Bottrop. Jahresausstellung der Bottroper Künstlerinnen und Künstler öffnet ab Sonntag. Jury wählte 59 Arbeiten aus. Im Kabinett: Fotografin Petra Lamers.

Die einstige Übermacht der Malerei scheint gebrochen. Zumindest für die kommende Jahresausstellung Bottroper Künstlerinnen und Künstler, die am Sonntag eröffnet, hat die Jury auch quantitativ einen Balanceakt absolviert: knapp die Hälfte der insgesamt 30 Kunstschaffenden sind mit Arbeiten aus den Bereichen Skulptur und Fotografie vertreten. Und die siebenköpfige Jury ist in diesem Jahr erneut weiblicher geworden. Erstmals mit dabei: die neue Museumsdirektorin Linda Walther. Das Haus, das gerade ohnehin einen „guten Lauf“ hat, wie man landläufig sagt, wird wie seit vielen Jahren von der stellvertretenden Leiterin Ulrike Growe vertreten. Für die Kulturpolitik stehen Andrea Swoboda (Grüne) als Vorsitzende des Kulturausschusses und Ratsherr Harald Sieger (SPD) sowie Kulturdezernent Jochen Brunnhofer. Die künstlerische Seite vertreten Evelina Velkaite und Petra Lamers, die in diesem Jahr für die Einzelausstellung im Kabinett der Modernen Galerie des Quadrats ausgewählt wurden.

„Leicht, luftig“, charakterisiert Linda Walther die vielgestaltige Schau, in der 59 großformatige Einzelarbeiten neben kleineren Serien zu finden sind. Da finden sich die pastellfarbig changierenden glasierten Tonskulpturen von Rebecca Bujnowski, die in diesem Jahr zum ersten Mal ihre Arbeiten bei der Jahresausstellung zeigt. Die runden oder ineinanderfließenden, in sich verschobenen geometrischen Formen stehen für eine ganz eigene Spannung, während die Pastelltöne des benachbarten Aquarells „Gestrandet - im vergifteten Fluss“ von Doris Reineking eher an unnatürliche Verfärbungen eines zerstörten natürlichen Lebensraumes denken lassen.

Eine Tonskulptur von Rebecca Bujnowski (l.) neben dem Aquarell „Gestrandet - im vergifteten Fluss“ von Doris Reineking. Malerei ist längst nicht mehr die vorherrschende Gattung in der Bottroper Jahresausstellung.
Eine Tonskulptur von Rebecca Bujnowski (l.) neben dem Aquarell „Gestrandet - im vergifteten Fluss“ von Doris Reineking. Malerei ist längst nicht mehr die vorherrschende Gattung in der Bottroper Jahresausstellung. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Auch Nolin Wischermann - einer der Erfinder des neuen „Bottrop Art Award“ - und Lorine Hosch mit Öl-auf-Leinwand Serie „Worker“ sind Neuzugänge dieser traditionsreichen Schau. Karina Bregula-Pietrucha (die zurzeit auch in der B12 ausstellt) ist mit einem ihrer großformatigen, aber minutiös mit Filzstift gemalten Wandteppichmuster zu sehen. Neben diesem „Red Design“ überrascht sie aber auch mit der kleinformatigen Miniserie „Aktion Mensch“, abstrakten Figuren in kräftigen Grundfarben.

Spannungsvoll, weil in Sichtweite zueinander platziert, sind Wolfgang Fröhlings Farbfotografien trister Häuserzeilen „Irgendwo in Belgien“ und „Irgendwo in Frankreich“ und Gereon Krebbers Keramikskulptur „Derelikt“. Wo bei Fröhling Melancholie vorherrscht, zeigt Krebber in düsterer grau-grüner Farbgebung die Miniatur einer Bauruine. Die seriellen Elemente des Nachkriegsplattenbaus sind aufgebrochen, zerstört, wie nach einem Bombentreffer. Das zerdrückte Betonskelett scheint wie eine Erinnerung an nie eingehaltene Versprechen einer besseren Welt. Krebber schuf, so scheint es, eine Vorahnung auf den aktuellen Krieg in Europa, noch bevor dieser ausbrach und diese schockierenden Bilder tausendfach multiplizierte.

