Oberhausen. Ernst Gerlach, Verleger und Besitzer des geschichtsträchtigen Hektars, führte die Gäste der SPD Sommerschule in Pferdestall und Maschinenhaus.
Fast ungläubiges Staunen klang aus der Frage zum Schluss des ausführlichen Rundgangs um die Relikte der Zeche Alstaden: „Sind Sie ein vermögender Privatier?“ Schließlich hatte Ernst Gerlach einer so großen wie interessierten Besuchergruppe der SPD-Sommerschule die Rettung des historischen Ensembles in nächster Nähe zum Ruhrpark – das nicht unter Denkmalschutz steht – als „Lebenswerk“ vorgestellt: „Mein ganzes Geld habe ich hier ‘reingesteckt.“
Manfred Flore, der Bürgermeister und SPD-Kulturpolitiker, verwies dann auf die „guten Posten“ ihres Gastgebers an diesem sonnigen Nachmittag: als Mülheimer Stadtdirektor, in mehreren NRW-Ministerien und für die NRW-Bank. Der heute 77-jährige studierte Theaterwissenschaftler hatte 2005 nicht nur den traditionsreichen, aber siechen Assoverlag übernommen, sondern im Sommer vor 16 Jahren auch jenes verwildert-verwahrloste Grundstück, von dem sich der Energieversorger Eon allzu gerne trennen wollte.
Das einstige Pförtnerhaus, heute der Verlagssitz, bewohnten damals Hausbesetzer – ebenso die Direktorenvilla, die von den damaligen Besetzern schließlich gekauft wurde. „Aber was machen wir mit dem Rest?“, fragte Ernst Gerlach sich und sein Publikum: Insgesamt ist’s knapp ein Hektar kaum gebändigten Grüns, mittendrin wie eine verwunschene Burgruine das Stallgebäude für die Grubenpferde und ein kleineres Maschinenhaus.
„Wir haben schon einen gewissen Anspruch“
Eine Geburtstagsfeier „an einem wunderschönen Tag“ brachte für Gerlach den „Eureka“-Moment: Das längst eingestürzte Dach über der oberen Etage des Stallgebäudes wollte er nicht wieder aufbauen – sondern als Sommerterrasse erschließen. Und aus beiden Gebäuden soll, inzwischen mit Hilfe eines rührigen Fördervereins, ein Kulturort werden: „Nicht für Jan und Pitt“, so Gerlach, „sondern für Leute mit Interesse an Kultur und Natur“.
Über hundert Jahre „Familienpütt“
Die Historie der Zeche Alstaden beginnt schon vor Oberhausens Stadtwerdung: 1855 startet nahe der Ruhr die Abteufung von Schacht 1, damals „Swalmius“ genannt. Mit Beginn der Förderung 1859 firmiert jenes Unternehmen, das Altbürgermeister Friedhelm van den Mond in seinen Erinnerungen als „Familienpütt“ beschreibt, dann als Zeche Alstaden.
Seit 1904 diente Schacht 1 mit dem Ensemble aus Maschinenhaus und Pferdestall als Wetterschacht für die jeweils rund 500 Meter entfernten Schächte 2 und 3. Im Dezember 1972 holten Alstadener Bergleute die letzte Lore mit Kohle ans Tageslicht. 1973 folgte die Sprengung der Fördertürme.
Nach wie vor kontrolliert die RAG, so Hausherr Ernst Gerlach, dreimal jährlich den heute unter einer Metallplatte verschlossenen Schacht 1 auf womöglich austretende Gase.
Soundtrips NRW, das in Wuppertal heimische Festival für Jazz und experimentelle Musik, gaben hier im vorigen Herbst ihr Oberhausener Debüt. Vor wenigen Wochen genoss ein zahlreiches Publikum unter Bäumen auf der Wiese eine konzertante „Zauberflöte“ – bis ein Gewitter Mozarts populärster Oper ein jähes Ende setzte. „Wir haben schon einen gewissen Anspruch“, so der Verleger und Mäzen.
„Reservieren Sie rechtzeitig“: Dieser Tipp gilt auch für das „Pop up“-Restaurant unter schicken weißen Pagodenzelten. Der Wirt von „La Conchiglia“ aus der Innenstadt versorgt hier seine Gäste aus jenem Gourmet-Mobil, das im vorigen Sommer noch vor dem Bert-Brecht-Haus parkte. Täglich von 16 bis 22 Uhr lässt sich im Grünen einkehren. Ob das Team um „Peppe“ sich hier dauerhaft niederlasse, so eine etwas besorgte Frage. „Der Gastronom darf ab 1. Oktober den alten Maschinenraum nutzen“, antwortete Ernst Gerlach. Es bleibe jedoch ein Provisorium in der Pandemie, denn eine Profi-Küche bietet der neue Kulturort nicht.
Starke Nachfrage nach festlichen Events
Dabei erlebt der Besitzer des Zechenidylls „eine starke Nachfrage“ nach festlichen Events im Park – und muss darauf drängen, dass die gebuchten DJs nicht die Nachbarn an der Haldenstraße mitbeschallen. Schließlich will Gerlach als Kulturmäzen ausdrücklich anderes bieten als tosende Schlagerpartys.
Seinem politikinteressierten Publikum berichtete der ruhig-besonnene Erzähler aber auch von Disputen mit der Bauverwaltung, die ihn Zeit und Geld gekostet haben: So sollte der niedrige Technik-Anbau, 40 Quadratmeter klein, erst ans entfernte Ende des Grundstücks platziert werden, statt direkt hinter die alte Maschinenhalle. „Machen Sie sich bitte dafür stark“, bittet Ernst Gerlach die Sozialdemokraten, „dass Bürokratie keine bürgerschaftliche Initiative erstickt!“
Statt der zweiten Außentreppe: eine Rutsche
Denn auch der Zwist um jene stählerne Außentreppe, die das obere Stockwerk – und damit die „venezianische“ Aussicht durch hohe Fensterbögen – erschließen soll, ist noch nicht ausgestanden. Wenn die Baubehörde hier auf einem zweiten Abgang bestehen sollte, meint Gerlach, „dann bauen wir eine Rutsche“. Diese provokante Idee mal beiseite, lobte Manfred Flore die gelungene Balance zwischen Erhalten und Erneuern: „Es wird hier kein soziokulturelles Zentrum“ – aber womöglich ein Kleinod bürgerlicher Kultur im beliebten Alstaden. Der aus Sterkrade stammende Ernst Gerlach nennt’s „einen Stadtteil in der Entwicklung“.