Bochum. Xenia Grüber und Matthias Reckert fühlen sich ungerecht behandelt. Die Künstler müssen mehr bezahlen für eine ganz besondere Immobilie.
Die Steuerunterlagen liegen auf einem großen Tisch, an dem Xenia Grüber, 62, sitzt und beklagt: „Unsere Grundsteuer hat sich mehr als verdoppelt, sie ist fast dreimal so hoch.“ Dies sei ungerecht, meint ihr Freund Matthias Reckert, 77, der ebenfalls auf einem der Stühle platzgenommen hat. Er wisse, ergänzt er, dass Eigentümer in der Nachbarschaft einen geringeren Messbetrag zahlen müssten. „Das ist eine Pleitenummer für den Plan, hier wieder einen Kunst- und Kulturort zu schaffen.“
Durch die Fenster des Wohnbüros blicken die beiden in eine riesige, alte Lagerhalle, ungefähr so groß wie ein halbes Fußballfeld; dieser Ort, in den das Künstlerpaar „viel Herzblut“ gesteckt hat, gehört zu den ganz besonderen Immobilien in Bochum. Ein Ort, der nun bedroht ist durch den neuen Grundsteuerbescheid.
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Stadt Bochum hat knapp 100.000 Gebührenbescheide verschickt
Seit Ende Januar 2025 erhalten Immobilienbesitzer in ganz Deutschland Briefe, aus denen sie erfahren, wie viel sie künftig als Steuer auf ihr Eigentum bezahlen sollen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Berechnungsmethode für Immobilienwerte im Jahr 2018 gekippt, deswegen mussten neue Modelle entwickelt werden, die dafür sorgen, dass einige sparen, andere deutlich mehr bezahlen müssen. Insgesamt nimmt die Stadt Bochum durch das neue Berechnungsmodell allerdings nicht mehr ein als die schon zuvor kalkulierten 91,4 Millionen Euro.
In Bochum wurden am 30. Januar knapp 100.000 Gebührenbescheide verschickt, einer erreichte Xenia Grüber. „Seitdem wissen wir nicht, wie es weitergehen soll“, sagt sie. Konkret lag der alte Grundsteuerbetrag bei 1434,74 Euro, nun sollen 4039,93 pro Jahr überwiesen werden. 339 Euro pro Quadratmeter hat das Finanzamt angesetzt. „Mir erscheint das willkürlich“, meint Matthias Reckert.
So berechnen Sie die neue Grundsteuer
Die Grundsteuer B für bebaute und unbebaute Grundstücke kann jeder Eigentümer selbst berechnen.
Dazu muss der Grundsteuermessbetrag, den die Finanzämter festgelegt und jedem Eigentümer mitgeteilt haben, mit dem von jeder Stadt beschlossenen Grundsteuerhebesatz multipliziert werden (in Bochum mit 7,15 für Wohneigentum und mit 11,90 für gewerbliche Immobilien). Das Ergebnis ist der jährliche Grundsteuerbetrag.
Betroffen von der Veränderung sind auch Mieter. Denn: Die Grundsteuer kann zu 100 Prozent auf Mieter umgelegt werden.
Matthias Reckert: Früher Sylt, jetzt Bochum
Die Halle von Xenia Grüber und Matthias Reckert steht in einem Gewerbegebiet, sie übernachten hier nur gelegentlich in einem Raum auf einer Empore, der als Büro und Schlafmöglichkeit genutzt werden kann.
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1995 hatte sich Matthias Reckert in die Maschinenhalle, die früher dem Bergbau diente, in Bochum-Linden verguckt. 600.000 D-Mark legte er auf den Tisch, um sich einen Traum zu erfüllen. „Ich habe hier aufgeräumt, alles aufgehübscht“, erzählt der Künstler, der auf Sylt aufgewachsen ist. „In den 1990er-Jahren bin ich geflüchtet und ins Ruhrgebiet gezogen.“
Bis zur Corona-Pandemie veranstaltete er in seiner Halle, genannt „Maschinenhalle Friedlicher Nachbar“, Designmessen, Kunstausstellungen, dann war der finanzielle Spielraum erschöpft. Xenia Grüber sprang ein, kaufte ihrem Freund die Halle von ihrem Erbe ab – alles auf Grundlage der alten Grundsteuer. Nun muss sie neu rechnen. „Wir wollten hier wieder Kunst und Kultur anbieten, aber durch die neuen Kosten trägt sich das nicht.“
Xenia Grüber wird Einspruch beim Finanzamt Bochum einlegen
Die Halle sei nicht beheizbar, erklärt Matthias Reckert, „deswegen kann sich hier keine Firma mit Mitarbeitern ansiedeln. Einen Käufer zu finden, wäre deswegen schwer.“ Im Winter kratzen die Temperaturen an der Gefriergrenze, im Frühling, wenn die Sonne durch die roten Industriefenster scheint, erwärmt sich die Luft. Dann dient das Gebäude den beiden Künstlern als überdimensionierter Arbeitsraum.
„Vielleicht müssen wir einen Teil vermieten, vielleicht müssen wir verkaufen“, sagt Xenia Grüber. Oder aber, der Grundsteuerbetrag ändert sich noch. Xenia Grüber wird jedenfalls Einspruch beim Finanzamt einlegen.