Gelsenkirchen. Wie vorgehen gegen die zunehmenden gewaltsamen Angriffe schulfremder Jugendlichen gegen Kinder? Das war Thema im Präventionsrat Bulmke-Hüllen.
Die Übergriffe gewaltbereiter, schulfremder Jugendlichen, die auf dem Schulhof des Gauß-Gymnasiums und später auf dem Heimweg erneut Schülerinnen und Schüler bedrängten und Geld forderten, standen im Mittelpunkt der Präventionsratssitzung Bulmke-Hüllen am Dienstagabend. Wie können solche Überfälle, die von Schulen aus dem ganze Stadtgebiet gemeldet werden, künftig verhindert werden? Wie sollen Betroffene sich in solch einer Bedrohungssituation verhalten? Wie dramatisch ist die Gefährdung wirklich? Und warum reagierten die bedrängten Sechstklässler erst so spät, statt sich sofort Hilfe in der Schule zu holen? Fragen, auf die es nur zum Teil Antworten gab und gibt.
Fassungslos, weil das eigene Kind den Angriff ganz normal fand
Ungewöhnlich stark besucht war diese Sitzung, in der Elternvertreter, Eltern der betroffenen Sechstklässler, Polizei, Kommunaler Ordnungsdienst, Anwohner, ein Mitglied des Ordnungsausschusses und Gauß-Schulleiter Frank Kaupert die Lage diskutierten. Erstaunlich dabei: Das Bedrohungsgefühl der Schüler scheint sehr unterschiedlich zu sein. Bei den Eltern aber ist die Sorge um die Sicherheit der Kinder groß.
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Besonders beklemmend: Die Sorge einer betroffenen Mutter, dass ihr diabeteskrankes Kind das bei einem erneuten solchen Angriff verletzt wird, weil es die geforderte Smartwatch, über die es die lebensnotwendige Insulinzufuhr steuert, nicht hergibt: „Ich sage ihm immer wieder: Das kann man ersetzen! Aber ob das genügt, es diesem Rat wirklich folgt?“ Eine andere Mutter ist fassungslos, dass ihr Kind sich beim Überfall „einfach so abtasten ließ und das ganz normal“ fand, weil ja nichts gestohlen worden sei, es den Vorfall zunächst daheim nicht einmal erzählte.
„Soll ich mein Kind jetzt zum Kampfsport anmelden, damit es sich wehren kann?“
Eine andere Frage aus der Elternschaft an die Ordnungshüter: „Soll ich mein Kind jetzt beim Kampfsport anmelden, damit es sich wehren kann?!“ Die Antwort der erfahrenen Polizei-Bezirksbeamtin Andrea Stockhammer, die die Schulen im Bezirk betreut, lautet eindeutig: „Nein! Aber laut werden ist gut, Hilfe rufen, sich im Bus nach vorne setzen statt in die hinterste Ecke, in Gruppen nach Hause gehen, in der Schule Lehrer, Mitschüler zur Verstärkung rufen und zwar sofort: Das kann Wirkung zeigen. Selbstbehauptungstraining kann helfen.“ Auch die 110 bei einem beobachteten Übergriff anzurufen, sei eine Möglichkeit, zu helfen, ergänzt ihre Kollegin.
Ein Kern von 15 bis 20 Jugendlichen
Die Möglichkeiten, die meist minderjährigen Täter wirklich zu bestrafen, hielten sich zwar in Grenzen. „Aber wir schreiben Anzeigen, nehmen Personalien auf, die werden im System hinterlegt: Das ist für die unangenehm. Allerdings dauert es auch, bis alle vernommen werden können“, räumt Stockhammer ein. Einige Täter seien schon bekannt, es gebe auch einzelne Intensivtäter im Alter von elf oder zwölf Jahren. Insgesamt gehe man von etwa 15 bis 20 Jugendlichen aus, die wiederholt als Schulfremde solche Übergriffe an Schulen starteten.
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Auch Kevin Bacher, Bezirksleiter des Kommunalen Ordnungsdienstes appelliert an Eltern, Anwohner und Lehrkräfte: „Sie sollten jeden Zwischenfall melden. Je mehr Meldungen wir bekommen zu Übergriffen an bestimmten Orten, desto mehr zeigen wir Präsenz. Wir können nicht überall sein, dafür sind wir immer noch nicht genug, aber wir gehen gezielt dahin, wo es die meisten Zwischenfälle gibt. Wir sind jeden Tag in jeder Pause an einer Schule. Aber wir können nicht an jeder Schule in jeder Pause sein.“
Sicherheitskonferenz Schule am 20. Dezember
Birgit Lucht, CDU-Vorsitzende im Bezirk, regte in der Sitzung an, Präventionskurse zum Beispiel zur Selbstbehauptung und zum Verhalten bei Übergriffen, als festen Bestandteil an Schulen zu installieren; ein Vorschlag, den Schulleiter Kaupert begrüßte.
Mögliche Handlungsansätze, Strategien, Präventionsarbeit und langfristige Sicherheit an Schulen wird Thema der Sicherheitskonferenz Schule am 20. Dezember sein, an der auf Einladung der Bildungsdezernentin Vertreter der Schulaufsicht, Schulformsprecher, Polizei, KOD, Schulpsychologen und weitere Experten aus dem Bereich teilnehmen werden.
„Dass Schulfremde einfach auf den Schulhof, zum Teil gar in die Klassen kommen mitten im Unterricht, weil sie irgendjemanden suchen: Das ist ein neues Phänomen, das gab es nicht, als ich vor sieben Jahren hier angefangen habe“, erklärt Gauß-Leiter Frank Kaupert. „Wir kooperieren als Innenstadtgymnasium mit Ricarda und Grillo, da können wir als Lehrkräfte nicht immer den Überblick haben, ob Schulfremde auf dem Schulgelände sind. Da sind wir auch auf Meldungen der Schüler angewiesen. Das hat mich ohnehin schockiert, dass ich von dem Angriff erst von der Elternvertretung erfahren habe, nicht direkt von den Schülern. Und die Schulzugänge absperren dürfen wir ja nicht.“ Aktuell sei es ruhiger an der Schule, die Präsenz von Polizei und KOD zeige Wirkung. „Aber ich wünsche mir, dass das kein Strohfeuer ist, sondern solange bleibt, wie es nötig ist“, so Kaupert.