Bochum. Die Bochumer Symphoniker stellen sich einem Koloss: der neunten Symphonie von Bruckner. Das hätte ein ausverkauftes Haus verdient. Unsere Kritik.
Eine monumentale Symphonie, ein Top-Star als Solist: Zum krönenden Abschluss dieser Spielzeit haben die Bochumer Symphoniker mit ihren Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang im Musikforum einiges aufgefahren. Schade nur, dass beim „Von Herzen“-Konzert am Samstagabend viele Plätze leer blieben, die Fußball-EM und bestes Biergarten-Wetter fordern wohl ihren Tribut.
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Symphoniker spielen Koloss der Musikgeschichte
Das Beste kommt zum Schluss: Nach diesem Motto scheint Tung-Chieh Chuang seine Spielpläne gern zu gestalten. Schon am Ende seines ersten Jahres als Bochumer GMD entließ er das Publikum mit einem glücklichen Lächeln in die Sommerpause, als die dritte Symphonie von Gustav Mahler für zehnminütige, stehende Ovationen sorgte. Ganz so gewaltig ist der Jubel zwei Jahre später zwar nicht, und doch schwingt beim ausgiebigen Schlussapplaus auch einige Dankbarkeit für eine durchaus gelungene Spielzeit mit.
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Die Bochumer scheinen „ihren“ GMD ins Herz geschlossen zu haben, was auch an seinem bescheidenen Auftritt liegt. Statt sich selbst feiern zu lassen, lässt Chuang lieber jede Instrumentengruppe einzeln aufstehen, während er beim Konzert wie entfesselt die Grenzen seines Dirigentenpults austestet. Er hüpft, er springt, er fiebert mit und scheint dabei in der Musik komplett versunken zu sein.
Mit der neunten Symphonie von Anton Bruckner steht allerdings auch ein Koloss der Musikgeschichte auf dem Programm, vor dessen Vollendung der österreichische Komponist im Jahr 1896 starb. Folglich spielen die Symphoniker nur die ersten drei Sätze, der skizzenhaft überlieferte vierte Satz fehlt. Doch schon in diesen 60 Minuten steckt ein solcher Reichtum und eine solche Wucht, was das Orchester mit sattem Hang zur Opulenz gekonnt zum Leuchten bringt.
Flirrende Geigen markieren den Anfang
Es beginnt wie häufig bei Bruckner mit flirrenden Geigen (dem Bruckner-Tremolo) und steigert sich dann immer weiter bis hin zum großen d-Moll-Thema, bei dem vor allem die Bläser gefordert sind. Stampfende Rhythmen wechseln sich ab mit berührenden Streicher-Melodien, im zweiten Teil darf es sogar fröhlicher und launiger zugehen, während das abschließende „Adagio“ prächtig und mystisch zugleich wirkt. Die Symphoniker stellen sich dem kolossalen Werk mit breiter Brust und wissen die dynamischen und klanglichen Kontraste bestens zu vermitteln.
Ein weniger bekanntes Werk steht am Beginn des Abends: das Concerto Gregoriano des italienischen Komponisten Ottorino Respighi. Während der Komposition ein deutlicher Hang zu Anmut und Schönheit anzumerken ist, besitzt sie gleichzeitig auch durchaus experimentelle Teile, die Frank Peter Zimmermann an der Violine mit Hingabe auslotet. Der 59-Jährige zählt zu den gefragtesten Solo-Geigern Deutschlands – und es ist ein Genuss, wie er die Saiten seines edlen Instruments während der rund halbstündigen Aufführung bearbeitet.
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Zimmermann spielt auf edlem Instrument
Übrigens spielt Zimmermann keine Geige aus dem Kaufhaus: Es ist die „Lady Inchiquin“ von Antonio Stradivari, zur Verfügung gestellt von der Kunstsammlung NRW. Zu absoluter Meisterschaft läuft er während der Zugabe auf: Der „Erlkönig“ von Franz Schubert lässt so manche Zuschauer im Saal baff staunen, darunter auch seine Geigen-Kollegen aus den Reihen der Bochumer Symphoniker, die Zimmermanns virtuoses Spiel mit sichtlicher Freude verfolgen.
Saisonabschluss im Bermudadreieck
Zum Abschluss der Spielzeit geben die Bochumer Symphoniker ihr traditionelles Konzert im Bermudadreieck: am Dienstag, 2. Juli, um 19.30 Uhr auf der Bühne am Konrad-Adenauer-Platz. Svetoslav Borisov dirigiert. Der Eintritt ist wie immer frei.
In die neue Saison startet das Orchester entspannt: mit einem Abend in der Bosy-Lounge mit Live-Musik und DJ am Samstag, 24. August, um 20.30 Uhr in der Kirche. Ab 11. September begleiten die Musiker die Theateraufführungen von „Pferd frisst Hut“ während der Ruhrtriennale im Landschaftspark Duisburg-Nord. Die Musik komponierte Herbert Grönemeyer.