Bottrop. Die Jazzer Olaf Kordes, Wolfgang Tetzlaff und Karl Godejohann erhalten Orgelzuwachs mit Jürgen Sonnentheil. Besucher dankbar für Präsenzkonzert.
Was über drei Jahrzehnte so sicher wie das Amen in der Kirche war, leidet seit der letzten Saison genauso unter den Coronawellen, wie viele andere Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft: das Festival Orgel Plus. So war Gerd-Heinz Stevens glücklich, zur Eröffnung des Festivals Orgel Plus 2022 nach einem Jahr Ausnahmemodus im Livestream endlich wieder Publikum live begrüßen zu können. Viele Bottroper Kirchen öffnen sich dazu wieder in den ersten Januartagen für eine interessante Begegnung mit Musik in unterschiedlichsten Formationen und Zusammenstellungen.
Auch dieses Mal hat der rührige künstlerische Leiter ein attraktives Programm erstellt: vielseitig in der Kopplung mit Akkordeon oder Blasinstrumenten wie Panflöte oder Posaune, historisch weit gezirkelt von der Renaissance bis in die Gegenwart.
Ungewöhnliche Symbiose mit gemeinsamen Wurzeln: Kirchenmusik und Jazz
Den Anfang machte in der Kulturkirche Heilig Kreuz die ungewöhnliche Symbiose von Orgel und Jazz. Berührungsängste freilich gab es nicht zwischen Organist Jürgen Sonnentheil und dem Trio Olaf Kordes (Piano), dem Kontrabassisten Wolfgang Tetzlaff und Karl Godejohann am Schlagzeug. Warum auch? Gehen doch die europäische Kirchenmusik und der aus dem afroamerikanischen Gospel entstandene Jazz auf gemeinsame christliche Wurzeln zurück.
Wie sinnfällig machten die Ausführenden diesen Zusammenhang, wenn sie etwa Martin Luthers Choral „Verleih uns Frieden gnädiglich“ aus dem Jahr 1529 in der Vertonung von Felix Mendelssohn-Bartholdy, die 300 Jahre später entstand, als Grundlage für ihre Jazz-Improvisation „Song for Peace“ nahmen. Im Mittelpunkt stand indes George Gershwins berühmte „Rhapsody in Blue“ – nicht in Originalpartitur und dem bekannten großen sinfonischem Klangbild, sondern reduziert auf Orgeltranskription und Jazzarrangement, aber nichtsdestoweniger mitreißend wirkmächtig.
Zum Schluss die Suche nach Glück: „Somewhere over the Rainbow“
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Und das ging verblüffend harmonisch miteinander, auch in der gut ausbalancierten Verständigung zwischen Altarraum und Orgelempore. Denn gerade Orgel - auf der kürzlich unter Denkmalschutz gestellten Breil-Orgel - und Piano spielten sich die thematischen Bälle zu, man sinnierte, improvisierte und gab dem musikalisch an- und abflutenden Fluss immer wieder neuen Antrieb. Das Publikum erlebte vier absolute Könner ihres Faches, die sich mit dem zugegebenen „Somewhere over the Rainbow“ verabschiedeten: Sehnsucht nach Glück, wie passend in diesen von Corona geprägten Zeiten.