Bochum. Das Auf und Ab beim Stahl hat Bochum oft durcheinandergerüttelt. Jetzt stehen die Zeichen auf Aufbruch – dank einer gewaltigen Investition.

Stahl und Bochum, das geht seit dem 19. Jahrhundert zusammen wie Pech und Schwefel. Viele Krisen in der Branche haben den Stahlstandort zwar schrumpfen lassen und beinahe wäre er bald ganz von der Landkarte verschwunden. Aber mit 100 Millionen Euro haucht Thyssenkrupp Bochum jetzt neues Leben ein.

Thyssenkrupp-Vorstand spricht von „Zeichen in die Zukunft“

„Ich glaube, das wird eine der größten Investitionen, die in Bochum in den letzten Jahren getätigt wurden“, sagt Thyssenkrupp-Vorstandsmitglied Heike Denecke-Arnold am Dienstag. Investiert wird es im Werk an der Essener Straße in insgesamt drei neuen Anlagen, die das künftige Kompetenzzentrum für Elektromobilität fit machen soll. Schon in einem Jahr soll das sogenannte Doppelreversiergerüst an den Start gehen. Das Herzstück der Erneuerung mit dem beinahe unaussprechlichen Namen soll dafür sorgen, dass bis zu 0,2 Millimeter dünne Stahlbänder und besonders feste Stähle in Bochum gewalzt werden können.

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„Gruppenbild mit Dame“: Thyssenkrupp-Vorstand Heike Denecke-Arnold, bei der Grundsteinlegung umringt von Beschäftigten des Unternehmens.
„Gruppenbild mit Dame“: Thyssenkrupp-Vorstand Heike Denecke-Arnold, bei der Grundsteinlegung umringt von Beschäftigten des Unternehmens. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

„Mit dieser Anlage setzen wir ein Zeichen in die Zukunft“, so Vorstandsmitglied Denecke-Arnold bei der Grundsteinlegung. Der Stahl wird nicht mehr in einer langen „Straße“ gewalzt. „Es sind zwei eng miteinander geschaltete Walzenpaare, in der das Band mal in die eine und mal in die andere Richtung gewalzt wird. Mit dieser Technologie ist es möglich, dünnste Abmessungen herzustellen.“ So dünn, dass sie gerade einmal der „Dicke“ von zwei übereinandergelegten Blatt Papier entsprechen.

Neue Anlagen werden in bestehender Halle errichtet

Aufgebaut werden die Anlagen in der großen, bereits 1966 erbauten Produktionshalle, die wegen ihrer schieren Größe und des blauen Anstrichs gut von der nahen A 40 gesehen werden kann. Im Januar hatte der Abriss der alten Anlagen begonnen. Seit geraumer Zeit sind Beschäftigte des Hagener Bauunternehmens Friedrich Rempke damit beschäftigt, geradezu monumentale Fundamente für das Doppelreversiergerüst zu errichten. Polier Eyüp Demirtas war der erste, der beim obligatorischen Einmauern der Zeitkapsel beherzt mit einer Kelle in den Speiskübel eintauchte.

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„Das ist ein guter Tag für Bochum“, sagen die Arbeitnehmervertreter Tekin Nasikkol, Engin Karakurt und Dirk Sievers (von links).
„Das ist ein guter Tag für Bochum“, sagen die Arbeitnehmervertreter Tekin Nasikkol, Engin Karakurt und Dirk Sievers (von links). © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

In etwa einem Jahr stehen noch weitere Modernisierungen an. Errichtet wird eine Glüh- und Isolierlinie, mit der die Elektrobänder weiter veredelt werden, sowie eine Anlage, mit der die Bänder zurechtgeschnitten werden.

Betriebsrat spricht von einem „guten Tage für Bochum“

Nur damit, so Konzernbetriebsratschef Dirk Sievers, lassen sich die immer weiter wachsenden Ansprüche der Kunden erfüllen. „Mit den bestehenden Anlagen wäre das nicht möglich.“ Dieser Dienstag sei daher ein Tag großer Freude. Es sei richtig gewesen, in den Verhandlungen mit dem Unternehmen auf den Zukunftsstandort Bochum zu setzen. Auch Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Thyssenkrupp Steel Europe AG, sagt: „Das ist ein guter Tag für Bochum.“ Für die Stadt und vor allem für die Belegschaft. „Jetzt haben junge Leute wieder eine Perspektive“, so Engin Karakurt, Betriebsratsvorsitzender des Werks an der Essener Straße. „Ich bin stolz darauf, dass uns das geglückt ist.“

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Auch Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) ist froh, „dass es eine Zukunft für den Stahl in Bochum gibt“ – selbst wenn dies nur noch an einem Standort der Fall sein wird. Das zweite Thyssenkrupp-Werk an der Castroper Straße mit seinen derzeit noch 600 Beschäftigten wird schließen, wenn die Modernisierung an der Essen Straße abgeschlossen ist. „Das ist ein bisschen das weinende Auge an der Geschichte. Aber ich glaube, dass von Anfang an klar war, die Zukunftsfähigkeit allein auf einen Standort zu fokussieren“, so Eiskirch.