Bochum. Weniger Neubauten, mehr Sanieren im Bestand. So und mit anderen Maßnahmen hofft Bochum der Wohnungsnot beizukommen. Das überzeugt zum Teil.
„Bochum ist mit seiner Wohnungspolitik auf dem Holzweg.“ Aus vielen Ecken hagelte es Kritik, als die Stadt sich mit ihrem Handlungskonzept Wohnen 2017 anschickte, der Wohnungsnot zu begegnen. Vor allem aus sozialen und ökologischen Gründen sahen Kritiker die Akzente völlig falsch gesetzt. Nun liegt die überarbeitete Fassung des Maßnahmenkatalogs vor. Und sie findet selbst bei besagten Kritikern Anklang – wenn auch nicht uneingeschränkt.
Bündnis „Gutes Wohnen für Bochum“ freut sich über Verbesserungen
Das Bündnis „Gutes Wohnen für Bochum“, ein Zusammenschluss von 17 Organisationen wie DGB, Mieterverein und Netzwerk bürgernahe Stadtentwicklung, „sieht in dem Entwurf substanzielle Verbesserungen gegenüber dem Handlungskonzept von 2017“, sagt Bochums DGB-Chef Stefan Marx. Aber er habe „auch noch einige Defizite“.
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Allen voran freut sich das Bündnis darüber, dass die in der Vergangenheit etwa von Linken und vom Mieterverein vorgeschlagene, aber immer wieder abgelehnte Wohnraumschutzsatzung nun doch kommen soll. „Damit kann die Stadt besser gegen Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum vorgehen“, so Marx.
Bochum will eine Wohnraumschutzsatzung einführen
Eine solche Satzung, wie es sie auch in anderen Städte wie Dortmund und Münster bereits gilt, soll dazu führen, Wohnraum zu erhalten und zu schützen, wenn er leer steht, abgebrochen werden soll und/oder zweckentfremdet genutzt wird. Unter Zweckentfremdung ist auch die Kurzzeitvermietung zu verstehen. Nach einer Auswertung des Airnbnb-Portals im Rahmen des Empirica-Gutachtens, das zur Überprüfung des Handlungskonzepts Wohnen erstellt wurde, gibt es in Bochum derzeit 170 bis 190 Unterkünfte, die von Airbnb angeboten werden. Sollten sie öfter als an insgesamt 90 Tagen pro Jahr für kurze Zeit vermietet werden, müsste dies beantragt und geprüft werden.
Bochum setzt mehr auf Entwicklung des Wohnungsbestands
An dem Mengenziel, 800 Wohnungen pro Jahr zu schaffen, will Bochum zwar festhalten. Die Stadt setzt dabei künftig aber weniger auf Neubauten, sondern mehr auf die Entwicklung im Bestand. Und: Wenn neu gebaut werden soll, dann eher in Baulücken, im Hinterland, d.h. auf bereits versiegelten Flächen bzw. Grundstücken innerhalb versiegelter Areale. Dazu gehört auch, das Aufstocken von Gebäuden und den Dachausbau zu forcieren.
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„Die stärkere Hinwendung zum Wohnungsbestand finden wir richtiger, als einseitig auf Neubau zu setzen“, sagt DGB-Regionalchef Marx. Kritisch sieht das Bündnis allerdings, dass aus seiner Sicht „kein überzeugendes Rezept gegen den Mietenanstieg gefunden worden ist“.
„Die stärkere Hinwendung zum Wohnungsbestand finden wir richtiger, als einseitig auf Neubau zu setzen.“
Dabei ist das aus Sicht der Kritiker bitter nötig. Ihre Rechnung sieht so aus: In Bochum fallen jedes Jahr 450 Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung. Der Anteil von schon jetzt lediglich sechs Prozent am Gesamtmarkt werde weiter sinken. Marx: „Wenn die Anzahl von 12.500 Sozialwohnungen, die es jetzt noch gibt, wenigstens gehalten werden soll, müssen jedes Jahr 450 neue Bindungen dazukommen, um den Wegfall zu kompensieren.“ Mit Neubauten allein sei das „völlig unmöglich“. Das Bündnis macht sich daher dafür stark, Mietpreisbindung von Wohnungen durch geförderte Modernisierungen zu verlängern.
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Nachdenken müsse Bochum auch über die Rekommunalisierung von Wohnungen. Im überwiegend städtischen Wohnungsunternehmen VBW, das zu 80 Prozent der Stadt gehört und das mit etwa 13.000 Wohnungen der größte Vermieter in Bochum ist, stünde dafür der richtige Akteur zur Verfügung. Und: Die Mittel für Käufe gäbe es. So hat die VBW das vergangene Geschäftsjahr mit einem Überschuss von etwa sieben Millionen Euro nach knapp zwölf Millionen Euro 2022 abgeschlossen. Geld, das auch in den Erwerb von Wohnungen hätte fließen können.
Bündnis fordert, es müsse mehr Personal eingesetzt werden.
Aber nicht nur programmatisch sieht das Bündnis „Gutes Wohnen“ noch Nachholbedarf. Es argumentiert: „Alle Beschlüsse brauchen in der Umsetzung Personal. Wer energisch gegen Zweckentfremdung und Schrottimmobilien vorgehen will, um den vorhandenen Wohnungsbestand zu ertüchtigen, kommt mit ein, zwei Planstellen nicht aus.“ Das hört sich nach weiterem Diskussionsbedarf an.
Überarbeitung kostet 219.000 Euro
Über das novellierte Handlungskonzept Wohnen soll der Stadtrat spätestens in seiner übernächsten Sitzung am 1. Oktober entscheiden. Gelten soll das Maßnahmenpaket dann bis 2030. Aus Sicht des Bündnisses „Gutes Wohnen in Bochum“ sollte die nächste Überprüfung schon in zwei Jahre erfolgen.
Fünf Büros haben die Stadt bei der Überarbeitung des Handlungskonzepts unterstützt. Kostenpunkt: 189.000 Euro. Insgesamt kostet die Evaluierung 219.000 Euro. Das Handlungskonzept selbst hatte 2017 noch 60.000 Euro gekostet.