Essen. Die zweite Staffel von Got To Dance zeigt: Casting-Shows müssen nicht peinlich sein. Wer die Kandidaten sein lässt, wie sie sind, erlebt Überraschungen. Der Mix aus Folklore, Techno, HipHop, Paartanz und exzentrischen Moderatoren ist nicht langweilig, überfordert den Zuschauer aber hin und wieder.

JumpJump, das sind sechs Jungs aus Georgsmarienhütte. Sie tragen schlecht sitzende Jeans, Turnschuhe und ein schwarzes T-Shirt, auf dem ein gelb-roter Kreis abgebildet ist. Kurze Haare, Schweißbänder. Keiner der Jungs sieht besonders gut aus, einer von ihnen fährt einen roten Kleinwagen, alle anderen quetschen sich hinein. Ihr Tanzstil heißt Jumpstyle und wurde, als er vor einigen Jahren durch die Dorfdiskotheken zog, zum Beispiel so beschrieben: „Was blöde Leute gut finden: Jumpstyle, eine Tanzbewegung aus Belgien."

Bis auf Sportlehrer, die das rhythmische Hüpfen mochten, weil es so viele Kalorien verbrennt, interessierte sich niemand für diese Art der Bewegung. Bis gestern. In der ersten Folge der Casting-Show Got To Dance gehörte das Gehüpfe von JumpJump zu den erfolgreichsten Acts überhaupt. Palina Rojinski, die mit Nikeata Thompson und Howard Donald die Jury bildet, ließ sich die Schritte beibringen und sprang dann mit JumpJump auf und ab, in einer Reihe, wie es sich für eine richtige Disko-Party gehört.

Den Ausflipptanz gibt es also doch noch

Choreografin Nikeata Thompson, die sonst Seeed coacht und Hiphop liebt, war begeistert, „funky, lustig, fresh!“, auch Howard Donald, früher Sänger bei Take That, heute DJ, gab einen goldenen Stern. Um Weiterzukommen brauchte es drei, von jedem Jury-Mitglied einen. Auf Twitter mussten sich die Zuschauer erst einmal einen Moment fangen.

„Jumpstyle? War das nicht 2004 oder so?“ fragte sich @KevinHufer, viele regten sich auf („Keiner will sehen, wie ihr epileptische Anfälle habt“) und einige feierten, dass es ihren längst tot geglaubten Ausflipptanz doch noch gibt:

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Eines aber war der Auftritt der Jungs aus Georgsmarienhütte, mehrfache deutsche Meister im Jumpstyle, weniger Facebookfreunde als ein durchschnittliches Teenie-Mädchen, nicht: langweilig.

Wie fast alle Tänzer, Gruppen und Paare, die an diesem Abend auf Pro Sieben gezeigt wurden, brachten JumpJump alles mit, was man für eine gute Show braucht. Körperspannung, Leidenschaft und den Willen, das Publikum nur mit körperlicher Ausdruckskraft zu begeistern. Die Vielfalt, die Got To Dance allein in diesen sehr oft werbeunterbrochenen zwei Stunden zeigte, war überwältigend. (Im Wortsinn: So viel so unterschiedliche Tänze und Tänzer aufzunehmen, ist schlicht unmöglich.) Doch selbst das, woran man sich nach der Show noch erinnern kann, ist atemberaubend.

Aus dem Sprung in den Lotussitz

Breakdancer Karimbo aus Frankreich, der seinen Körper so unglaublich verrenkte, dass keiner aus der Jury mehr hinsehen konnte – und einmal aus dem Sprung im Lotussitz landete. Die zehnjährige Leonie, die mit exakt ausgeführten Bewegungen und einem Ehrgeiz, den man beängstigend finden kann, eine perfekte Performance ablieferte. Passend zur Musik der Perfektionistinnen-Girlgroup Destinys Child. Sandra und Paul, 18 und 19 Jahre alt, in schwarzen heruntergekommenen Kleidern, die mit ihrem Auftritt nur eines wollten, die Geschichte zweier Straßenkinder erzählen. Drogenabhängig, dem Tod nahe.

