Bottrop. Fischfang oder „Hexentaufen“ gehören zur Emscher, wie Hochwasser und Seuchen. Ab 1899 wird Fluss zum Abwasserkanal. Nun kehrt die Natur zurück.

Ein harmloses Flüsschen war die Emscher nie. Auch wenn die Erzählungen vom einst fischreichen Gewässer, in dessen Auen sich früher Wildpferde austobten und malerischen Herrensitze wie Haus Vondern oder die Knippenburg sich aufreihten, dies nahe legen. Angeblich soll im Mittelalter am nördlichen Flussufer sogar Weinbau betrieben worden sein - aber nur am Oberlauf.

Hier, im Bottroper Bereich, sind es eher die Fischgründe, die die Menschen an und auf den Fluss ziehen. Allerdings finden - wie schriftliche Zeugnisse des alten Stifts Essen belegen - in der Emscher im 16. Jahrhundert durchaus auch die berüchtigten „Wasserproben“ statt. Die so genannten „Hexentaufen“ sollten angeblich helfen, Menschen der Hexerei zu überführen.

Beschwerden über schlechtes Wasser

Ein Fluss, der stark mäandriert, sein Bett häufig, fast mit jedem größeren Hochwasser, verlegt und der für Flussschifffahrt kaum geeignet ist: Auch das ist die Emscher bis Ende des 19. Jahrhunderts. Allerdings machen sich schon früher die Zeichen der Industrialisierung bemerkbar. Das Wasser wird so schlecht, dass Ende des 18. Jahrhundert bereits Beschwerden vom Kloster Sterkrade über die Verschmutzung durch die St.-Antony-Hütte kommen. Später folgen Abwassereinleitungen von Bergbau und anwachsender Bevölkerung. Durch dieses Gemisch aus Industriegiften und Fäkalien verbunden mit Bergsenkungen, die den Fluss fast unbeherrschbar machen, steigt die Seuchengefahr. Überschwemmungen sind jetzt fast an der Tagesordnung und folgenreicher, als in früheren Jahrhunderten.

Eingedeicht und überbaut. So - wie hier 1953 - kennt man die Emscher als Industriekloake bis heute.
Eingedeicht und überbaut. So - wie hier 1953 - kennt man die Emscher als Industriekloake bis heute. © WAZ Archiv

Von dieser Situation aus betrachtet, erscheint die Gründung der Emschergenossenschaft 1899 und der damit folgenden Kanalisierung der Emscher fast wie ein Quantensprung. Zwar opfert man den natürlichen Flusslauf, sorgt aber dafür, dass Ruhr und Lippe sauber und als Trinkwasserreservoir erhalten bleiben. Auch wenn die Hochwassergefahr - wie ein Foto von 1954 auf dieser Seite zeigt - nie ganz gebannt ist, so wird doch das Leben der Emscheranrainer etwas sicherer und allmählich auch sauberer. Vor 100 Jahren hätte wohl niemand an einen naturnahen Umbau des Flusses, wie er gerade stattfindet, zu denken gewagt. Bald fließen die Abwässer unterirdisch - und oben verläuft eine saubere Emscher - wenn auch nicht mehr in so wilden Windungen wie einst im alten Emscherbruch.

Am „natürlichsten“ wird die neu Flussmündung sein

Der Begriff „naturnaher“ Umbau trifft die Idee von der neuen Emscher am besten. Auch wenn noch immer vorhandene Abwässer bald unterirdisch fließen: Ein Tal im herkömmlichen Sinn mit einem windungsreichen Fluss wird sich nicht mehr herstellen lassen. Zu nahe sind in über 100 Jahren Wohnbebauung, Industrie oder Infrastruktur an die Emscher herangerückt. Die neue Mündung bei Voerde in den Rhein wird am ehesten der einst typischen Auenlandschaft entsprechen. Überflutungsräume, sich verändernde Flussarme und grüne Feuchtgebiete prägen das neue Ende eines alten Flusses.