Bochum. Die „Linie 5“ in Bochum soll beliebter Treffpunkt von Rechtsextremen sein. Seit Monaten gibt es Kritik, jetzt naht das Ende. Die Hintergründe.
Treffpunkt für Rechtsextreme oder normale Stadtteil-Kneipe? Seit Monaten beschäftigt die „Linie 5“ in Bochum nicht nur linke Aktivistinnen und Aktivisten, sondern auch Anwohnerinnen und Anwohner, Bezirkspolitikerinnen und -politiker und die Polizei. Jetzt gibt es Neuigkeiten: Das Lokal an der Ecke Universitätsstraße/Oskar-Hoffmann-Straße schließt. „Ende des Jahres ist Feierabend“, bestätigt Vermieterin Bärbel Kerstein auf Anfrage dieser Redaktion.
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Aktivisten der Antifa hatten die Kneipe bereits länger im Visier; Ende Juni 2024 brachte ein Polizeieinsatz am Lokal größere öffentliche Aufmerksamkeit. Seinerzeit soll nach Antifa-Recherchen eine bekannte Nazi-Band bei einer geschlossenen Veranstaltung in der „Linie 5“ aufgetreten sein. Ein „Nazi-Konzert“ konnte die Polizei im Anschluss zwar nicht bestätigen, wohl aber das: Die Personen, die sich am Abend des 22. Juni dort aufgehalten haben, seien „zum größten Teil dem rechten Spektrum zuzuordnen“.
„Linie 5“: Wirtinnen gaben sich unpolitisch
Die Wirtinnen der „Linie 5“ wiesen die Vorwürfe von sich, sahen sich „in die rechte Ecke gedrängt“ und sprachen von „Rufmord“. Ihre Kneipe sei damals telefonisch für eine Geburtstagsfeier gebucht worden. Plötzlich sei die Antifa aufmarschiert. „Wir haben mit gar keiner Szene etwas zu tun“, beteuerten die Betreiberinnen und gaben sich unpolitisch: „Wir wollen, dass die Gäste Spaß haben und ein Bierchen trinken.“
Die Nachbarschaftsinitiative „Klare Linie gegen Rechts“, die sich in der Folge im Umfeld der naheliegenden Alsenstraße gründete, nahm den Wirtinnen die Ahnungslosigkeit nicht ab. Beobachtungen von Anwohnern zufolge habe sich die „Linie 5“ seit dem Pächterwechsel drei Jahre zuvor zu einem rechten Hotspot entwickelt, hieß es. „Zunehmend offener“ hätten Kneipengäste „szenetypische Kleidung“ getragen und „szenetypische Erkennungscodes“ gezeigt. „Die Betreiberinnen selbst sind das Problem“, so die Initiative in einer Pressemitteilung. Sie seien selbst „Teil der rechten Szene, tragen Szenekleidung und Tattoos und haben langjährige, persönliche Kontakte zur Szene“, hieß es weiter.
Auch SPD-Bezirksbürgermeisterin Gabriele Spork sah die Wirtinnen in der Verantwortung. Dass Nazi-Größen in dem Lokal verkehrt hätten, sei durch Fotos belegt, argumentierte Spork. „Lehnen die Betreiberinnen solche Gäste ab, wie sie selbst beteuern, müssen sie dafür sorgen, dass die Rechten nicht mehr ihr Lokal betreten.“ Täten sie dies nicht, „müssen sie damit leben, dass mit dem Finger auf sie gezeigt wird“.
Fassade der Bochumer Kneipe wiederholt beschmiert
Beim Fingerzeig allein blieb es indes nicht, die „Linie 5“ war in der Folge auch mehrfach Ziel von Sachbeschädigung: Unbekannte beschmierten Fassade und Rollläden, auch Lampen beispielsweise wurden nach Angaben der Wirtinnen zerstört. Die Polizei ermittelte und kündigte an, dort häufiger Streife zu fahren.
Derweil hatten die Negativ-Schlagzeilen und Protestaktionen weitere Konsequenzen: Die Bochumer Fiege-Brauerei und die König-Brauerei aus Duisburg ließen jeweils ihre Außenwerbung an der Fassade der „Linie 5“ entfernen. Und auch der VfL-Fanclub „Blue-White Malibu“ zog sich schließlich aus seiner Stammkneipe zurück.
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Nachdem die beiden Wirtinnen die „Linie 5“ trotz erbitterter Kritik weiterhin geöffnet hatten, zogen sie nun einen Schlussstrich und kündigten den Pachtvertrag zum Jahresende. Das sei auch nicht anders zu erwarten gewesen, „bei so vielen Schwierigkeiten“, sagt Hausbesitzerin Bärbel Kerstein. Sie hoffe nun, „dass endlich Ruhe einkehrt“.
Die Pächterinnen wollen sich dieser Redaktion gegenüber zur aktuellen Entwicklung nicht äußern. Über Facebook bedanken sie sich bei ihren Gästen, „die sich nicht haben einschüchtern lassen und uns immer zur Seite stehen“. Man werde sich „nicht aus den Augen verlieren, denn die Reise geht für den einen oder anderen von uns ganz sicher weiter“.
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