Einzelausstellung im Kabinett gehört wieder einmal der Fotografie

Das Gartenparterre mit seinem Blick in den Skulpturenpark und dem Kabinett steht wie immer im Zeichen der Einzelausstellung. In diesem Jahr weist die Stahlskulptur „Retabel“ von Monika Lioba Lang bereits auf die Einzelschau im kommenden Jahr. Im Stahlrahmen, der tatsächlich wie der traditionelle Aufbau eines gotischen Flügelaltars daherkommt, spannt sich eine Papierarbeit. Seriell wirken die kleinen Gefache aus durchscheinendem Papier. Das verändert sich je nach Tageslichteinfall, kleine Spalten lassen Blicke in den umgebenden Park zu. Bei näherem Hinsehen wirkt das Material wie die Faltarbeit, die in Kindertagen unter dem Namen „Himmel und Hölle“ bekannt war. Eine Thematik, die tatsächlich wiederum auf eine großes Thema auch auf mittelalterlichen Altarbildern verweist.

Fotografin Petra Lamers hatte die Jury die diesjährige Einzelausstellung im Kabinett der Modernen Galerie im Museum Quadrat ausgewählt. Dort zeigt „Luft.Licht.Linie“ - Fotoserien mit Motiven, die sie in der Natur aber auch im urbanen Umfeld des Ruhrgebietes findet.
Fotografin Petra Lamers hatte die Jury die diesjährige Einzelausstellung im Kabinett der Modernen Galerie im Museum Quadrat ausgewählt. Dort zeigt „Luft.Licht.Linie“ - Fotoserien mit Motiven, die sie in der Natur aber auch im urbanen Umfeld des Ruhrgebietes findet. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Luft.Licht.Linie“ heißt die aktuelle Einzelausstellung der Fotografin Petra Lamers. Ihre Fotoserien atmen förmlich die Zeit, die sie sich nimmt, bis Licht und Linie stimmen, der Himmel die Farbe angenommen hat, damit das Motiv anschließend auch das Zeug zur Kunst hat. Ihre Motive findet Lamers in der Region, der Natur aber auch den urbanen Landschaften. „Ich reise nicht, ich schaue einfach auf meinen Fahrten vor allem durchs Ruhrgebiet, was ich finde“, so die Künstlerin, die am Institut für Ausbildung in bildender Kunst und Kunsttherapie in Bochum studierte.

Für ihre Serie „alles gesagt“ findet sie leere Plakatflächen, oft an so genannten Unorten wie Unterführungen oder heruntergekommenen Häuserwänden. Die Serie „Linie“ fasziniert durch Ansichten eines markanten frühen Baus der Backstein-Moderne in der Nachbarstadt Essen. Licht- und Schattenlinien erinnern in diesen wenigen Farbarbeiten der Einzelausstellung an konstruktivistische Malerei. Daneben bildet der Kondensstreifen eines Flugzeugs vor makellos blauem Himmel mit der von der Sonne in warmes Rot getauchten Backsteinarchitektur die perfekte Linie. Man spürt förmlich die Wartezeit, bis dieses Motiv möglich wurde.

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Anderes, wie erleuchtete Hochfenster oder ein tiefblauer Abendhimmel lebt von leicht verstärkten Kontrasten. „Oft warte ich auf die perfekte Färbung des Himmels, denn erst dann wird daraus auch der ideale Farbton in einer Schwarz-Weiß-Arbeit“, so Lamers. Im Spiel von Schärfe und Unschärfe, dem Format - häufig das Quadrat - oder dem Kontrast von Künstlichkeit und Natur, lassen Lamers’ Arbeiten Alltägliches neu erleben. Da wirkt die zugewucherte Umgebung der Leinwand des Essener Autokinos an der Bottroper Straße fast schon wie eine unwirkliche Science-Fiction-Kulisse.

Die Eröffnung - Erste Führung

Eröffnet wird die 47. Jahresausstellung Bottroper Künstlerinnen und Künstler am Sonntag., 27. November, um 11 Uhr. Die Schau mit Arbeiten von 30 Kunstschaffenden ist bis zum 8. Januar zu sehen.Eine öffentliche Führung durch die Schau ist am Sonntag, 4. Dezember um 14 Uhr. Mehr Infos: quadrat.bottrop.de.