brücken sind nämlich unterschiedlich lang und zugleich tonnenschwer. Evonik und BP betonen, dass diese Konstruktionen nur für diesen einen Zweck gebaut und verwendet wird. Danach wird das Stahlmodell wieder verschrottet.
Man kann es sich vorstellen wie eine Tragetasche aus Stahl. Damit werden die vier abgetrennten Segmente einzeln ummantelt und letztlich mithilfe des Krans abtransportiert. Zuvor müssen jedoch an vier Stellen die Rohre getrennt werden. Jan Krüdewagen, Projektmanager bei BP, rechnet mit 12 Teams an vier Punkten, die mehr oder weniger gleichzeitig arbeiten. „Vorher werden die Rohre gereinigt“, sagt er.
Anschließend werden die vier Rohrstücke mit einer Maschine, die über das Rohr gespannt wird, getrennt („Das dauert nicht lange“) und abtransportiert. Danach kommen die neuen Segmente, die dann an den Endstücken wieder zusammengeschweißt werden. Schließlich werden die Schweißnähte zur Prüfung noch einmal geröntgt.
Der Raupenkran lädt die jeweiligen abgetrennten Segmente auf Fahrzeuge, die schließlich damit über die gesperrte A42 zum Hafen am Sturmshof fahren. Dort werden sie in ihre Einzelteile zerlegt.
Noch ein Beispiel für den riesigen Aufwand gefällig? Teile der Brücke werden im Emsland gefertigt. Und schließlich mit dem Schiff über einen Seitenkanal des Ijsselmeers, den Rhein und Rhein-Herne-Kanal zum Bottroper Hafen am Sturmshof befördert. Sechs Tage soll die Fahrt dauern.
Warum die A42 für zehn Tage im Juni voll gesperrt wird, erklärt der Evonik-Projektleiter. „Der Raupenkran macht dynamische Schwenkbewegungen. Das Gewicht muss ausbalanciert sein. Er muss drehen und fahren.“ Nur um sich die Dimension des Raupenkrans einmal zu verdeutlichen: Er nimmt mitsamt des 500-Tonnen-Gegengewichts die gesamte Fahrbahn in Richtung Dortmund ein und schwenkt in beide Richtungen. Solche Geräte kommen eigentlich bei Windrädern zum Einsatz.
„Der Raupenkran macht dynamische Schwenkbewegungen.““
Der Projektmanager rechnet mit Schaulustigen, die rund um Pfingsten das zehntägige Spektakel hautnah mitverfolgen möchten. Hierfür soll auf dem Deich am Ausgang der Knappenstraße in der Welheimer Mark in sicherer Entfernung ein entsprechender Bereich mit bestem Blick auf das Geschehen eingezäunt werden.
Die Straße „Lichtenhorst“ wird für den Zeitraum der A42-Sperrung für den Lkw- und Autoverkehr voll gesperrt. Über die Bruktererstraße soll die Umleitung erfolgen. Fußgänger dürfen nur die nördliche Seite über der A42 am Lichtenhorst nutzen. Der westliche Teil des Emscher-Wegs soll frei bleiben.
Evonik und BP rechnen in der Sperrzeit mit bis 200 Mitarbeitern, die rund um die Uhr an der Baustelle an diversen Stellen im Einsatz sind. Außerdem kündigen beide Unternehmen viel Schwerlastverkehr für den Zeitraum der Sperrung an. Als vorbereitende Maßnahme ist zur Baustelle schon länger eine nur für Lkw und für Rettungsdienste freigegebene Zufahrt und Abfahrt auf die A42 geschaffen worden. Eine festinstallierte Schranke verhindert, dass Unberechtigte die Zuwegung nutzen.
- Frühchen Mihra: „So klein und zierlich, aber so stark“
- Lenny (13) geht nicht zur Schule: „Die schlagen mich irgendwann tot“
- Schuldneratlas: So viele Bottroper sind verschuldet
- Neues Konzept auf der Gastromeile: „Pommesbude kann ich nicht“
Die aufgestellten Strahler der Baustelle werden während der zehntägigen Sperrung nachts taghell sein und das Areal erleuchten. „Man wird uns auch hören“, kündigt Thomas Kruck an.
Drei Tage soll der Brückenaustausch dauern. „Es ist ein unheimlicher Aufwand“, sagt der Projektmanager von Evonik. Man habe im Vorfeld viele verschiedene Varianten für den Abriss und Neubau der Rohrbrücke geprüft. „Es ist technisch die einzig umsetzbare Maßnahme und im Kontext zu den anderen Varianten auch die wirtschaftlichste Maßnahme.“