Bochum. Einen Abend großer Gegensätze erleben die Besucher beim Symphoniekonzert im Musikforum Bochum. Im Mittelpunkt: ein Werk mit Hang zum Größenwahn.

Größer können die Gegensätze innerhalb eines Symphoniekonzerts kaum sein. Bei den „Meisterstücken“ im bestens gefüllten Musikforum erleben die staunenden Besucher wahre Gefühlswelten: Von zarten Geigen bis zu Marschmusik, von versponnenen Flöten bis zu scheppernden Bläserfanfaren ist alles dabei. Die Ohren des Publikums werden dabei keineswegs geschont: Star-Violinist Vadim Gluzman ringt seinem edlen Instrument direkt zu Beginn dermaßen schrille Töne ab, dass mancher im Saal reichlich verdutzt zur Bühne schaut. Doch der stürmische Beifall am Ende beweist: Dieser Abend ist ein Erlebnis.

+++ Abonnieren Sie hier den kostenlosen Kultur- Newsletter aus Bochum! Kultur-Redakteur Sven Westernströer versorgt Sie jeden Donnerstag mit den besten Tipps aus dem Schauspielhaus, dem Musikforum und Co. +++

Hörerlebnis erster Güte

Schon der Einstieg ist ungewöhnlich. Mit einem sportlichen Sprung aufs Podium startet Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang das Vorspiel zum dritten Akt aus der Oper „Lohengrin“ von Richard Wagner – ein Stück voll wirbelnder Energie, in dem sich die Ereignisse fast überschlagen. Die Symphoniker sind mit Feuereifer dabei: „Bravo“, ruft Bratschist Marko Genero am Ende der nur fünfminütigen Aufführung.

Mehr zum Thema

Darauf folgt ein Hörerlebnis erster Güte. Das Konzert „Distant Light“ des lettischen Komponisten Pēteris Vasks, das nur für Streicher geschrieben wurde, fordert die Musiker auf der Bühne ebenso wie die Zuhörer. Der international gefragte Violinist Vadim Gluzman, der eben noch ein Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie gab, bringt seine edle Stradivari dafür zum Quietschen und zum Leuchten.

Vadim Gluzman spielt auf einem edlen Instrument des italienischen Geigenbauers Antonio Stradivari, einer Leihgabe der Stradivari Society aus Chicago.
Vadim Gluzman spielt auf einem edlen Instrument des italienischen Geigenbauers Antonio Stradivari, einer Leihgabe der Stradivari Society aus Chicago. © Bochumer Symphoniker | Marco Borggreve

Traumverloren und meist mit geschlossenen Augen meistert er die kniffelige Partitur, während die Streicher um ihm herum sein fast schon irrlichterndes Spiel wieder zurück auf den Boden holen. Großer Schmerz und Traurigkeit klingen aus dem Stück, das mit langsamen Walzerklängen einen versöhnlichen Abschluss findet. Und wieder einmal zeigt sich: Das Publikum im Musikforum ist aufmerksam und konzentriert – und weiß auch schwierige, fordernde Stücke zu schätzen.

+++ Folgen Sie der WAZ Bochum auf Facebook! +++

Herkulesaufgabe nach der Pause

Nach der Pause widmet sich das Orchester einer Herkulesaufgabe: der kolossalen Symphonie „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss. Auf der Bühne herrscht fast größeres Gedränge als im Parkett: In kompletter Mannschaftsstärke inklusive Pauken, Trompeten und zweier Harfen graben sich die Symphoniker durch dieses von leichtem Hang zum Größenwahn getriebene Werk. Vor allem für den Violinisten Vlad Stanculeasa wird dies ein großer Abend: Der junge Rumäne ist seit dieser Spielzeit neu in den Reihen der Symphoniker. Als erster Geiger hat er die ehrenvolle Aufgabe, das „Heldenleben“ in mehreren Solopartien so elegisch wie energisch voranzutreiben, was ihm bravourös gelingt.

Diese Texte haben viele Menschen interessiert