Bochum. Der Naturschutzbund spricht von einem „absoluten Verlust“: Die Stadt stellt ihren „Umweltspürnasen-Pass“ ein. Nach 33 Jahren. Es hagelt Kritik.

Das war ein Schock für die Naturschutz-Gruppen in Bochum: Nach 33 Jahren stellt die Stadt Bochum ihren „Umweltspürnasen-Pass“ für Kinder und ihre Familien ersatzlos ein. Damit bricht die mithin wichtigste Werbung für Bildungs-und Naturangebote für den Bochumer Nachwuchs weg.

Stadt zum Spürnasen-Pass: „bedauerlicherweise nicht mehr möglich“

„Den Pass wird es zumindest vorerst nicht mehr geben“, teilt Stadtsprecher Peter van Dyk auf Anfrage dieser Redaktion mit. „Die Gründe dafür liegen in der aktuell angespannten Haushaltslage in Kombination mit fehlendem Personal zur Durchführung und Begleitung des Umweltspürnasen-Programms.“ In dieser Situation sei es „bedauerlicherweise nicht mehr möglich“, das Format des Umweltspürnasenpasses wie gewohnt anzubieten.

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Außerdem wurde die Stelle von Bochums einziger Umwelt-Pädagogin, Rita Brandenburg, der Initiatorin des Passes, nach ihrer Pensionierung 2024 nicht mehr neu besetzt.

Die Stadt spart damit Personal- und Druckkosten ein. Wie hoch die Ersparnis ist, wurde nicht bekannt.

„Absoluter Verlust“ für den Natur- und Umweltschutz

Birgit Debus vom Naturschutzbund (NABU) ist enttäuscht. Sie spricht von einem „absoluten Verlust“ für den Natur- und Umweltschutz in Bochum.

Der Natur auf der Spur: Auch Amphibien wie hier ein Laubfrosch wurden von Spürnasen genau beobachtet.
Der Natur auf der Spur: Auch Amphibien wie hier ein Laubfrosch wurden von Spürnasen genau beobachtet. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Der für Nutzer kostenlose Pass des Umwelt- und Grünflächenamtes wurde alljährlich im Februar in den Bürgerbüros, im Rathaus und in den Schulen ausgelegt. Darin wurden zahlreiche Veranstaltungen von bis zu 26 Naturschutzgruppen für Kinder und ihre Familien zwischen März und Dezember aufgelistet und beworben: zum Beispiel Amphibienschutz, ein Besuch am Krötenzaun, LED-Lampenbau, Bau von Insektenhotels und Vogelfutterspendern, Naturkosmetik, ein „Walatelier“, Geländespiele in der „Sommerwildnis, Beobachtungen von Fledermäusen.

„Die Veranstaltungen waren durchweg gut besucht“

„Da waren so viele Teilnehmer, dass ich gleich zwei Veranstaltungen machen musste“, sagt Birgit Debus über das nächtliche Fledermaus-Angebot. „Die Veranstaltungen waren durchweg gut besucht und wurden zum Teil aufgrund der hohen Nachfrage sogar wiederholt.“ Das habe auch daran gelegen, dass die Teilnahme meist kostenlos gewesen sei. Ansonsten hätten die Eltern für ihre Kinder höchstens fünf Euro für Material zahlen müssen.

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Im vorigen Jahr waren in dem Pass 67 solche Veranstaltungen aufgelistet.

Auch ohne den städtischen Spürnasen-Pass werden die einzelnen Naturschutzgruppen wie der NABU, der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Bochum oder der Arbeitskreis Umweltschutz (AKU) weiterhin Veranstaltungen für Kinder anbieten. Allerdings spricht sich dieses Angebot künftig nicht mehr so weit herum, weil der Pass fehlt. Interessierte müssen extra auf den jeweiligen Webseiten der einzelnen Naturschutzgruppen nach einem Angebot suchen. Birgit Debus befürchtet, dass deshalb künftig auch insgesamt weniger Veranstaltungen als bisher angeboten werden.

Der Pass bot außerdem eine für Kinder schöne Motivation, sich mit der Natur zu beschäftigen. Wer im vorigen Jahr an sechs der 67 Veranstaltungen teilgenommen hatte, bekam von der Stadt ein „Umweltspürnasen-Diplom“ und eine „kleine Überraschung“. Für Kinder ist so etwas von Bedeutung.

Tier- und Naturschutz solle man „in kleine Schuhe legen“

„So eine Erfindung finde ich genial“, sagt Christa Becker, die ebenfalls ehrenamtlich im NABU tätig ist und zu Hause im Bochumer Süden zum Beispiel in Not geratene Mauersegler aufpäppelt, bis sie wieder ausgewildert werden können. Tier- und Naturschutz solle man „in kleine Schuhe legen“.

Enttäuschung über Mangel an Kommunikatioin

NABU-Mitarbeiterin Birgit Debus ist auch enttäuscht, dass die Stadt ihre Streichung des Passes den einzelnen Naturgruppen und auch ihr selbst gar nicht mitgeteilt hat.

Immer im November würde das Umweltamt bei den Gruppen nach ihren Angeboten für das kommende Jahr fragen, diesmal sei die Anfrage einfach ausgeblieben. Nur auf Nachfrage habe sie von dem Aus erfahren.

Für sie stellt sich jetzt die Frage, ob die Stadt auch weitere Naturschutz-Aktionen wie die Waldjugendspiele, die Umweltrallyes im Ferienpassprogramm oder den „Langen Tag der Stadtnatur“ nicht mehr oder nicht mehr wie bisher unterstützt.

So sieht es auch Birgit Debus: „Die Bochumer Naturschutzgruppen von NABU, BUND und AKU, die sich von Anfang an am Angebot des Umweltspürnasen-Passes beteiligt haben, stehen der Entscheidung der Stadt mit Unverständnis gegenüber und protestieren heftig gegen ein generelles Aus.“

Umwelt-Pädagogik ist gerade für Großstadt-Kinder wichtig

Gerade für Kinder im städtischen Bereich von Ballungsgebieten sei „die unmittelbare, erlebnisreiche Begegnung mit der Natur und deren Bedrohung im Wohnumfeld von großer Bedeutung“. Es sei wichtig, die Kindern an die Umweltprobleme heranzuführen und ihnen auf spielerische Weise zu zeigen, wie sie zu vermeiden oder zu lösen seien.

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„Es ist ihre Zukunft, die davon betroffen ist, und dafür muss man sie sensibilisieren. Eine dafür verantwortliche Stadtverwaltung sollte dafür eher mehr tun statt bewährte Konzepte alternativlos zu streichen.“