Bottrop. Am Tag der Wiedereröffnung des Impfzentrums steht der Booster hoch im Kurs. Doch auch Erstimpfungen werden mehr nachgefragt. Das sind die Gründe.

Eigentlich will er „das Zeug“ gar nicht haben. Dass er sich nur widerwillig gegen Corona impfen lässt, daraus macht der 34-Jährige keinen Hehl. Trotzdem: Am Tag der Wiedereröffnung des Bottroper Impfzentrums stehen er und sein Frau vor der Tür und lassen sich jetzt immunisieren.

Innen hat sich nicht viel verändert. Wer hineinkommt meldet sich an und wird dann später in einer der vielen Impfkabinen versorgt.
Innen hat sich nicht viel verändert. Wer hineinkommt meldet sich an und wird dann später in einer der vielen Impfkabinen versorgt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Doch wäre da nicht der Druck auf Ungeimpfte, das Ehepaar hätte sich wohl kaum den Termin geben lassen und wäre am Mittwochmorgen eben nicht hier gewesen. Denn: „Ich weiß einfach nicht, was in dem Impfstoff drin ist“, äußert der Bottroper seine Bedenken. Es sei halt „scheiße“, wenn man gezwungen werde. Doch der tägliche Testnachweis am Arbeitsplatz sei eben auf Dauer keine Alternative. „Leider ist das jetzt so“, akzeptiert der 34-Jährige schulterzuckend.

Bottroperin hat kein Verständnis für den Druck auf Ungeimpfte

Für seine Frau war dagegen noch ein weiterer Grund ausschlaggebend. Sie habe ihre Tochter zum Arzt begleiten wollen. Doch als Begleitung sei sie da auch nur mit negativem Test hereingekommen. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass nun dieser Druck aufgebaut wird“, ärgert sie sich.

Wer zuvor einen Termin vereinbart hat, kann n der Regel so durchgehen, wer ohne Termin kommt braucht ein wenig Geduld.
Wer zuvor einen Termin vereinbart hat, kann n der Regel so durchgehen, wer ohne Termin kommt braucht ein wenig Geduld. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Es sind Sätze wie diese, die bei anderen Wartenden, die vor allem wegen der Drittimpfung anstehen, dem Booster, auf wenig Verständnis stoßen. Alexander Siebert etwa will sich nun zum dritten Mal immunisieren lassen und kann nicht verstehen, warum man sich nicht gegen Corona impfen lässt. Er sei im Schuldienst und bekomme es da immer wieder mit, dass Menschen nicht geimpft seien. „Ich mache das hier zu meinem Schutz und bin außerdem der Meinung, man sollte jetzt solidarisch mit den Alten und Kranken sein.“

Aus Bequemlichkeit lange mit der ersten Impfung abgewartet

Eine junge Frau hat sich ebenfalls zum Boostern in die Warteschlange eingereiht. Ausschlaggebend für die 34-Jährige? „Die Zahlen gehen hoch, außerdem arbeitet mein Mann im Krankenhaus, da bekomme ich das Elend hautnah mit.“ Jetzt zeige sich eben, wie wichtig die Impfung sei – zum Schutze aller.

Das hat mittlerweile auch Sven Husemann eingesehen, will sich jetzt endlich die erste Spritze setzen lassen. „Die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich zu. Man muss jetzt Solidarität zeigen“, begründet er seine Entscheidung für die Impfung zum jetzigen Zeitpunkt. Warum nicht schon früher? Husemann zuckt mit den Schultern. Es sei wohl vor allem Bequemlichkeit gewesen, die ihn so lange hat warten lassen. Beruflicher Stress und schon sei die Impfung immer weiter nach hinten gerückt.

Nachfrage nach Erstimpfungen steigt an, so die Beobachtung im Impfzentrum

Und welche Rolle spielt der Druck auf Ungeimpfte? „Ich bin kein großer Theater- oder Kinogänger. Daher spielt das für meine Entscheidung keine Rolle“, sagt der 44-jährige Bottroper. Ihm gehe es in der aktuellen Situation um die Solidarität.

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Tatsächlich steige die Nachfrage nach Erstimpfungen seit Tagen an. Das hat der Leiter des Bottroper Impfzentrums, Michael Althammer, beobachtet. In den meisten Fällen sei es der Druck, der inzwischen ausgeübt werde, der die meisten Ungeimpften dazu bringt, sich doch immunisieren zu lassen.

