Bochum. Anton Engelmann hat sich einen Traum erfüllt und Schauspiel in Bochum studiert. Jetzt steht er vor dem Abschluss – und vor ungewissen Zeiten.
Sie heißen Anna Tabea, Justus und Anton – und sie haben einen der schönsten Berufe der Welt: Schauspieler. Nach vier Jahren eines durchaus herausfordernden Studiums im Folkwang-Theaterzentrum in Bochum stehen die drei Mittzwanziger auf der Schwelle zum Berufsleben, das vermutlich kaum weniger hürdenreich verlaufen wird. Doch bevor es so weit ist, fiebern sie gerade einem der wichtigsten Auftritte ihrer Karriere entgegen: dem Artist Diploma. Wer die jungen Talente auf diesem Weg begleiten möchte: Die Aufführungen vom 12. bis 15. Februar sind öffentlich.
Viele Wege führen auf eine Schauspielschule
Schauspieler! Es gibt viele junge Leute, die davon träumen, einmal auf den großen Bühnen zu stehen oder die Hauptrolle in einem gefeierten Film zu spielen. Für Justus Rosenkranz (26) ging dieser Traum früh in Erfüllung: „Schon als Jugendlicher stand ich gelegentlich vor der Kamera, einfach weil es Spaß gemacht hat“, erzählt er. So konnte man Justus bereits in TV-Serien wie „Notruf Hafenkante“ und dem Kinofilm „Freistatt“ sehen. „Nach dem Abitur dachte ich dann: Ich probiere es mal auf der Schauspielschule.“
- „Fabian“ in Bochum: Großartig gespielt, aber viel zu lang
- „Olle Kamelle“: Die „Fledermaus“ wird zum abgründigen Spaß
- „Meine geniale Freundin“: Sechs Stunden sind noch zu kurz
- Open-Air-Theater: Das sind die besten Bilder von „Macbeth“
Einen anderen Weg hat Anna Tabea Stockbrügger (25) hinter sich: Sie spielte viele Jahre leidenschaftlich Cello und war erfolgreich bei mehreren Wettbewerben. „Es gab sogar mal die Idee, dass ich Musik und Performance in Berlin studiere“, erzählt sie. Schließlich entschied sie sich dann fürs Schauspielstudium, doch ihr Cello hat sie nicht vergessen: Es kommt gelegentlich auf der Bühne zum Einsatz.

Ganz pragmatische Gründe trieben Anton Engelmann (24) in die Theater-AG seines Gymnasiums in seiner Heimatstadt München: „Auf diese Weise konnte ich Latein schwänzen“, sagt er lächelnd. Danach absolvierte er ein freiwilliges soziales Jahr am dortigen Residenztheater. „Das gefiel mir so gut, dass ich dachte: Ich probiere es mal.“ Heute ist er Absolvent einer der renommiertesten Schauspielschulen des Landes.
+++ Abonnieren Sie hier den kostenlosen Kultur- Newsletter aus Bochum! Kultur-Redakteur Sven Westernströer versorgt Sie jeden Donnerstag mit den besten Tipps aus dem Schauspielhaus, dem Musikforum und Co. +++
640 Bewerbungen auf zehn freie Plätze
Denn im Theaterzentrum der Folkwang-Uni überhaupt aufgenommen zu werden, ist nicht ganz einfach. Im vergangenen Jahr gab es 640 Bewerbungen auf insgesamt zehn freie Studienplätze. In mehreren Runden werden die Kandidatinnen und Kandidaten nach und nach ausgesiebt. „Ich habe an zehn verschiedenen Schulen überall im Land vorgesprochen, ehe es hier geklappt hat“, erzählt Justus. Der Vorteil: Anders als bei vielen freien Schauspielschulen, deren Besuch viel Geld kostet, ist das Theaterzentrum als staatliche Einrichtung gebührenfrei – und die Chance, danach an großen Bühnen engagiert zu werden, ist ungleich höher.
Vom Stimm- und Fechttraining bis zum Rollenstudium: Die vierjährige Ausbildung ist breit gefächert und soll die Absolventen möglichst in vielen Bereichen ihres Berufsfeldes fit machen. So gibt es vor Ort etwa ein komplett eingerichtetes Tonstudio, denn auch Hörspiel- und Synchronsprecher sind nicht selten ausgebildete Schauspieler.

Den Höhepunkt ihres Studiums erlebte der zehnköpfige Jahrgang im Sommer 2023: bei „Macbeth“ im Weitmarer Schloßpark. „Das war richtig cool“, strahlt Anton. „Die Bedingungen waren echt schwierig, wir hatten überhaupt kein Geld für ein Bühnenbild, der Regisseur musste kurz vorher noch ausgetauscht werden. Aber wir haben das als Gruppe echt gewuppt!“ Danach sah man die Schauspielschüler in der gefeierte Adaption des Operetten-Klassikers „Die Fledermaus“ in den Kammerspielen.
+++ Folgen Sie der WAZ Bochum auf Facebook! +++
Late-Night-Show mit Menschenkakerlake
Das Artist Diploma ist jetzt die nächste Chance, die hochtalentierten jungen Schauspieler auf der Bühne zu erleben. In kleinen, kurzweiligen Stücken, die sie selbst geschrieben und entwickelt haben, stellen sie sich dem Publikum vor. „Wir haben richtig Bock“, sagt Justus. Er plant, eine Late-Night-Show aufzuführen, „mit einer mutierten Menschenkakerlake aus der Zukunft“, wie er schmunzelnd anmerkt. Anton möchte mit zwei Mitstreitern gern mal all das auf der Bühne anstellen, was man sonst nicht so oft sieht: „Mit cooler Lichtshow und ganz viel Blut“, verrät er. Anna Tabea plant eine tänzerische Performance mit Musik, die sich mit dem Leben und dem Tod auseinandersetzt: „Das wird körperlich echt anstrengend“, meint sie.

Und danach? Ab April stehen sie der Berufswelt zur Verfügung. Dass die Absolventen der Bochumer Schauspielschule im Anschluss an ihr Studium ein Festengagement an einem bedeutenden Theater fast automatisch in der Tasche haben, sei leider nicht mehr so. „Die Folkwang-Schule hat zwar einen super Ruf“, erzählt Anton. „Doch die Kultur-Etats werden überall gekürzt, viele Theater müssen sparen und verkleinern ihre Ensembles.“ Da ist es gar nicht so leicht, irgendwo fest unterzukommen. „Aus unserem Jahrgang ist bislang nur einer unter der Haube.“
+++ Lesen Sie mehr Nachrichten aus Bochum! +++
Jetzt gilt es, Bewerbungen zu schreiben, Kontakte zu pflegen, auf Einladungen zu Vorsprechen zu hoffen – und dafür dann teils kreuz und quer durchs Land zu fahren. „Notfalls greift Plan C, D, E und F“, meint Anna Tabea. Denn auch als freier Schauspieler hat man gute Chancen, spannende Jobs zu angeln. Mal schauen, wohin ihr Weg sie führt – und auf welcher Bühne und welcher Leinwand man sie bald wiedersieht.