Bochum. Spagat, Radschlag: Gardetanz ist mehr als nur Hüpfen auf der Bühne. Was die Tänzer aus Bochum antreibt – und welche Klischees ihnen begegnen.
Haare flechten und hochstecken, die Perücke aufsetzen, den Hut befestigen, das Make-up auftragen, sich ankleiden: Mehr als eine Stunde dauert es, dann ist Linda Renner fertig für ihren Auftritt. Die 26-Jährige ist Gardetänzerin, mittlerweile schon fast ihr halbes Leben.
Angefangen bei einem Verein in Hattingen, wo sie auch lebt, tanzt Linda Renner nun seit sechs Jahren beim Theater- und Karnevalsverein Germania 1888 Bochum-Querenburg, kurz QKV. „Ich habe früher alles gemacht, was man so machen kann. Taekwondo oder Reiten. Aber das ist die perfekte Mischung“, sagt sie über ihr Hobby.

Gardetanz: Drei- bis viermal pro Woche Training, viele Auftritte
Der Gardetanz sei Leistungssport – auch wenn viele denken, dass es nicht viel mehr als etwas Herumhüpfen sei. Lange ist Linda Renner als Solo-Tanzmariechen aufgetreten. Das bedeutet: Drei- bis viermal pro Woche Training, sie musste körperlich absolut fit sein, stand bei Auftritten alleine auf der Bühne.
In dieser Session tanzt die 26-Jährige im Medley, dabei tanzen die verschiedenen Altersklassen des Vereins gemeinsam, die Gruppe besteht dann aus rund 25 Tänzerinnen und Tänzern. Einmal pro Woche trainieren sie zusammen.
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Genauso wichtig wie die Bewegung ist der Tänzerin, die als Sachbearbeiterin bei der Stadt Hattingen arbeitet, die Gemeinschaft. „Das Einzigartige am QKV ist, dass hier jeder einen Platz findet, jeder, der möchte, fühlt sich aufgenommen, wie man ist.“ Man verbringe viel Zeit gemeinsam, gerade an den Karnevalstagen. Viele Freundschaften seien bereits über den Verein entstanden. Im QKV tanzen Eltern und Kinder zusammen, Partner, Geschwister, Cousinen.
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Die jünsten Tänzerinnen sind vier Jahre alt
Drei Altersklassen gibt es im QKV. Die Jugend, in der die Vier- bis Zehnjährigen tanzen, die Junioren – für Zehn- bis 15-Jährige und die Aktiven. Hier sind alle mit dabei, die älter als 15 Jahre alt sind. Nach oben seien keine Grenzen gesetzt. „Ich bin mit 33 Jahren aktuell die Älteste“, sagt Vereinsvorsitzende Annika Schild. Mitmachen könne jeder, der Lust an Bewegung hat. Ob männlich oder weiblich, ob jung oder alt. „Man muss nicht jeck sein, um hier anzufangen, aber es steckt auf jeden Fall an“, meint Linda Renner.
Vor drei Jahren ist Linus, der in Werne lebt, zum ersten Mal Zuschauer bei einem Auftritt des QKV, wenige Wochen später nimmt er am Probetraining teil. Ein halbes Jahr später hat der 13-Jährige dann seinen ersten Auftritt als Gardetänzer im Haus Linden. Ob er davor aufgeregt war? „Ja!“, sagt er und nickt eindringlich.

Jeden Dienstag geht er zum Training, in der Phase vor den Auftritten manchmal auch freitags. Er ist der einzige Junge in der Gruppe, das stört ihn aber überhaupt nicht. „Wir machen uns warm, dehnen uns, dann tanzen wir“, erzählt er. Ein Spagat, einen Radschlag – beides kann Linus mittlerweile, es gehört bei den Auftritten dazu.
Diese Klischees begegnen die Tänzerinnen und Tänzer
Klischees und Vorurteile, denen begegnet man als Gardetänzerin immer wieder. Das wissen Annika Schild und Linda Renner nur zu gut. „Manche sagen: ,Du gehst da doch nur zum Saufen hin“, nennt Annika Schild ein Beispiel. Das sei Quatsch, sie habe in diesem Jahr bisher bei keinem der Auftritte etwas getrunken. „Klar bleibt man auch mal länger, feiert mit. Aber das ist nicht das Hauptsächliche“, ergänzt Linda Renner. Oft genug müsse man am nächsten Morgen früh aufstehen, um zum nächsten Auftritt zu fahren.
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„Wir definieren uns über den Tanzsport. Das Feiern gehört dazu, da haben wir auch Spaß dran. Aber Sinn und Zweck ist es, den Menschen eine Freude zu bereiten“, so Annika Schild. Das sei das Schöne an dem Hobby: der Zuspruch und Applaus der Menschen, das sei eine schöne Bestätigung.

Auftritt auf dem Dr.-Ruer-Platz am Karnevalssamstag
Aktuell befindet sich der QKV in der heißen Phase der Karnevalssaison. „Im Januar war jedes Wochenende etwas“, sagt Linda Renner. Ein Highlight: Das große Gardetreffen in der Erich-Kästner-Schule in Bochum, bei dem sich Ende des Monats zahlreiche Garde- und Schautänzer aus Bochum und der Region getroffen und ihre Tänze präsentiert haben. Einige Termine stehen nun noch an: Da sind zum Beispiel die Auftritte in Altenheimen, beim Biwak auf dem Dr.-Ruer-Platz tanzt der Verein am Karnevalssamstag.
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Etwa drei Wochen nehmen sich die Tänzerinnen und Tänzer nach der Session zum Durchatmen. Ende März geht es dann schon wieder los. Die Gruppen werden neu gemischt, Choreos entwickelt und einstudiert. Ab dem 11. November startet bereits die nächste Session – wieder mit vielen Auftritten.
Wer mitmachen will, kann sich hier melden
Wer Interesse hat, beim QKV mitzutanzen, findet weitere Informationen unter www.qkvgermania1888.de oder kann sich per E-Mail unter info@qkvgermania1888.de melden. Neben den drei Tanzgruppen gibt es auch das Männerballett, das sich an Männer über 18 Jahren richtet. Auch dort sind neue Tänzer willkommen.