Palina Rojinski, sonst bei Circus Halligalli auf dem Quatsch-Sofa, sah aus, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen. Auch auf Twitter schlugen Sandra und Paul ein.

Nutzer bei Twitter waren gerührt

„Oh Gott ich kann nicht mehr! Sandra&Paul waren so scheisse gut! Boah ich bin immer noch am heulen! GotToDance. Bitte Bitte macht so weiter“ schrieb Jenny Blas. Andere waren ähnlich berührt:

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Weitere Highlights: Oben-Ohne-Tänzer David, der Jury-Mitglied Nikeata erst im Dance-Battle überzeugen konnte, ein Team, das auf Rollerschuhen auftrat, ein anderes, das im Dunkeln mit leuchtenden Anzügen performte, eine türkische Folk-Tanzgruppe (BEM Folk Dance Ensemble):

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Fast noch wichtiger als die Auftritte der tanzverrückten Kandidaten war die Stimmung in der Halle. Moderatoren, Jury und die Kandidaten gingen meistens sehr freundlich, gelegentlich sogar ziemlich witzig miteinander um. Spontane Tänze, Lob, ehrliche Kritik und euphorisches Miteinander: Wo man sonst bei Casting-Shows vor allem Mitleid mit den Kandidaten hat – sie werden entweder sofort der Lächerlichkeit preisgegeben oder dazu gebracht, so lange „alles zu geben“, bis von ihnen nur noch eine sinnlose Sätze brabbelnde Hülle übrig ist – hatte man hier das Gefühl, auf der Bühne zu stehen, machte allen großen Spaß. Auch tänzerisch unspektakuläre Leistungen wurden vom Publikum gefeiert, wenn die Musik stimmte und die Typen gute Laune verbreiteten. Wer schlecht tanzte, wurde kritisiert, aber nicht vernichtet. Hinter den Kulissen tanzten Reggae-Artists, Jumpstyler und Gogo-Mädchen zusammen. Zumindest sah es vor der Kamera so aus.

Selbst auf Twitter war es ziemlich friedlich

Selbst Twitter, das Nachrichtenmedium, das Empörung und Shitstorms pusht wie kein anderes, war an diesem Donnerstag ziemlich friedlich.

„Juut jemacht ProSieben #GotToDance - Kamera Regie Post bisher sehr sauber. That's entertainment! ^“ schrieb Thorsten Fleischmann, auch ein User, der sich @OriginalErzwolf nennt, war zufrieden:

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, ebenso @Grimmsi:

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Der Sender bekam viel Feedback, von Lucas, @Videoleitung, zum Beispiel: „@ProSieben Respekt für #GotToDance eine weitere Castingshow mit Niveau. Nicht so wie Let`s Dance wo C Promis versuchen in`s TV zu kommen.“

Eine Show mit Respekt vor den Kandidaten

Eine Casting-Show, die Respekt vor ihren Kandidaten hat, den Zuschauern künstlerisch etwas bieten will und nur ab und zu daneben liegt – etwa, wenn Howard Donald als Bewertung immer wieder einstudierte Floskeln wie „Heilige Scheiße“ mit britischem Akzent herauspresst oder die abgehörten Konversationen der Zuschauer gar zu perfekt ins Konzept passen – ist etwas Besonderes.

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Noch schöner: Die Kandidaten dürfen, zumindest in der ersten Folge der Sendung, einfach so sein, wie sie sind. HipHopFee, Schmuserocker, Anzugträger. Solange sie das Publikum mitreißen und die Zuschauer zu Hause zum zappeln bringen (tatsächlich einer der häufigsten Tweets unter dem Hashtag #GotToDance: „Ich muss unbedingt wieder tanzen“), kann ihnen eigentlich nur noch eins passieren: Dass Starchoreografin Nikeata, die immer mal wieder Handyvideos für eine Freundin („Jasmin“) aufnimmt und bei jedem coolen Tanz ekstatisch zu schreien beginnt, die Schrittfolge nicht sauber ausgeführt findet.

Dann fahren sie eben wieder. Einfach so, ohne dass die Kamera sie beim Heulen und Betteln begleitet. Nach Georgsmarienhütte oder irgendwo anders hin. Und tanzen dort weiter.