Bottrop. Impfgegner haben am Montagabend in Bottrop eine Mitarbeiterin des Impfzentrums beschimpft. Die Zahl der Montags-Demonstranten wächst weiter.

Seit Monaten ziehen sie durch Bottrops Straßen, erst einige Dutzend, mittlerweile mehrere hundert, sie nennen es Corona-Spaziergang und marschieren mit Mikrofonen und Lautsprechern, skandieren „Scheiß Corona“ und „Scheiß Impfungen“. Auch diesen Montag haben wieder hunderte Impfgegner demonstriert – einige von ihnen haben eine Mitarbeiterin des Impfzentrums beschimpft.

Die Mitte 20-Jährige ist gerade auf dem Heimweg von der Arbeit, parkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihrer Wohnung in der Brauerstraße. Sie trägt ihre weiße Dienst-Fleece-Jacke, auf deren Rücken in rot-schwarzen Buchstaben „Impfzentrum“ und darunter die Skyline der Stadt und „Bottrop“ geschrieben steht. Aus dem Kofferraum holt sie noch ihre Impfzentrumswinterjacke.

Corona-Demonstration in Bottrop: Impfzentrumsmitarbeiterin fühlt sich bedroht

Als sie aussteigt, ruft ihr jemand „Impfsklavin“ zu, so berichtet es Impfzentrumsleiter Michael Althammer, den seine Mitarbeiterin am Montagabend kontaktiert hat. Es folgen rauere Töne: „Verpiss dich, du Impf-Rassistin“, soll einer der Demonstranten der jungen Frau zugerufen haben. Eine kleinere Gruppe kommt auf sie zu, spuckt vor ihr auf den Boden.

In ihrer Wohnung angekommen, realisiert sie, in was für eine Veranstaltung sie da gerade geraten ist. „Sie hat es als bedrohliche Situation wahrgenommen“, sagt Michael Althammer. Seine Mitarbeiter und er seien häufig auch nach Dienstende noch in der Impfzentrumskleidung unterwegs, bekämen in der Regel immer positive Rückmeldungen. „Es ist erschreckend, dass Mitarbeiter sich durch das bloße Tragen von Dienstkleidung Anfeindungen aussetzen müssen, obwohl sie eigentlich nur etwas Gutes bewirken wollen.“

Demonstration der Impfgegner in Bottrop wird immer größer

Auch Stadtsprecher Andreas Pläsken sieht hier deutlich eine Grenze überschritten: „Demonstrationsrecht ist Demonstrationsrecht, jeder darf seine Meinung sagen. Aber wir machen immer mehr ein großes Fragezeichen dahinter, wie diese Proteste ablaufen.“ Zuletzt hatten sich Mitte Dezember viele Bottroper empört, weil die Demonstranten lautstark, pöbelnd und Flyer verteilend durchs Wohngebiet gezogen waren.

Unterdessen nimmt die Größe des Aufmarsches kontinuierlich zu. Rund 470 Teilnehmer zählt die Polizei an diesem Montag, vor drei Wochen waren es noch 300. „Wir vermuten, dass viele von ihnen nicht aus Bottrop kommen“, sagt Polizeisprecherin Annette Achenbach. Das sehe man an Kennzeichen und merke man bei einzelnen Kontrollen.

Die Bottroper Proteste gehören zu den größten in der Region. Und sie werden anders als in vielen anderen Städten immer angemeldet – und von der Polizei bestätigt. Hinter der Organisation und Anmeldung stehen die „Freiheitsboten Bottrop“.

Telegram-Gruppe „Freiheitsboten Bottrop“: Gegen Diktatur und für Freiheit

Beim Messenger-Dienst Telegram hat die Gruppe 765 Mitglieder. Sie ereifern sich über eine mögliche Impfpflicht, sprechen sich gegen eine „Diktatur“ und für „Frieden, Freiheit und eine selbstbestimmte Welt“ aus. Manch einer lobt die Bottroper Polizei als „bodenständig und gutmütig“. „Wenn ich so manche Videos von anderen Demos sehe, dann gibt es in Bottrop keinen Grund, die Polizei zu provozieren“, schreibt einer.

An Weihnachten war Kritik laut geworden, dass der Corona-Spaziergang am zweiten Feiertag durch die Stadt ziehen durfte. Andreas Wilming-Weber, Leiter der Polizeipressestelle, erklärt: „Es gibt keine rechtliche Handhabe, die Demonstration zu verbieten, weil Weihnachten ist.“ Laut dem Gesetz über Sonn- und Feiertage sind öffentliche Versammlungen nur „während der Hauptzeit des Gottesdienstes“ nicht erlaubt, diese sind von 6 bis 11 Uhr. Der Protestzug an Weihnachten begann 15 Uhr.

Zur Klientel der Demonstranten kann die Polizei aktuell nichts Näheres sagen, Personalien würden nicht überprüft, so lange keine Straftaten vorliegen. Zu beobachten sind immer wieder auch Familien mit Kinderwagen, einige Teilnehmer halten sich an die Maskenpflicht in der Innenstadt, viele nicht. Bislang, so Wilming-Weber, seien alle Corona-Demonstrationen in Bottrop „friedlich und störungsfrei“ verlaufen. Der einzige registrierte Zwischenfall am Montag: Auf ein Polizei-Auto ist ein Ei geschmissen worden.