Bochum-Wattenscheid. „Eine Fehlentscheidung“ sei die Eingemeindung gewesen, so der Wattenscheider Holger Happe. Bochum blieb vielen Eingemeindeten fremd. Die Gründe.
Im Personalausweis des Juristen Holger Happe stehen unter der Rubrik Geburtsort drei Wörter: „Wattenscheid jetzt Bochum.“ Der 60-Jährige lebt schon sein ganzes Leben in Wattenscheid und fühlt sich bis heute, trotz der Eingemeindung vor genau 50 Jahren, weiterhin als Wattenscheider, nicht als Bochumer.
„Ich halte diese Entscheidung von damals für eine Fehlentscheidung“
„Ich fühle mich als Wattenscheider, weil ich hier geboren bin, in einer Stadt, die sehr gut funktioniert hat. Und gut funktionierende Einheiten und eine Stadt sollte man nicht verändern.“ Es sei falsch gewesen, eine kommunale Neugliederung so zu gestalten, dass Wattenscheid nicht mehr habe bestehen können wie es mal gewesen sei. „Man hätte mich überzeugen können, wenn es geklappt hätte, es hat aber leider nicht so geklappt. Ich halte diese Entscheidung von damals für eine Fehlentscheidung, und deshalb fühle ich mich als Wattenscheider“, sagt Happe, der Mitglied in der Unabhängigen Wählergemeinschaft Wattenscheid (UWG Freie Bürger) ist und zugleich Enkel des früheren Wattenscheider Oberbürgermeisters Hermann Sievers.
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Wie Happe sprechen viele, deren Herz schon immer an Wattenscheid hängt und die meinen, dass der Stadt durch die Eingemeindung schlecht weggekommen und benachteiligt worden sei. „Wir haben keinen Grund zu feiern“, sagt UWG-Vorsitzender Hans-Josef Winkler mit Blick auf das Jubliläum. „Da könnte man von einer Trauerfeier sprechen.“ Es sei im Übrigen gar keine „Eingemeindung“ gewesen, sondern „ein Zusammenschluss von Bochum und Wattenscheid“.
„Die Bürger wollten ihre Stadt behalten“
Winkler fühlt sich als Wattenscheider, „weil wir Wattenscheider in Bochum nicht angekommen sind“. Dieser Zusammenschluss habe „so nicht stattgefunden“. Mit rund 80.000 Menschen sei man damals „eine gewachsene Einheit“ gewesen. Man habe „ein Wir-Gefühl“, aber das werde so nicht wahrgenommen.
UWG-Parteifreund Holger Happe spricht „von der Arroganz der Macht“, weil der Bezirk Wattenscheid von den Entscheidungsträgern in der Politik zu kurz gekommen sei und zu wenig Respekt erhalten habe. „Die Bürger wollten ihre Stadt behalten“, sagt er. Der „fast 100-prozentige Wille der Bürger“ sei ignoriert worden. Auch 50 Jahre nach der Eingemeindung gebe es rund 15.000 WAT-Autokennzeichen. „Das spricht für sich.“
Über WAT-Kennzeichen kann auch Mireille Hegemann (54), die sich als „Ur-Wattenscheiderin“ bezeichnet, etwas berichten. Als es im Jahr 2012 wieder angeboten wurde, war sie sofort zur Stelle. Weil sie am ersten Tag der Ausgabe aber arbeiten musste, bat sie einen Verwandten, das Nummernschild zu besorgen.
1970 wurde die IHK-Angestellte im Marienhospital in Wattenscheid geboren. „Ich wurde dort auch getauft.“ Als Kind erlebte sie die damaligen Protestaktionen mit Aufklebern und T-Shirts, auf denen „Wattenscheid statt Bochum“ stand. „Das ist prägend.“
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Bis heute wohnt sie in Wattenscheid und glaubt, dass das auch so bleiben wird. „Wattenscheid ist für mich Heimat.“ Der Großteil ihrer Familie und Bekannten wohne dort. „Man ist dort verwurzelt. „Natürlich war sie auch im Stadion, als die SG09 in den 90er-Jahren gegen die Münchner Bayern gewann. Mit Schal um den Hals: „Na klar.“ Und wenn sie im Urlaub gefragt wird, woher sie kommt, sagt sie nicht Bochum, sondern Wattenscheid. Gegen Bochum habe sie zwar nichts, trotzdem sei dies „wie eine andere Stadt“ für sie, wie Essen oder Herne zum Beispiel.
Die Eingemeindung, meint Mareille Hegemann, sei ein Fehler gewesen. „Wir haben uns zum Vorort entwickelt. Nicht so schön. Wenn man sich die Straßen und Gehwege anguckt, sieht das nicht so gut aus. Es wird immer dreckiger. Das Gefühl, von Bochum vernachlässigt zu werden, hätten viele Wattenscheider.
„Die Politik begreift es nicht, den Souverän zu verstehen“
„Wir sind übernommen worden, nicht mitgenommen worden“, sagt der 69-jährige Uwe Woitha, der als gebürtiger Schalker seit 1978 in Wattenscheid lebt. „Die Politik begreift es nicht, den Souverän zu verstehen“, sagt er und meint das Volk.
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Seit 1978 lebt auch der in Gelsenkirchen geborene Albin Ott (75) in Wattenscheid und fühlt sich dort „sehr wohl“. „Es kann nicht sein, dass Wattenscheid so abfällt wie Gelsenkirchen“, beklagt er. Als vielfach engagierter Bürger hatte er sich zum Beispiel einen Feierabendmarkt schon in diesem Jahr in Wattenscheid gewünscht und dies wie andere auch an offiziellen Stellen angeregt, blieb aber erfolglos. Bochum Marketing erklärte im vorigen November: „Von Seiten des Citymanagements Wattenscheid bei Bochum Marketing sind die Maßnahmenplanungen für das Jahr 2025 bereits abgeschlossen.“