Bochum. Über 400 Euro soll ein Bochumer zahlen – für die vorzeitige Kündigung eines Telefonvertrags, den er nach eigener Angabe nie abgeschlossen hat.

Als ein 49-jähriger Bochumer (Name der Redaktion bekannt) seinen Briefkasten öffnet, findet er darin überraschende Post. Ein Brief der „1N Telecom“, der ihn auffordert, seinen Festnetzanschluss bei seinem bisherigen Anbieter zu kündigen und die Mitnahme seiner Rufnummer zu beantragen. Als das passiert, ist es Anfang August.

„Ich habe keinen Vertrag bei ‚1N Telecom‘ abgeschlossen“, betont der Bochumer. Mit seinem Mobilfunkvertrag bei ‚O2‘ sei er seit Jahren zufrieden, und der DSL-Anschluss laufe ohnehin über seine Partnerin.

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Was für einen Telefonvertrag genau und zu welchen Konditionen er diesen abgeschlossen haben soll, weiß der 49-Jährige nicht. Daher ignoriert er das Schreiben zunächst. Doch keine zwei Wochen später folgt erneut Post – diesmal eine Kündigungsbestätigung und eine Rechnung in Höhe von 419,88 Euro für die vorzeitige Vertragsauflösung. Der Redaktion liegen alle drei Schreiben vor.

Beschwerden über „1N Telecom“ häufen sich seit Mitte August

„Seit Mitte August melden sich vermehrt Verbraucherinnen und Verbraucher, die von der ‚1N Telecom‘ ein Schreiben mit dem Betreff Anbieterwechselauftrag erhalten haben“, informiert die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auf ihrer Website. Doch auch davor schon gingen bei den Verbraucherschützern immer wieder Beschwerden über den Telekommunikationsanbieter ein.

Besonders ältere Kunden der „Deutschen Telekom“ sollen im vergangenen Jahr häufig Schreiben von „1N Telecom“ erhalten haben, berichtet Andrea Thume, Leiterin der Verbraucherzentrale Bochum – oftmals im Zusammenhang mit ihrer Telefonnummer bei der „Telekom“. Unter ihnen auch eine damals 86-jährige Bochumerin, die sich schon damals gemeinsam mit der Verbraucherzentrale an die WAZ Bochum wandte. Sie hatte ein Angebot für einen neuen DSL-Tarif zu 34,99 Euro monatlich erhalten, der neben unbegrenzten Festnetztelefonaten auch kostenlose Anrufe in alle Mobilfunknetze beinhaltet.

Namensähnlichkeit zur „Deutschen Telekom“ wurde einigen Verbrauchern zum Verhängnis

Viele Kunden bemerkten damals vermutlich wegen der Namensähnlichkeit jedoch erst spät, dass sie bei Unterzeichnen des Vertrags nicht bei der „Deutschen Telekom“ bleiben, sondern ungewollt zu „1N Telecom“ wechseln. Dieser Irrtum fiel oftmals erst nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist auf, wie Verbraucherzentralen berichten.

Betrugsmasche mit Telefonanschlüssen
In der Bochumer Verbraucherzentrale ist der 49-Jährige nicht, der erste, der Ärger mit „1N Telecom“ hat. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Die damals 86-jährige Bochumerin hat bis heute Ärger mit dem Dienstleister, erzählt Thume. Sie hatte damals per Mail Widerspruch eingelegt. Ein Fehler, wie die Verbraucherberaterin sagt. Eine E-Mail reiche nicht für einen rechtssicheren Widerspruch. Dazu hätte es eines Einschreibens per Post bedurft. Sie empfiehlt dabei das Einwurf-Einschreiben.

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Auch diejenigen, die fristgerecht Widerspruch einlegten oder niemals einen Vertrag unterschrieben hatten, kämpfen oft weiterhin mit dem hartnäckigen Telekommunikationsdienstleister „1N Telecom“, der in der Vergangenheit seine Forderungen von Inkassodiensten eintreiben ließ, wenn Betroffene nicht zahlten, teilt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit.

Bochumer hat Angst vor Inkassoforderungen: Probleme mit dem Dienstleister könnten andauern

Der 49-jährige Bochumer fürchtet nun ebenfalls, dass es zu solchen Maßnahmen kommen könnte. Doch er erhält Unterstützung von der Bochumer Verbraucherzentrale, wo man ihm rät, Ruhe zu bewahren und alle Schritte genau zu dokumentieren. Und er will sich nicht einschüchtern lassen: „Keinen Cent kriegen die von mir“, meint er. Dazu aber brauche er möglicherweise einen langen Atem, erklärt Thume: Bis „1N Telecom“ ihn in Ruhe lasse, könne es mehrere Jahre dauern und bis dahin könne das Unternehmen auch noch einige rechtliche Schritte gegen den Bochumer einleiten.

Wie Sie sich gegen ungewollte Verträge wehren

Verbraucher, die irrtümlich einen Vertrag abgeschlossen haben oder unerwartete Vertragsbestätigungen und Rechnungen erhalten, können sich mit verschiedenen Maßnahmen wehren. Andrea Thume von der Verbraucherzentrale Bochum und die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen empfehlen folgende Schritte:

Widerruf einlegen: Wer einen unerwünschten Vertrag abschließt, sollte diesen unverzüglich widerrufen. Das Widerrufsrecht gilt in der Regel 14 Tage nach Abschluss eines Vertrages. Auch wer keinen Vertrag abgeschlossen habe, sollte vorsorglich ein Widerrufsschreiben aufsetzen, wenn er eine Vertragsbestätigung erhält.

Vertrag anfechten: Ist die Widerrufsfrist abgelaufen, besteht die Möglichkeit, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung und Irrtums anzufechten.

Nachweise einfordern: Wer sich nicht an den Vertragsabschluss erinnern kann, sollte den Anbieter auffordern, Belege für den Vertragsschluss vorzulegen. Dies kann besonders hilfreich sein, wenn das Unternehmen rechtliche Schritte einleiten will.

Inkassoforderungen und Mahnungen widersprechen: Wenn bereits Inkassounternehmen oder gar das Mahngericht eingeschaltet wurden, sollten Betroffene die Forderung schriftlich bestreiten und einen Nachweis des Vertragsabschlusses verlangen.

Die Verbraucherzentralen raten ausdrücklich davon ab, unberechtigte Forderungen einfach zu bezahlen.

Das Telekommunikationsunternehmen selbst lässt eine WAZ-Anfrage mit der Bitte um Stellungnahme zu den Vorwürfen zunächst unbeantwortet. Aufgrund der Vielzahl an Beschwerden prüft der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) derzeit allerdings die Einleitung einer Sammelklage gegen „1N Telecom“. Allein von Januar 2023 bis Juli 2024 seien in den bundesweiten Verbraucherzentralen mehr als 11.000 Beschwerden zu „1N Telecom“ erfasst worden.

Außerdem stellen die Verbraucherzentralen auf ihren Webseiten Musterbriefe und detaillierte Informationen bereit, wie man sich gegen unberechtigte Forderungen wehren kann. Generell aber sei es ratsam, Werbepost sorgfältig zu lesen und bei Zweifeln sofort zu reagieren, meint Thume.

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