Bochum. Laut einer Untersuchung in 30 Großstädten ist Bochum in Sachen Energieeffizienz ganz schlecht aufgestellt. Die Gründe liegen auf der Hand.
Fast 60 Prozent aller Häuser in Deutschland müssten dringend saniert werden, weil sie mit fossiler Energie betriebenen Heizungen ausgestattet sind und/oder wegen mangelhafter Dämmung zu viel Wärme ungenutzt nach draußen dringt und damit verschleudert wird. Das hat eine Untersuchung des Berliner Unternehmens Purpose Green in 30 deutschen Großstädten ergeben. Erschreckend aus Bochumer Sicht ist: Die Energieeffizienz ist hier besonders schlecht, nur in einer Stadt ist sie noch schlechter.
Viele Häuser in Bochum haben eine schlechte Energieeffizienz
80,6 Prozent aller untersuchten Gebäude in Bochum gehören demnach zu den Energieeffizienzklassen E bis H mit besonders schlechten Werten. Nur in Kiel (82 Prozent) ist der Anteil noch größer. Zum Vergleich: In Chemnitz sind es nur 27,5 Prozent, der Durchschnittswert für die 30 betrachteten Kommunen liegt bei knapp 57 Prozent.
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Daraus ergibt sich eine gewaltige Herausforderung bei der Gebäudesanierung, heißt es. Gut die Hälfte aller Häuser benötige eine energetische Modernisierung, so die Autoren der Untersuchung. Nach der EU-Gebäuderichtlinie für verbindliche Energieeffizienzstandards müssten alle Immobilien mindestens die Energieeffizienzklasse D aufweisen („Vergleich von fast 11.000 Immobilien“).
Stadt Bochum sagt, Rückschluss auf alle Gebäude könne nicht gezogen werden
Dass Bochum bei der Energieeffizienz aller Immobilien in der Stadt tatsächlich so schlecht dasteht, lässt sich aus Sicht der Stadtverwaltung so nicht sagen. Ein Rückschluss der Untersuchungsergebnisse „auf alle Immobilien im Stadtgebiet kann hier nicht gezogen werden“, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion.
Tatsächlich werde im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung gerade untersucht, wie viele Häuser welcher Energieeffizienzklasse angehören und welche Schlüsse daraus gezogen werden müssen. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Bochums Gebäudebestand ist überaltert
Tatsache ist: Bochums Gebäudebestand ist „überaltert“ bzw. stammt zu einem großen Teil aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der weniger Wert auf eine effiziente Wärmedämmung gelegt wurde; unter anderem, weil Baumaterial nicht zur Verfügung stand, die Kosten für Bau und Instandsanierung von Gebäuden begrenzt gehalten werden sollten und möglichst schnell gebaut werden musste.
„Ein Großteil der Gebäude in Bochum wurde zwischen 1949 und 1969 gebaut bzw. wiederaufgebaut, knapp 29 Prozent der Gebäude sind noch älter. Das bedeutet, dass insgesamt etwa zwei Drittel der Wohngebäude älter als 50 Jahre und damit sozusagen ‚in die Jahre gekommen‘ sein könnte“, heißt es im Wohnungsmarktbericht 2022 der Stadt. Jüngere Baujahre (von 2010 an) machten nur etwa 2,8 Prozent vom Gesamtbestand aus (Grafik).
Zwar gibt es für 88 Prozent der Gebäude einen Energieausweis. „Allerdings verfügen lediglich zwei Prozent der
Wohnungen über einen Nachweis der besten Energieeffizienzklasse A+/A mit einem Energiewert unter 50 kWh/qm. Hier zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Energieeffizienz und Baualter.“
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Neuere Wohnungen erfüllen demnach die Energieeffizienzklassen A+ und A zu 81 Prozent, „ältere Baujahre praktisch gar nicht oder nur in Einzelfällen“. In den schlechtesten Energieeffizienzklassen (E bis H) steige der Anteil mit zunehmendem Baualter auf 71 Prozent für Wohnungen bis Baujahr 1924. Also: Je älter ein Gebäude, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es eine schlechte Energieeffizienz aufweist. Und ältere Gebäude gibt es viele in Bochum.
Bundesverband fordert eine Sanierungspflicht
Offenbar ist der Handlungsbedarf in Bochum also groß. Wie auch in vielen anderen Kommunen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert: „Der Bedarf an Energie bei Bestandsgebäuden muss halbiert werden, die energetische Sanierungsrate muss dafür graduell um 70 Prozent bis 2030 steigen.“ Der BDI schlägt daher eine Sanierungspflicht vor.
Was hält die Stadt Bochum davon? „Vorschläge von Verbänden zu beurteilen, ist nicht Aufgabe der Verwaltung“, so Stadtsprecherin Charlotte Meitler auf Anfrage dieser Redaktion. Gleichwohl: „Um im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung Klimaneutralität zu erreichen, muss der Gebäudebestand schrittweise mit hohen Wärmedämmstandards saniert werden.“ Bochum gehe dies im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie an.
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Dabei gilt es noch weitere Aspekte zu berücksichtigen. „Vor allem im Mietwohnungsbereich besteht oftmals ein großes Spannungsfeld zwischen Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sozialverträglichkeit der Modernisierungsmaßnahmen. Die finanzielle Überforderung oder gar Verdrängung von Mietern ist unbedingt zu vermeiden“, heißt es im Wohnungsmarktbericht. Und ebenso wichtig sei nach einer energetischen Modernisierung, Mieter aufzuklären, wie sie ihr Heiz- und Lüftungsverhalten anpassen sollten.
Die Stadt Bochum selbst besitzt und unterhält mehrere Hundert Gebäude. Und auch die müssen – so wie derzeit etwa das Rathaus – energetisch saniert werden. Nach Auskunft der Stadt wird ein Überblick zum Zustand aller städtischen Immobilien mit Blick auf die Energieeffizienz im Rahmen der „Strategie für einen klimaneutralen Gebäudebestand“ entstehen. Auch dieser liegt aber noch nicht vor.
Vergleich von fast 11.000 Immobilien
Für die Analyse wurden 10.683 Immobilienangebote der 30 größten deutschen Städte auf der Plattform Immowelt auf die Energieeffizienzklasse, den wesentlichen Energieträger und die Heizungsart untersucht und miteinander verglichen.
Insgesamt gibt es acht Energieeffizienzklassen von A bis H. Zur Darstellung der Effizienz eines Gebäudes wird der Energieverbrauch in Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter Nutzfläche (m2a) angegeben. Anhand dessen wird dann die Energieeffizienzklasse bestimmt. In Klasse A gehören Gebäude mit einem Wert zwischen 30 und 50 kWh/m2a), in Klasse H werden Gebäude eingeordnet, die einen Wert über 250 kWh/m2a aufweisen.