Bochum. 700 Jahre Bochum, die WAZ erinnert an Ereignisse aus der Stadtgeschichte. Heute: Die Eingemeindung von Wattenscheid am 1. Januar 1975.

Kaum eine landespolitische Entscheidung hat so hohe Wellen geschlagen wie die Anfang der 1970er Jahre ins Werk gesetzte „Gebietsreform NRW“. Die in Düsseldorf ausgeheckte Planung sah die radikale Raffung von Verwaltungseinheiten überall im Land vor. Dadurch sollten mehr Effizienz erzielt, Synergien erzeugt und Investitionsanreize gesetzt werden. So gut, so schön. Nur hatten die Politiker offenbar vergessen, die Menschen, die es betraf, auf dem Wege mitzunehmen.

Wattenscheid war nur eine von vielen betroffenen Gemeinden

So wie in Wattenscheid. Hier schwappte die Empörung zum ersten Mal am 30. Mai 1972 über. Tausende demonstrierten vor dem Wattenscheider Rathaus gegen die von Land verordnete Vereinigung mit Bochum und für die Eigenständigkeit ihrer Stadt. Ähnliche Bilder gab es in Kettwig, Rheinhausen und Hohenlimburg - besagte Gebietsreform sah vor, dass nur 396 von 2356 Gemeinden in NRW übrig bleiben sollten.

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Unternehmer Klaus Steilmann machte in der Bürgerinitiative mit

Wattenscheid, die mit 80.000 Einwohnern größte der geschluckten Städte, organisierte einen harten Abwehrkampf gegen das Unvermeidliche. Die Bürgerinitiative „Selbstständiges Wattenscheid“ führte alle zusammen, von der Bergmannsfrau aus Leithe bis zum Textil-Unternehmer Klaus Steilmann. Es gab medienwirksame Störaktionen im Düsseldorfer Landtag und eine Demo vor dem Bochumer Rathaus, Motto „Hände weg von Wattenscheid!“. Sogar ein Volksbegehren wurde ins Werk gesetzt, das am Ende aber zu wenige Stimmen einbrachte.

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Verfassungsgericht schmetterte Wattenscheider Klage ab

So kam es wie von Anfang an „von höherer Stelle“ geplant: Wattenscheid wurde zum Stichtag 1. Januar 1975 der kreisfreien Stadt Bochum zugeschlagen, die um 880 erstmals erwähnte stolze Kommune nunmehr als „Bochum 6“ geführt. Also als Vorort. Am 13. Februar 1976 schmetterte der NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster die Klage Wattenscheids gegen die Eingemeindung final ab. Im Gerichtssaal flossen Tränen. 

Die Wunden, die damals aufgerissen wurden, sind bis heute nicht richtig verheilt. Nach wie vor fühlen sich sehr viele Wattenscheider nicht als Bochumer. „WAT“ steht geradezu trotzig auf ihren Nummernschildern.

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