Bochum. Über Jahrzehnte beobachtete Hartmut Beifuß das Leben in Bochum durch die Kamera. Zum 80sten gibt es einen Bildband mit historischen Aufnahmen.
Über Jahrzehnte war der Fotograf und langjährige WAZ-Bildredakteur Hartmut Beifuß mit der Kamera in der Stadt unterwegs. Kaum einer beobachtete und porträtierte das pulsierende Leben in Bochum so genau und so lange wie er, stets mit Neugierde und auf Augenhöhe zu den Menschen, die ihm vor die Linse traten.
Hartmut Beifuß begleitete das Leben in Bochum mit der Kamera
Kurz vor seinem 80. Geburtstag ist wohl die Zeit gekommen, ein Resümee zu ziehen: In dem 100-seitigen Bildband „Momente“, den Beifuß jetzt im Eigenverlag herausgibt, vereint er eine Reihe prägender Aufnahmen, die ihm im Laufe der Jahre gelungen sind: von den 1960er Jahren bis heute, von Peter Zadek bei der Probe bis zum jungen Herbert Grönemeyer, vom feixenden Rudi Dutschke bis zum nachdenklichen Willy Brandt.
Bildband „Momente“ gibt es direkt beim Fotografen
Den Bildband „Momente – Augenblicke in Fotos aus mehr als 50 Jahren“ von Hartmut Beifuß (100 Seiten, 30 Euro) gibt es nicht im Buchhandel. Er ist bislang ausschließlich beim Autor selbst zu beziehen. Mail an: hmudus@online.deJe nach Erfolg der ersten Auflage kann sich der Fotograf aber durchaus vorstellen, sein Buch auch normal in den Handel zu bringen. „Ich schaue mal, wie das Buch ankommt“, sagt er. „Vielleicht suche ich danach noch einen Verlag.“
Doch es sind nicht nur Prominente, die den Bildband bestimmen: An Begegnungen mit unzähligen normalen Menschen, die Beifuß während seines Arbeitsalltags traf, erinnert er sich mindestens genauso gern. Eine berührende Abschiedsszene am Bochumer Hauptbahnhof 1985 fand ebenso Eingang ins Buch wie ein Porträt des Bergmanns Albert Kelterbaum, den er 1969 mit Katze und Notizblock vor seinem Zechenhäuschen in Wanne-Röhlinghausen ablichtete. Sämtliche Aufnahmen sind bewusst schwarz-weiß: „Die Befreiung von Farbe schafft eine größere Konzentration auf die Inhalte“, sagt Beifuß.
Volontariat mit Wolfgang Clement
Nach einer Lehre als Fotolaborant und einer schmerzhaften Erfahrung bei der Bundeswehr (Beifuß lag nach einer Verletzung über Wochen im Krankenhaus), absolvierte er ab 1966 ein Volontariat bei der Westfälischen Rundschau. Einer seiner Kollegen war der ehemalige Ministerpräsident Wolfgang Clement (1940-2020).
Ab 1967 wurde er Bildredakteur bei der Rundschau, die wenig später von der WAZ übernommen wurde. Bis zu seiner Pensionierung 2009 gehörte Beifuß der Bochumer Redaktion an – dies überwiegend zu einer Zeit, als noch keine Digitalkameras mit endlosem Speicher das Leben bestimmten. „Manchmal hatte ich am Tag zehn bis zwölf Termine und einen 36er-Film dabei. Da lernt man automatisch, sich zu beschränken.“
Lieber weniger und bedächtiger fotografieren als zu viel: Die Reduktion auf das Wesentliche war immer eines seiner wichtigen Stilmittel. Beifuß begreift sich weniger als Fotokünstler, sondern mehr als Bildjournalist, der das Leben durch den Sucher seiner Kamera festhält. „Das Bild steckt in dem kleinen schwarzen Viereck eigentlich längst drin. Es geht nur darum, den richtigen Moment des Auslösens zu finden.“ So habe seine Arbeit auch viel mit Zufall zu tun, meint Beifuß: „Dieser Aspekt des Fotografierens wird viel zu wenig gewürdigt. Was ich mache, das sind Momentaufnahmen im wahrsten Sinne.“
Historische Aufnahmen von Frank Zappa und Harry Belafonte
Bezaubernde, beinahe historische Aufnahmen sind ihm gelungen, die in dem großformatigen Buch festgehalten sind. Sein auf einem Tisch tanzender Ulrich Wildgruber in Peter Zadeks „King Lear“ 1974 ist legendär. Der mahnend den Zeigefinger hebende Harry Belafonte beim Konzert „Künstler für den Frieden“ 1982 im Ruhrstadion ist es ebenso. Es gibt kuriose Begegnungen mit Frank Zappa 1977 in der Garderobe („Ein netter Kerl!“) oder Johannes Rau beim Essen eines Knäckebrots 1985.
Bis heute ist Hartmut Beifuß mit der Kamera unterwegs. Seine Heimatstadt porträtiert er ebenso wie die Metropolen auf seinen vielen Reisen. Vor allem London hat es ihm angetan, wo seine Tochter seit Jahren als Lehrerin für Deutsch und Französisch lebt: „Da kann man den ganzen Tag laufen und die Stadt buchstäblich erwandern. Herrlich!“
Keine Sehnsucht nach der Dunkelkammer
Vom Selfie-Wahn hält ein Fotograf seines Schlags naturgemäß wenig: „Es muss nicht immer alles fotografiert werden“, meint er. „Das Wichtigste sind ohnehin die Bilder im Kopf.“ Dafür bringen die modernen Zeiten durchaus auch Positives mit sich. Mit den Vorzügen der Digitalkameras hat sich Beifuß schnell angefreundet. Einen anderen Teil seines Jobs vermisst er hingegen überhaupt nicht: die ewig langen Stunden in der Dunkelkammer.