Bochum. Der Stahlkonzern hat in Bochum eine 150 Millionen Euro teure Anlage in Betrieb genommen. Es werden 300 Millionen Euro investiert. Die Pläne.
Per Knopfdruck hat Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) am Freitag in Bochum eine 150-Millionen-Euro-Investition ans Laufen gebracht. Die neue Glüh- und Isolierlinie ist ein zentraler Eckpfeiler für den Ausbau des Standorts an der Essener Straße zum Kompetenzzentrum für Elektromobilität.
Thyssenkrupp-Managerin spricht von der Zukunft des Standorts Bochum
Für den kriselnden Konzern und seine Stahlsparte ist es nach vielen negativen Schlagzeilen ein geradezu freudestrahlender Morgen „mit einer positiven Botschaft nach Innen und nach Außen“, so TKSE-Vorstandsmitglied Marie Jaroni. „Es ist total wichtig zu zeigen, wir investieren in die Zukunft, wir haben eine Zukunft und wollen weiter Stahl in Deutschland und hier auch in Bochum produzieren. Für uns ist der Standort Bochum Zukunft.“
300 Millionen Euro investiert TKSE insgesamt an der Essener Straße für neue Anlagen. „Diese Bochumer Mannschaft wird beweisen, dass diese Investitionen gerade jetzt in dieser schwierigen Lage am Standort richtig und wichtig ist“, verspricht Betriebsratsvorsitzender Engin Karakurt.
Gepackt werden die Botschaften an diesem Freitagmorgen in plakative Formulierungen: Jaroni und Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) sprechen beide von einem „Meilenstein“ für das Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Bochum. Die Managerin zitiert aus dem bekanntester Bochumer Lied: „Du hast‘n Pulsschlag aus Stahl.“ Eiskirch mahnt derweil an, „die Stärke unserer Industrie beruht sei jeher auf gemeinsamen Lösungen, auf einem partnerschaftlichen Miteinander von Unternehmen und Gesellschaft.“ Es ist zweifellos ein Appell an den Konzern, der in den vergangenen Monaten mehr als einmal von diesem Pfad abgekommen ist.
Thyssenkrupp investiert in Bochum insgesamt 300 Millionen Euro
Vor knapp zwei Jahren hat TKSE den Grundstein für die hochmoderne Anlage gelegt, mit der pro Jahr 218.000 Tonnen hoch spezialisierte und bis zu 0,2 Millimeter dünne Elektrobänder hergestellt werden können, die den Wirkungsgrad von Elektromotoren deutlich verbessern. „Für die Herstellung von Elektroband muss man das Material glühen und anschließend mit einem Lack isolieren. Genau das geschieht auf dieser Anlagen“, erklärt Werkschef Markus Kovac. Der Stahl wird bis auf 1200 Grad Celsius erhitzt und wieder abgekühlt, „um genau die Eigenschaften zu erreichen, die der Kunde wünscht.“ Die anschließende Beschichtung mit einem Isolierlack ist „dabei kleiner als ein Mikrometer. Das entspricht etwa der Höhe eines Fingerabdrucks.“ Hightech auf 364 Meter Länge. So groß ist das Aggregat, für dessen Fundament 35.000 Kubikmeter Erde ausgehoben und 20.000 Tonnen Beton gegossen wurden. Ein Gigant.
Fertiggestellt ist nebenan bereits das vorgelagerte Walzwerk, ein 100 Millionen Euro teures sogenanntes Doppelreversiergerüst, auf dem der Stahl zu besonders dünnen Bänder gewalzt wird. Nun fehlen noch zwei Komponenten des Gesamtinvestitionspakets von 300 Millionen Euro, um die Elektrobandproduktion vom TKSE-Werk an der Castroper Straße mit den drei Glüh- und zwei Isolieranlagen zur Essener Straße auf eine einzige Anlage zu verlegen: eine neue Elektroband-Inspektionslinie und eine aktuell beauftragte Adjustage, die die fertigen Bleche schneidet und für die Kunden konfektioniert.
Die Adjustage soll nach Auskunft des Unternehmens 2026 in Betrieb gehen. Es wäre der Anfang vom Ende des Werks an der Castroper Straße, dessen Schließung eigentlich für 2030 vorgesehen war, nun aber nach den Vorstellungen von Stahlchef Dennis Grimm vorgezogenen werden soll.
Grimm war am Freitag krankheitsbedingt nicht in Bochum. Aber seine jüngsten Ankündigungen, dass das eine Bochumer Werk womöglich schon 2027 und damit drei Jahre früher als vereinbart schließen könnten, hat die Wellen im Konzern hochschlagen lassen. Deshalb schlagen bei Dirk Stahlschmidt, dem Betriebsvorsitzenden des Werks an der Castroper Straße, auch zwei Herzen in einer Brust. „Dass wir hier die Zukunft aufbauen, das haben wir gemeinsam beschlossen. Das ist und war der richtige Weg. Aber all das, was im Moment bei uns ansteht, wie das Vorziehen der Schließung, ohne dafür eine saubere Lösung zu haben, erzeugt in mir mehr als gemischte Gefühle.“
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