Bochum. Die Kontroverse um die Gaststätte spitzt sich zu. Was Gäste, Kritiker, die Wirtinnen und die Politik sagen – und wie die Köpi-Brauerei reagiert.
Die Diskussion um die Bochumer Gaststätte „Linie 5“ spitzt sich zu. Während sich Anwohner in einer Initiative zusammengeschlossen haben und die Schließung fordern, bekräftigen Stammgäste: „Es ist verfehlt, von Einzelnen auf die gesamte Kneipe zu schließen.“ Bezirksbürgermeisterin Gabriele Spork hält dagegen: Die Betreiberinnen müssten „endlich klare Kante zeigen“. Derweil hat eine weitere Brauerei gehandelt.
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Seit Ende Juni steht die „Linie 5“ an der Oskar-Hoffmann-Straße/Ecke Universitätsstraße im öffentlichen Fokus. Der Vorwurf: Die Kneipe sei ein Treffpunkt der rechten Szene. Während einer geschlossenen Veranstaltung waren zunächst Antifa-Aktivisten, wenig später die Polizei angerückt. Die konnte ein angebliches „Nazi-Konzert“ zwar nicht bestätigen, erklärte aber: Die Personen, die sich an dem Abend dort aufgehalten haben, seien „zum größten Teil dem rechten Spektrum zuzuordnen“.
Es war der Beginn einer heftigen Kontroverse. Vehement wehren sich die Wirtinnen der „Linie 5“ , „in die rechte Ecke gedrängt zu werden“. Sie sprechen von „Rufmord“. Ihre Kneipe sei damals telefonisch für eine Geburtstagsfeier gebucht worden. Plötzlich sei die Antifa aufmarschiert. „Wir haben mit gar keiner Szene etwas zu tun“, beteuern die Betreiberinnen. „Wir wollen, dass die Gäste Spaß haben und ein Bierchen trinken.“
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Streit um Gaststätte: VfL-Fanclub widerspricht Vorwürfen
Oliver Nolting stimmt zu. Der 54-Jährige ist Präsident des VfL-Bochum-Fanclubs „Blue-White Malibu“ (benannt nach der Gründungskneipe an der Dorstener Straße). Seit Jahresbeginn treffen sich die 22 Mitglieder in „der Linie“. „Hier verkehren Fußballfans und weitere Besucher aller Couleur, vereinzelt auch solche, die äußerlich dem Bild von Skinheads entsprechen. Es ist aber – leider auch von VfL-Fans – völlig verfehlt, alle in eine Schublade zu stecken und die gesamte Gaststätte zu stigmatisieren. Das ist eine ganz normale Kneipe, allein schon wegen der Nähe zur Bogestra“, sagt Nolting im WAZ-Gespräch,
Sein Fanclub sei dafür der beste Beweis. „Wir sind ständig offen für neue Mitglieder (...), egal welcher Herkunft, Kultur oder Religion“, heißt es auf der Homepage. „Wir sind nicht rechts, nichts links, wir sind die bunte Mitte“, unterstreicht der Präsident und verweist auch auf das soziale Engagement seines Vereins: unter anderem für die Aktion „Ihr Pfand hilft Obdachlosen“.
Anwohner-Initiative fordert: „Rechtsextremen Treff dichtmachen!“
Eine gänzlich andere Meinung vertritt die Initiative „Klare Linie gegen Rechts“: nach eigenen Angaben eine Gruppe von 50 Anwohnern, die „für einen offenen und toleranten Stadtteil eintreten“. Nach deren Beobachtung sei die „Linie 5“ seit dem Pächter-Wechsel vor drei Jahren ein rechter Hotspot. „Zunehmend offener trugen die Besucherinnen und Besucher szenetypische Kleidung und zeigten szenetypische Erkennungscodes. Die Betreiberinnen selbst sind das Problem. Sie sind Teil der rechten Szene, tragen Szenekleidung und Tattoos und haben langjährige, persönliche Kontakte zur Szene“, heißt es in einer Pressemitteilung der Initiative.
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Am vergangenen Freitagabend kam es zu einer Protestaktion. Die Initiative spricht von 80 Teilnehmern, die Polizei von einer 30-köpfigen Gruppe, die vor der Gaststätte Position und Stellung bezog. Ihr Ziel: den Wirtinnen „klarzumachen, dass ihre rechtsextreme Agenda unerwünscht ist“. Ihre Forderung: „Die ,Linie 5‘ dichtmachen!“
Bezirksbürgermeisterin sieht Wirtinnen in der Verantwortung
Gabriele Spork haben die Nachbarinnen und Nacharn auf ihrer Seite. Die SPD-Bezirksbürgermeisterin übt auf WAZ-Anfrage scharfe Kritik an der Gaststätte. „Fotos belegen, dass dort Nazi-Größen verkehren. Lehnen die Betreiberinnen solche Gäste ab, wie sie selbst beteuern, müssen sie dafür sorgen, dass die Rechten nicht mehr ihr Lokal betreten. Sonst müssen sie damit leben, dass mit dem Finger auf sie gezeigt wird. Sie stehen in der Verantwortung: auch bei geschlossenen Veranstaltungen.“ Die Bezirksbürgermeisterin spricht aus eigener Erfahrung: Früher war sie Wirtin der Bochumer Gaststätte „Fliegenpilz“
Spork kündigt an, sich in Kürze mit den Anwohnern und dem Bezirksstellenleiter über das weitere Vorgehen abzustimmen. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, sei klar: „So etwas hat in meinem Bezirk nichts zu suchen!“ Schon bei der Anti-AfD-Demo im Januar mit 13.000 Teilnehmern in der Innenstadt hatten Demonstranten bei einem Zwischenstopp die Gaststätte als „rechtsradikale Sammelstelle“ gebrandmarkt.
Auch Köpi-Brauerei hat ihre Außenwerbung entfernt
Als „coole Aktion“ wertet Gabriele Spork das Vorgehen der Fiege-Brauerei. Kurz nach dem Polizeieinsatz Ende Juni hatten die Geschäftsführer Carla und Hubertus Fiege veranlasst, die Außenreklame abzubauen: „Die Haltung unserer Familienbrauerei und unserer Werte stehen jeglichem extremen Gedankengut entgegen.“
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Die Duisburger König-Brauerei folgte jetzt dem Beispiel. „Wir sind sowohl von Verbraucherinnen und Verbrauchern als auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf die Vorfälle in der ,Linie 5‘ aufmerksam gemacht worden“, so Sprecher Patrick Damberg. Man habe sich entschieden, „die Geschäftsbeziehung zu beenden. Unsere Außenwerbung haben wir im Zuge dieser Entscheidung demontieren lassen“.
Polizeisprecher: „Wir haben die Szenerie im Blick“
Wenig einladend wirkt dadurch die Fassade der Gaststätte, die zudem mit Anti-Nazi-Graffiti besprüht wurde. Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung. Weitere Einsätze oder Anzeigen gebe es aktuell nicht, schildert Polizeisprecher Marco Bischoff, betont aber: „Wir haben die Szenerie dort im Blick. Unsere Beamtinnen und Beamten sind entsprechend sensibilisiert.“
Derweil kündigen die Wirtinnen rechtliche Schritte an. Die Anwohner-Initiative verbreite „Lügen und Unwahrheiten“, heißt es am Dienstag auf der Facebook-Seite der Gaststätte. Und: „Erneut möchten wir darauf hinweisen, dass wir uns von jeglicher Diskriminierung, Rassismus und Extremismus distanzieren.“