Gelsenkirchen. Dieter Grunert ist pensionierter Lehrer. Sein Einsatz gegen den extremen Lehrermangel in Gelsenkirchen endete für ihn mit einer Enttäuschung.
Eigentlich ist Dieter Grunert genau das, was in Nordrhein-Westfalen händeringend gesucht wird: Der nach 35 Jahren im Schuldienst an einer Gesamtschule in Marl pensionierte Sport- und Religionslehrer bot sich als Vertretungskraft für eine erkrankte Gelsenkirchener Kollegin an. Ein Pädagoge mit beiden Staatsexamina und jahrzehntelanger Erfahrung ist das, was man in diesen Zeiten mit 8000 fehlenden Lehrkräften eine Ringeltaube nennt. Eigentlich. Tatsächlich aber hat man dem 2016 regulär mit 66 Jahren in den Ruhestand gewechselten Pädagogen seinen Einsatz an der Gelsenkirchener Realschule Mühlenstraße aber nur sehr mäßig gedankt.
Der Grund: „Weil kein Personalgewinnungsinteresse vorlag“
„Kurz vor Ende meines fünfwöchigen Einsatzes an der Realschule Mühlenstraße bekam ich von der zuständigen Bezirksregierung Münster die Mitteilung, dass ich für meinen Einsatz in der untersten Versorgungsstufe 1 eingestuft wurde. Das entspricht der sechsmonatigen Vorbereitungszeit als Referendar. Meine Berufsjahre hat man einfach nicht berücksichtigt“, klagt er. Zunächst glaubte er an ein Versehen, weshalb er in Münster nachhakte. Schließlich hat er in seiner aktiven Zeit auch als Teamleiter fungiert, saß zudem der Fachkonferenz Sport an seiner Schule vor. [Lesen Sie dazu:Anfängerlohn für Profis ist Sparen am falschen Ende]
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In Münster sagte man ihm jedoch, so Grunert, dass bei seinem Einsatz in Gelsenkirchen „kein Personalgewinnungsinteresse vorlag“, da an dieser Realschule ansonsten alle Lehrerstellen besetzt seien, es auch keine anderen Probleme bei der Besetzung von Stellen an der Schule gebe. Grunert hatte die Ausschreibung der Krankheitsvertretung auf dem offiziellen Vertretungsportal des Landes, „Verena“, entdeckt, wo ebenfalls explizit auch Ruheständler angesprochen werden.
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„Entscheidend ist die fehlende Wertschätzung“
Kein Personalgewinnungsinteresse, trotz flehender Appelle an pensionierte Lehrkräfte und Seiteneinsteiger aller Professionen, die Schulkollegen zu entlasten?!? Grunert konnte und kann es nicht fassen. „Der finanzielle Unterschied ist erheblich, auch bei einer so kurzen Zeit. Ich frage mich, ob man vielleicht nur so tut, als wolle man Ruheständler gewinnen. Aber davon abgesehen: Viel entscheidender für mich ist die fehlende Wertschätzung für meinen Einsatz“ ergänzt Grunert noch.
Die eigentlich sechswöchige Vertretung konnte der Pensionär übrigens nur mit einwöchiger Verspätung antreten, weil er zwei Wochen auf das benötigte erweiterte polizeiliche Führungszeugnis warten musste. Dass ein solches gerade für Sportlehrer unverzichtbar ist, kann er allerdings uneingeschränkt nachvollziehen. Seine Unterstützung im Kampf gegen Unterrichtsausfall will er aber künftig nicht mehr anbieten. „Ich möchte meine Lebenszeit nicht weiter damit vergeuden, mich zu ärgern“, kündigt er an.
Nach drei Jahren erlischt Anspruch auf Anerkennung der Berufserfahrung
Formal ist in dem Fall alles mit rechten Dingen zugegangen, wie die Bezirksregierung Münster als Schulaufsicht auf Nachfrage bestätigt. Generell verlieren Lehrkräfte drei Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst oder entsprechender Unterbrechungszeit ihren Anspruch auf Anerkennung der „einschlägigen Berufserfahrung“.
Über die Kategorie „förderliche Zeiten“ kann dennoch eine höhere Einstufung erfolgen, wenn ein klares Personalgewinnungsinteresse an der Schule besteht, die Schule eine (im Gegensatz zu Dieter Grunerts Fall) unbefristete offene Stelle langfristig nicht besetzen konnte und dies der Schulaufsicht auch erklärt. Das kann vor allem in besonders gefragten Fächern wie Mathematik oder MINT-Fächern greifen.
Eine vollständige Anerkennung der Berufsjahre könne aber bei pensionierten Beamten in keinem Fall erfolgen, so der Sprecher der Bezirksregierung, Andreas Winnemöller, weil diese als Pensionäre nicht erneut als Beamte, sondern als Angestellte eingestuft werden müssen und demnach dem Angestelltentarif unterliegen.