Bochum. Mit vielen Millionen wird der Stahlstandort Bochum modernisiert. Doch auch hier wächst die Sorge um Arbeitsplätze, so Betriebsratschef Karakurt.
Es hat schon viele Krisen bei Thyssenkrupp Steel (TKS) Europe gegeben und oft war Bochum als einer der großen TKS-Standorte mitten im Feuer. So 2020, als es den Werken an der Essener Straße und an Castroper Straße an den Kragen zu gehen drohte. „Das hier ist aber noch eine Stufe höher“, sagt Engin Karakurt
Thyssenkrupp-Beschäftigte sorgen sich um ihre Arbeitsplätze
Der 58-Jährige kann es beurteilen. Vor vier Jahren war er Betriebsratsvorsitzender der 2000-köpfigen Belegschaft an Essener Straße. Mittlerweile ist er sogar zum stellvertretenden Gesamtbetriebsratsvorsitzenden aufgerückt und vertritt damit gemeinsam mit seinen Kollegen die Interessen von 27.000 Beschäftigten. Und die „sind angespannt“, sagt Karakurt; weil es nämlich nach der Ankündigung des Unternehmens, künftig nur jährlich 9,5 statt der anvisierten 11,5 Millionen Tonnen Stahl zu produzieren, eine Milchmädchenrechnung ist, was das bedeutet: Stellenabbau.
Betriebsrat und Gewerkschaft wollen diesen, wenn es denn so weit kommen muss, sozialverträglich regeln. „Aber angeblich ist kein Geld da“, sagt Engin Karakurt. „Der Arbeitgeber spricht sogar von betriebsbedingten Kündigungen. Das hat es in der Zeit der Montanmitbestimmung überhaupt noch nicht gegeben.“ Und er lässt keinen Zweifel daran, dass die Stahlkocher nicht gewillt sind, daran etwas zu ändern.
Betriebsrat fordert ein zukunftsfähiges Konzept
„Wir brauchen ein zukunftsfähiges Konzept und keinen Kahlschlag“, sagt der Bochumer. Und vor allem dürfe an dem bis März 2026 gültigen Tarifvertrag nicht gerüttelt werden. Der beinhaltet u.a. eine Standortsicherung und den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen.
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Und dann? Von Außen betrachtet, könnten sie in Bochum eigentlich gelassen bleiben. Denn angesichts von 300 Millionen Euro, die TKS in die Modernisierung des Standorts an der Essener Straße steckt, ist kaum vorstellbar, dass ausgerechnet hier Leute gehen und Anlagen zurückgefahren werden müssen. Wäre Engin Karakurt nur für den Standort Bochum zuständig, würde er vielleicht auch so denken. Aber er hat den Hut, besser den Helm, für 27.000 Beschäftigte an vielen Standorten auf. „Und auf die alle wird jetzt noch mal ganz genau geschaut“, sagt er der Mann, der 1984 seine Lehre bei Krupp begonnen hat.
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Einige Fakten sind für Bochum ohnehin klar. Das Warmbandwerk an der Essener Straße wird Ende 2025, wenn die neue Anlage in Duisburg steht, abgeschaltet. Und 2030 ist Schluss an der Castroper Straße mit seinen etwa 600 Beschäftigten. Beides gehört zu der Vereinbarung, die Unternehmen und Arbeitnehmervertretung 2020 getroffen haben. Das heißt nicht, dass die betroffenen Beschäftigten auch das Unternehmen verlassen müssen – jedenfalls nicht aus Sicht des Betriebsrats. „Man muss gucken, wo sie dann eingesetzt werden können“, sagt Engin Karakurt. Betriebsrat und IG Metall fordern, „diesen Kollegen eine Jobgarantie zu geben“.
So viel ist sicher: Die Stimmung ist schlecht in den TKS-Werken. Auch, weil sie wissen, dass es stimmt, was Aufsichtsratsvorsitzender Siegmar Gabriel unlängst gesagt hat: „Wir können so nicht weitermachen.“
250 Millionen Euro für zwei moderne Anlagen
Diese bedrückte Stimmung wird demnächst in Bochum – wenn überhaupt – wohl auch nur für einen Moment besser werden. Im Mai wird die neue, 150 Millionen Euro teure Glüh- und Isolierlinie, eingeweiht. Auf ihr erhalten zuvor hauchdünn gewalzte Stahlbänder jene besonderen mechanischen und magnetischen Eigenschaften, die für den Einsatz in Elektrofahrzeugen und Windkraftturbinen benötigt werden. Und mit ihnen erhöhe sich der Wirkungsgrad der Motoren immens, heißt es.
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Schon vor einigen Monaten wurde das Doppelreversiergerüst eingeweiht. Das Herzstück der Erneuerung mit dem beinahe unaussprechlichen Namen soll dafür sorgen, dass bis zu 0,2 Millimeter dünne Stahlbänder und besonders feste Stähle in Bochum gewalzt werden können. Kostenpunkt: 100 Millionen Euro. Die bis dahin größte Investition am Standort Bochum, die kurz darauf von der Glüh- und Isolierlinie noch getoppt wurde.
Gut zu wissen. Und doch: „Im Moment haben wir viel mehr Fragen als Antworten“, sagt Engin Karakurt. Und auch er brennt darauf, dass sich das bald ändert. Am 30. April hat der Konzern zur Belegschaftsversammlung ins MSV-Stadion nach Duisburg geladen.