Essen/Regensburg. . Das Unwesen von Abmahn-Kanzleien dürfte durch ein neues Gerichtsurteil bestärkt werden. In dem Fall ging es um ein Softwareunternehmen, das im August 2012 gleichzeitig Dutzende Facebookseiten abmahnen ließ, wegen Fehlern im Impressum. Juristen: Viele Facebookseiten sind deshalb angreifbar.

Wer eine Abmahnung wegen angeblicher Internetvergehen erhält, wird nicht selten "Abzocke" fluchen. Ein solches Schreiben nicht weiter zu beachten, wäre ein Fehler. Davon auszugehen, dass es als Massenaussendung rechtlich leicht angreifbar wäre, auch. Das macht eine Entscheidung deutlich, die jetzt das Landgericht Regensburg getroffen hat.

Hintergrund war der Rechtsstreit zweier IT-Dienstleistungsunternehmen um ein fehlerhaftes Impressum auf einer Facebook-Fanpage. Mit seiner Entscheidung gibt das Gericht allerdings nun der massenhaften Aussendung von Abmahnschreiben einen hohen richterlichen Segen.

"Das ist ein interessantes Urteil", sagt etwa der Kölner Rechtsanwalt Philipp Obladen: "weil das Gericht zu Gunsten der Abmahner entschieden hat". Obladen hat etwa 30 Mandanten in der Sache rechtlich beraten, die Abmahnschreiben wurden bundesweit ausgesendet. Obladen befürchtet nun, dass das Urteil eine neue Welle von Abmahnungen auslösten könnte. Denn es erschwere künftig die Argumentation, Abmahnungsversendern Rechtsmissbrauch vorzuwerfen, wenn sie die üble Post gleich massenhaft verteilen.

Abmahnschreiben wurde 180-mal in einer Woche verschickt

Das abmahnende Unternehmen bestätigte in der Zeugenbefragung vor dem Gericht in Regensburg, dass seine Facebook-Abmahnung im August 2012 "binnen acht Tagen insgesamt 181 mal verbreitet worden" sei. Die fehlerhaften oder fehlenden Impressum-Angaben auf den Facebook-Seiten seien an nur einem einzigen Tag ausfindig gemacht worden. Dazu habe man eine spezielle Monitoring-Software genutzt. Das Gericht befand dies nicht als anstößig, sondern als Beleg dafür, dass es sich bei der Abmahnung deshalb nicht um Abzocke gehandelt habe.

"Eines der wichtigsten Indizien für einen Abmahnungsmissbrauch ist die Menge der versendeten Abmahnungen", erklärt der Berliner Rechtsanwalt Thomas Schwenke, der den Fall auf dem Blog Allfacebook.de aufgegriffen hat. Mit dem Urteil aus Regensburg ist dieses Argument jetzt erheblich geschwächt.

Jedoch hatte eine Klage alleine auf dieser Basis bis dato ohnehin vor Gerichten wenig Aussicht auf Erfolg, sagt Schwenke: "Man muss auch belegen können, dass es dem Abmahner einzig darum geht, das Geld zu kassieren". Indiz dafür sei etwa die Höhe der Forderung. Aber auch dabei sah man am Landgericht Regensburg im Facebook-Fall keinen Grund für Zweifel.

Abmahner kassierte innerhalb von einer Woche fast 50.000 Euro

265,70 Euro sollten die Empfänger zahlen. Das Gericht befand die Höhe der in Rechnung gestellten "vorgerichtlichen Abmahnkosten" nicht als übertrieben. Dass die abmahnende Firma diese Summe gleich 180-mal innerhalb einer Woche einforderte, also zusammen knapp 48.000 Euro angebliche Anwaltshonorare, wurde vom Gericht nicht weiter berücksichtigt. Für Schwenke ein Fehler: "Die Summe bedeutet, dass das Unternehmen bei seinem Anwalt in den genannten Fällen sozusagen knapp 48.000 Euro Schulden gemacht haben muss"; bei derartigen Aufträgen würden Anwaltskosten im Voraus gezahlt. Schwenke: "Das muss sich ein Unternehmen erstmal leisten können". Kann es das mit Blick auf Umsatz, Beschäftigtenzahl oder andere Bilanz-Aspekte eher nicht, wäre ein weiteres Indiz geliefert, um dahinter Abzocke zu vermuten.

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"Man kann nur gegen konkrete Wettbewerber vorgehen", hebt der Kölner Rechtsanwalt Philipp Obladen hervor. Für ihn ist das "die zentrale Frage", wenn man gegen derartige Abmahnungen vorgeht. Das Wettbewerbsrecht schreibt ein "konkretes Wettbewerbsverhältnis" vor. Die Rechtsprechung wollte damit bei der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs eigentlich Massen-Abmahnungen unterbinden, erklärt Thomas Schwenke: "Doch durch das Internet weitet sich das 'konkrete Wettbewerbsverhältnis' nun bundesweit aus".

Viele Facebookseiten sind angreifbar - weil ein Impressum fehlt

In der Sache war der Fall hingegen juristisch auch aus Sicht von Thomas Schwenke unstrittig: "Auch Facebookseiten brauchen ein Impressum", sagt er. Das schreibt das Telemediengesetz vor. Nach wie vor seien viele Facebookseiten deshalb angreifbar, meint der Berliner Rechtsanwalt. Wer für sich auf Facebook wirbt und dort eine Leistung anbietet, müsse auch ein Impressum einrichten. Aufgefordert dazu seien beispielsweise Künstler oder Journalisten. "Besonders Freiberufler vergessen das ganz häufig", sagt Schwenke.

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Zu beachten sei dabei, "dass das Info-Feld bei Facebook als Impressum nicht reicht", so hat es das Landgericht Aschaffenburg bereits im August 2011 deutlich gemacht. Angegeben werden müssten neben Name, Adresse, Telefonnummer und Mailanschrift auch etwa die Steuernummer und, bei Gesellschaften, die Namen der Geschäftsführung. Auch Impressums-Apps seien kein ausreichender Schutz vor Abmahnungen, warnt Schwenke, weil das Impressum auch auf Smartphone und Co. deutlich erkennbar sein muss. Um möglichen Abmahnungen vorzubeugen empfielt Schwanke Gewerbetreibenden, ihre Facebook-Fanpages im Info-Bereich mit dem Impressum der eigenen Website zu verlinken.