3G am Arbeitsplatz ist für viele ein Grund, sich jetzt doch impfen zu lassen

Gerade der tägliche Testnachweis am Arbeitsplatz spiele da eine große Rolle. „In kleineren Betrieben haben die Vorgesetzten wenig Lust, jeden Morgen erst einmal die Tests zu kontrollieren. Und umgekehrt haben die meisten Arbeitnehmer auch keine Lust, abends nach Feierabend oder morgens vor Dienstbeginn erst noch ein Testzentrum aufzusuchen.“

Und so reihen sich immer mehr Erst-Impflinge unter die Wartenden am Impfzentrum. Wobei: Lange warten müssen sie nun wirklich nicht. Wer mit Termin kommt, der kann am Mittwochmorgen direkt reinspazieren in die warmen Räume am Südring. Und auch die Schlange derjenigen, die ohne Termin kommen, bleibt erfreulich kurz. Immer wieder können Impflinge ohne Termin zur Anmeldung gehen, erhalten die Unterlagen und gleich darauf in einer der fünf geöffneten Impfkabinen den Piks.

In anderthalb Tagen ist das Bottroper Impfzentrum wieder aufgebaut worden

Quasi ein Exot in der Warteschlange ist Marco Dreesen. Der 25-Jährige steht für eine Zweitimpfung an, hat sich vor vier Wochen erstmals impfen lassen. Sein Dilemma: Er habe Herzprobleme und angesichts der Berichte über Nebenwirkungen habe er sich zunächst zurückgehalten. Allerdings habe er auch Asthma gilt demnach als Corona-Risikopatient. „Ich habe lange für mich abgewogen und bin jetzt zum dem Schluss gekommen, dass der Nutzen der Impfung überwiegt.“

Anderthalb Tage haben Michael Althammer und seine Mitstreiter gebraucht, um das Zentrum nach dem zwischenzeitlichen Abbau wieder aufzubauen. Ein Kraftakt, bei dem viele Kräfte aus der Verwaltung und auch von der Feuerwehr mitgearbeitet haben“, lobt der Impfzentrumsleiter. Am Ende sei es hier am Südring doch deutlich komfortabler als in der Dieter-Renz-Halle – auch für die Wartenden.

Großes Lob für das Team im Impfzentrum und für die Stadt Bottrop

Tatsächlich ist es im Inneren fast unverändert. Wer sich hier schon hat spritzen lassen, der wird sich sofort zurechtfinden. Wartezone, Impfkabinen und Ruhebereich – es ist als ob es nie geschlossen gewesen wäre. Selbst die Skulpturen von Gereon Krebber liegen, stehen und hängen noch an ihren Plätzen.

Und der Ablauf? Reibungslos. Nach einer guten halben Stunde ist Alexander Siebert mit seinem Booster durch. „Ein dickes Lob an die Stadt, wie schnell die das hier wieder aufgebaut hat. Auch der Ablauf ist reibungslos, insgesamt sticht Bottrop hier ja wohl auch unter den Nachbarstädten hervor.“

Der Wunsch nach telefonischer Terminvereinbarung

Einzig dass die Anmeldung nur auf digitalem Wege möglich ist, sei ein Manko, kritisiert Roswitha Schramm. Gerade ältere Menschen seien nicht unbedingt im Internet unterwegs. Sie wünscht sich auch eine telefonische Terminvereinbarung. Doch das sei für die Stadt, die das Zentrum ja derzeit ohne die Kassenärztliche Vereinigung im Hintergrund betreibt, nicht zu leisten, sagt Michael Althammer.

Die Erfahrung zeige auch, dass bei solchen Angeboten regelmäßig die Leitungen zusammenbrechen. Daher eben das Angebot, am Südring auch ohne Termin vorbeizukommen. Und auch das wurde Mittwoch rege genutzt. Gegen 7.45 Uhr, mehr als eine Stunde vor Öffnung, hatten sich die ersten Bottroper angestellt.

Daten und Zahlen

Bis zu 700 Impfungen können pro Tag im wiedereröffneten Impfzentrum verabreicht werden. Geöffnet ist es Montag, Mittwoch und Freitag von 9 bis 17 Uhr. An den übrigen Tagen seien die Mitarbeiter damit beschäftigt, die Impfmeldungen fürs RKI zu erstellen und zu digitalisieren, erläutert Michael Althammer die Öffnungszeiten. Auch die Meldungen der beiden Impfstellen in Heilig Kreuz und der Boy müssen vom Südring aus bearbeitet werden.

Am 2. und 3. Dezember öffnen die Impfstellen im ehemaligen Prisma und in der Kulturkirche. Hier sind täglich bis zu 200 Impfungen möglich, genau so viele Termine täglich hat auch das Knappschaftskrankenhaus jetzt freigeschaltet. Terminbuchungen für alle Impfstellen unter: www.bottrop.de/impfung. Hier finden sich auch die Hausärzte die mitimpfen und sich am Impfaktionstag, Samstag, 11. Dezember, beteiligen. Außerdem habe man kurzfristig noch weitere Termine fürs Impfzentrum bereitgestellt, so Althammer.

In Bottrop sind bisher schon 30 Prozent der Über-60-Jährigen geboostert, dazu neun Prozent der 18 bis 59-Jährigen und ein Prozent der Zwölf bis 17-Jährigen. Insgesamt wurden am Mittwoch gut 650 Spritzen gesetzt, rund ein Viertel davon waren Erstimpfungen.