Bochum. Thyssenkrupp will sein Stahlwerk an der Castroper Straße in Bochum früher als geplant dicht machen. Dabei wird dort auf Hochtouren produziert.
Sechs Jahre soll im Thyssenkrupp-Werk an der Castroper Straße in Bochum noch produziert werden. 2030 ist dann Schluss. So sieht es eine Vereinbarung des Stahlkonzerns mit den Beschäftigten vor. Nun will das Unternehmen aber schon 2027 die Tore schließen. Die Auslastung sei nicht gut genug, so der neue Stahlvorstand Dennis Grimm.
Thyssenkrupp-Belegschaft in Bochum arbeitet auf Hochtouren
Darüber lässt sich offenbar geteilter Meinung sein. Tatsächlich arbeiten die 600 Frauen und Männer im Werk momentan auf Hochtouren. „Normalerweise stehen über Weihnachten alle Anlagen still“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Dirk Stahlschmidt. „Aber dieses Jahr fahren wir sogar durch; an allen Feiertagen, auch Heiligabend, dreischichtig; weil wir wichtige Kunden der Automobilindustrie beliefern.“
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Um diesen Widerspruch und um die erklärte Abkehr vom Tarifvertrag „Zukunft Stahl 20-30“ wird es vor allem gehen, wenn die Belegschaft am Mittwoch im Ruhrcongress zu zwei Versammlungen zusammenkommt. In der vergangenen Woche hatte sich der Vorstand bei der Belegschaftsversammlung des Thyssenkrupp-Werks an der Essener Straße einiges anhören müssen. Dort steht zwar nicht der Fortbestand des gesamten Werks infrage, wohl aber überlegt das Unternehmen, Anlagen zu schließen und damit Hunderte von Arbeitsplätzen zu streichen.
Stahl-Chef Grimm kommt diesmal offenbar nicht nach Bochum
Anders als in der Vorwoche wird der neue Chef der Stahlsparte diesmal offenbar nicht nach Bochum kommen. Bei einer „normalen“ Belegschaftsversammlung wäre das aus Sicht des Betriebsrats-Chefs auch kein Problem, zumal der Vorstand morgens durch Finanzchef Philipp Conze und am Nachmittag durch die für die Transformation zuständig Marie Jaroni verteten ist. „Aber diesmal hätte ich erwartet, dass die volle Mannschaft da steht. Wenn sie mit Bochum etwas vorhaben, dann erwarte ich, dass da alle Rede und Antwort stehen“, so Dirk Stahlschmidt.
Von einer mangelnden Auslastung zu sprechen, so wie es Stahlchef Grimm getan hat, ist aus Stahlschmidts Sicht ohnehin eine Frage der Betrachtungsweise. Momentan könne davon jedenfalls keine Rede sein. Und ob das dauerhaft so bleibe, könne derzeit angesichts der schwierigen Marktlage niemand sagen.
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Fakt sei aber, wenn die Kapazitäten für die „neuen Märkte“, in erster Linie gehe es dabei um Antriebe für Elektroautos, reduziert werden, und das würde mit einer Schließung an der Castroper Straße geschehen, sei das ein Signal in den Markt, nur noch begrenzte Produktionsmengen erfüllen zu können. Die Alternative wäre das Signal, den Markt auch mit einer Altanlagen wie der an der Castroper Straße noch länger begleiten zu wollen und größere Produktionskapazitäten vorzuhalten. „Der Vorstand hat anscheinend für sich, das ist jetzt meine Schlussfolgerung, schon geschlossen, vielleicht auch politisch entschieden, dass man das alles nicht mehr begleiten will.“ Er und seine Kollegen seien jedenfalls gespannt auf die Antworten der Stahlspitze.
TKSE-Beschäftigte an der Castroper Straße sollen „nach Möglichkeit“ andere Stellen im Unternehmen bekommen
Auf Anfrage dieser Redaktion heißt es bei Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) dazu, wegen der jetzigen Marktlage sei der Standort „unterausgelastet“. Daher sei es notwendig, die Verlängerung der Betriebsdauer von 2026 auf 2030 „noch einmal zu hinterfragen“. Die von den Kunden geforderten Güter „können auf modernen Anlagen in Bochum an der Essener Straße und in Duisburg produziert werden.“
Was mögliche betriebsbedingte Kündigungen im Konzern betrifft, der 5000 Stellen streichen und 6000 auslagern will, heißt es, es soll für möglichst viele Beschäftigte eine langfristige Perspektive geschaffen werden. „Dennoch wird es notwendig sein, durch gezielte Kapazitätsanpassungen und Kostensenkungen wettbewerbsfähiger zu werden, was auch einen deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen mit sich bringen wird.“ Mitarbeiter des Werks an der Castroper Straße sollen „nach Möglichkeit“, wie es heißt, auch ein Arbeitsplatzangebot in anderen TKSE-Werken erhalten.
Vor allem der Gewerkschaft IG Metall, aber auch TKSE-Betriebsräten, geht das nicht weit genug. Betriebsbedingte Schließungen nicht grundsätzlich auszuschließen, bedeutet für sie das Überschreiten einer roten Linie.
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Ursprünglich sollten die Tore des Werks an der Castroper Straße 2026 endgültig schließen. „Aber dann kam der Vorstand auf uns zu und hat uns um eine Verlängerung gebeten, um den Markt noch zu begleiten“, sagt Dirk Stahlschmidt; und zwar „aufgrund der damals noch günstigen Markt- und Preisentwicklung für Elektroband“, so der Konzern. Bis dahin sollten mit Investitionen von mehr als 250 Millionen Euro zwei moderne Anlagen im Werk an der Essener Straße gebaut werden. Das Doppelreversiergerüst und die Glüh- und Isorlierlinie, beide sind mittlerweile fertiggestellt, sind der Kern des dortigen Kompetenzzentrums für Elektromobilität. Vertraglich vereinbart zwischen Thyssenkrupp und Arbeitnehmern ist nun die Schließung an der Castroper Straße 2030.