Bottrop. Die Familie erwirbt nach der Knippenburg mit Welheim den zweiten bedeutenden Herrensitz des alten Bottrop. Es war eine Zeit großer Umbrüche.
Als vor 200 Jahren die Familie Devens Schloss und Ländereien der alten Kommende Welheim übernimmt, befindet sich die Region bereits seit 20 Jahren im Umbruch und Übergang. Wie vor 100 Jahren, als sich nach Ende der Monarchie die erste deutsche Republik unter Schwierigkeiten formierte, linke und rechte Parteigänger gegeneinander kämpften, Ruhrbesetzung und Inflation einen Aufschwung hemmen, sind die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts für die damaligen Zeitgenossen vielleicht noch von größeren Veränderungen geprägt.
Napoleon ist wie ein Sturm durchs Rheinland und Westfalen gezogen. Mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1806) und zuvor der Säkularisierung (1803) sind fast 1000 Jahre gewachsene Geschichte, uralte Verbindungen und auch die kirchlich-staatlichen Strukturen plötzlich verschwunden.
Gebietsverluste: Adel wird mit enteignetem Kirchengut entschädigt und ruhiggestellt
Statt der Kölner Kurfürsten und Erzbischöfe, der Essener Fürstäbtissin oder der Äbte von Werden, die über Bottrop herrschten oder zu den großen Grundbesitzern gehörten, kommen die neuen „Chefs“ auf einmal aus dem heutigen Belgien und der Eifel (die Herzöge von Arenberg) oder später aus Berlin: die Preußenkönige. Beide hatten zuvor nichts mit Bottrop und der Region zu tun. Die Arenberger erhalten große Teile des alten kölnischen Vestes und des alten Fürstbistums Münster als Ersatz für an Frankreich abgetretene Besitzungen links des Rheins.
Kurz: Es werden alle Kirchengüter enteignet, die geistlichen Staaten aufgelöst und dem Adel als Kompensation übertragen. Gängige Praxis, festgelegt 1803 im so genannten Reichsdeputationshauptschluss. Als nach den Befreiungskriegen die französischen Satellitenstaaten verschwinden, fallen 1815 die hiesigen Gebiete an Preußen.
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Die Familie Devens steht in Bottrop und im alten Vest für diese Übergangszeit. Friedrich Carl Devens (geb. 1782 in Horst - gest. 1849 auf Gut Welheim) stammt aus zwar nichtadeliger, aber großbürgerlicher Schicht, die damals mit tonangebend wird. Der Adel hat zwar immer noch das Sagen, der alte feudal geprägte Klerus ist aber mit der Säkularisation passé, darunter auch die alte Deutschordens-Kommende Welheim.
Aber Devens hat Wurzeln in der Region, bis hinein ins alte System. Ein Onkel ist Kanoniker am untergegangenen Essener Damenstift und letzter noch von dessen Fürstäbtissin eingesetzter Pfründeninhaber der Knippenburger Vikarie. Dazu macht die Essener Landesherrin ihn 1794 bis zu deren Aufhebung zum Verwalter der Kommende Welheim. Die Aufgabe führt der Geistliche auch unter dem neuen Besitzer, dem Herzog von Arenberg, weiter.
Sein Neffe, Friedrich Carl, macht nach Besuch der Essener Lateinschule und dem Jurastudium in Halle schnell Karriere. Zunächst in den französischen Satellitenstaaten (Großherzogtum Berg, Herzogtum Arenberg), dann ab 1815 in der preußischen Regierung in dessen neuen westfälischen Landesteilen.
Familie Devens ist schon lange in der Region verwurzelt
1821 hat Devens bereits die Knippenburg mit deren Ländereien erworben. Ab 1825 wohnt die Familie auf der Knippenburg. Vor 200 Jahren pachtet er dann von den Arenbergern die alte Kommende. Dazu gehört die Welheimer Mark und sogar Karnap (heute ein Stadtteil von Essen). Devens ist preußischer Justizkommissar, später Landtagsabgeordneter und macht sich für die Neuordnung des Katasterwesens stark.
Mit der Knippenburg und Welheim gehört Friedrich Carl zu den neuen großen Grundbesitzern im Emschergebiet um Bottrop. Neben Politik und Verwaltung betreibt er Landwirtschaft im großen Stil, züchtet, wie schon sein Onkel, der 1821 gestorbene alte Kanonikus, die wildlebenden Pferde, die so genannten „Emscherbrücher Dickköppe“. Deren Nachfahren werden bis heute auf den Ländereien des Herzogs von Croÿ bei Dülmen gehalten. Auf der Knippenburg sind nicht nur die Dichterin Luise Hensel, sondern auch die Essener Familie Krupp regelmäßig zu Gast.
Als Friedrich Carl Devens nach einer auf Betreiben des berühmten Freiherrn vom Stein wiederholten Wahl 1830 Landrat des Kreises Recklinghausen wird, kommt auch die alte Kommende wieder zu Ehren. Devens verlegt das Landratsamt samt Verwaltung von Schloss Westerholt nach Schloss Welheim. In den beiden Türmen befinden sich nun das Landratsarchiv sowie Büros und Schreibstuben.
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Aber Schloss Welheim wird auch von der Familie bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts bewohnt. Friedrich Carl Devens stirbt dort 1849 nach kurzer schwerer Krankheit mit 66 Jahren. Seine Frau Antonette Francisca Gertrude lebt bis zu ihrem Tod 1863 auf Schloss Welheim. Die Familiengruft befindet sich noch heute auf dem Alten Friedhof an der Horster Straße.
Alte Regionen - Neue Besitzverhältnisse
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die alten deutschen Ländern ordentlich durchgeschüttelt. Ganze Regionen wechselten auf einmal ihre Besitzer bzw. Landesherren.Durch die Säkularisation waren in Bottrop wie im gesamten Vest ab 1803 auf einmal nicht die Kölner Erzbischöfe und Kurfürsten Landesherren, sondern Franzosen, deren Satelliten, wie kurz der Herzog von Arenberg, oder später Preußen. Ähnliches galt für den gesamten kirchlichen Besitz, der damals enteigent wurde.Kirchlich kam Bottrop ab 1821 zum neu formierten Bistum Münster, ab 1958 zum neuen Bistum Essen. Kirchhellen bleib aber seither bei Münster.