Bochum. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in Bochum. Stahlarbeitern verspricht er, Industriepolitik werde im 100-Tage-Programm prominent vertreten sein.
Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat bei Betriebsrätekonferenz der CDU-Sozialvereinigung CDA in Bochum eine Brandmauer in Richtung AfD hochgezogen und zugesichert, „das Thema Zukunftssicherung des Industriestandorts Deutschland wird prominent im 100-Tage-Programm für die ersten drei Monate“ einer CDU-Regierung vertreten sein. Tekin Nasikkol, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Thyssenkrupp (TKS), hat bei der Veranstaltung im Dampfgebläsehaus an der Jahrhunderthalle zuvor gefordert, „die Industriepolitik muss an oberster Stelle eines 100-Tage-Programms stehen“.
Für Thyssenkrupp-Gesamtbetriebratschef muss Industriepolitik Chefsache sein
Vor allem Wettbewerbsnachteile wie die hohen Energiekosten müssten, so Nasikkol, beseitigt werden, damit die deutsche Stahlindustrie noch eine Chance im internationalen Wettbewerb hat. Und dafür sei es höchste Zeit. Mit 14 Betriebsräten aus drei Thyssenkrupp-Unternehmen ist der Gesamtbetriebsratschef der Einladung des CDA-Bundesvorsitzenden und Europaabgeordneten Dennis Radtke (CDU) aus Bochum gefolgt. „Zusammen sprechen wir für 45.000 Beschäftigte in NRW und Rheinland-Pfalz“, sagt Nasikkol, die ganze Stahlbranche habe mehr als 400.000 Arbeitsplätze. Stahl sei system- und sicherheitsrelevant. Und deshalb müsse sich der nächste Bundeskanzler unbedingt und schnell um Industriepolitik und den Industriestandort Deutschland kümmern.
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Den Kanzlerkandidaten der Union hat der 56-Jährige zu einem Besuch nach Duisburg an den größten Stahlstandort Europas eingeladen, um dort mit den Beschäftigten zu sprechen. Merz sagt zu und quittiert ein vielsagendes Geschenk, einen Helm, mit einem Lächeln. Nasikkol: „Der weiße Arbeitsschutzsicherheitshelm soll symbolisch für die Sicherheit der Arbeitsplätze in der deutschen Stahlindustrie stehen.“
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Eher unwahrscheinlich ist, sollte die CDU den nächsten Bundeskanzler stellen, ein Einstieg des Staates bei deutschen Stahlunternehmen. Auf eine entsprechende Frage von Betriebsratsmitglied Ibrahim Sözudogru vom Thyssenkrupp-Werk an der Essener Straße in Bochum sagt Merz: „Ich kann es für eine Übergangszeit nicht ganz ausschließen. Aber der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Es ist allenfalls für eine Übergangszeit gerechtfertigt, so etwas zu machen.“ Engin Karakurt, TKS-Betriebsratschef an der Essener Straße, vermisst derweil eine konkrete Antwort des CDU-Vorsitzenden: „Auf die Energiepreise ist er nicht eingegangen.“
Ausgeschlossen hat der Kanzleranwärter kategorisch eine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten und damit so starken Applaus erhalten wie für keine andere Botschaft an diesem Abend.
„Wie sicher ist ihre Brandmauer gegen Rechts, schließen Sie eine Koalition mit der AfD aus?“, will Shell-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Martin Vleer wissen. Merz: „Ich bin erst der zehnte Vorsitzende dieser Partei. Und ich habe nicht die Absicht, der letzte Vorsitzende dieser Partei zu sein. Wenn dieses Thema an irgendeiner Stelle bröckelt, dann ist die Existenz der CDU im Kern gefährdet. Mit diesen Leuten gibt es unter meiner Führung keine Zusammenarbeit.“ Nach der Rede von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel am vergangenen Wochenende sei es ihm „eiskalt den Rücken heruntergelaufen.“
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Merz sieht die demokratischen Parteien der politischen Mitte in der Pflicht und hat düstere Vorahnungen, sollten sie dieser Pflicht nicht gerecht werden. „Wenn wir die Probleme, die wir gegenwärtig haben, in den nächsten vier Jahren nicht lösen, dann haben wir bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr den nächsten beliebigen Regierungswechsel. Dann haben wir andere Probleme. Und die übernächste Bundestagswahl, die findet dann 2033 statt. Und einmal 33 reicht.“ 1933 hatten die Nationalsozialisten mit dem Ermächtigungsgesetz die Weimarer Demokratie ausgehebelt.
Neues Ministerium für Digitales
Unionskanzlerkandidat Merz (CDU) appelliert, Klimaschutz und Industrie nicht als Widerspruch zu sehen. Gleichwohl lehnt er einen Ausstieg aus Kohle und Gas aus Klimaschutzgründen ab, wenn dies die deutsche Industrie gefährdet. Er bekenne sich ausdrücklich zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Aber eine Stilllegung der Stromerzeugung über Kohle und Gas ohne die nötigen Ersatzkapazitäten würde „den Standort für die Industrie in Deutschland massiv gefährden.“
Im Falle eines Wahlsiegs der CDU bei der Bundestagswahl will Merz ein Digitalministerium schaffen, in dem die Zuständigkeiten gebündelt werden sollen, die derzeit noch auf viele Ministerien verteilt sind. „Ich werde dazu jemanden von außerhalb der Politik holen, der das erprobt hat, der das in der Wirtschaft gelernt hat und der das kann.“