Gelsenkirchen. Wenn Stefan Raab zum PS-Spektakel auf Schalke lädt, dann zeigt ProSieben ganz bewusst und gerne Schrott: Zum neunten Mal ist am Samstag die “TV-Total-Stock-Car-Crash-Challenge“ ausgetragen worden. Joey Kelly triumphierte in der Königsklasse, und die allerletzte Runde durfte Charlotte Roche fahren.
Seit geraumer Zeit scheint es so, als zelebriere ProSieben im Wochentakt Festspiele zur Huldigung seines Star-Entertainers. Gestatten: Stefan Raab. Da lädt sein Haus- und Hofsender zum Kartenstapeln am Pokertisch, zur Elefanten-Runde am Vorabend der Wahl, zum bundesweiten Alternativ-Grand-Prix oder eben in die Arena auf Schalke. Am Samstagabend zum neunten Auflauf seines vierstündigen automobilen Hau-Drauf-Events, der TV-Total-Stock-Car-Crash-Challenge.
Dreißig mehr oder weniger prominente Bleifüße, unter ihnen Kult-Fußballer Hans Sarpei, TV-Total-Event-Tausendsassa Joey Kelly und Elton, Ekel-Autorin Charlotte Roche und die Motorsport-Profis Timo Glock und Timo Scheider, fuhren in fünf Wettbewerben um den Sieg. 1500er-, 1900er- und 3000er-Kubik-Klasse, einmal auf Geschwindigkeit, einmal auf Crash-Punkte. Eine Karavan-Karambolage und das „Bis-der-letzte-Reifen-platzt-Rodeo“ rundeten das Show-Event ab. So weit, so bekannt. Und irgendwie alles schon einmal da gewesen.
Raab betritt das Schlachtfeld wie ein Imperator im Streitwagen
Böse Zungen behaupten gar, der Lack sei ab. Nicht nur buchstäblich bei den Karossen dieser Stock-Car-Crash-Challenge, sondern auch sinnbildlich in Form von Anziehungskraft der Raabschen TV-Total-Spektakel im Allgemeinen: Die Einschaltquoten nämlich pendeln in der Regel um den Senderschnitt.
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Einen Stefan Raab interessierte das am Samstag herzlich wenig. Wenn er göttergleich bei grölendem Metal-Sound, Pyrofontänen und Motorengejaule wie ein Imperator im Streitwagen auf das Schlachtfeld schreitet Wenn er sich feiern lässt noch bevor der erste Frontspoiler auch nur eine Beule hat. Wenn er giftig um jeden Zentimeter Ideallinie kämpft. Wenn er - anders als bei vielen seiner täglichen TV-Total-Sendungen - richtig Bock auf Unterhaltung hat.
Die ersten Entscheidungsrennen ziehen sich
Und Lust, das hatten auch die Zuschauer. Allerdings mussten die 50.000 Schaulustigen in „Europas größtem Stock-Car-Tempel“, wie Moderator Steven Gätjen vollmundig verlautbarte, lange Zeit warten, bis die Funken nicht nur beim Ausbeulen der Karossen übersprangen. So zogen sich die ersten Entscheidungsrennen, Höhepunkte setzten weniger die ersten Auto-Pirouetten, als die Musik-Acts von Robin Thicke und Jupiter Jones.
Der Amerikaner mag Stock-Car, der Pro-Sieben-Zuschauer die Karikatur davon. Vergnügen sich in den USA Zuschauer bei der berühmten NASCAR-Serie bei Bier und Hotdogs, schauen wie auf ovalen Strecken aufgemotzte Serienfahrzeuge ( „Stock-Car“, englisch für Serienfahrzeug) ihre Runden drehen, sind es in der Arena auf Schalke barbusige Bikini-Frauen, PS-Kraftmaschinen und, und vor allem das Warten auf einen Höhepunkt, die das Faszinierende ausmachen. So gewinnt Comedian Axel Stein die kleinste Motorenklasse, TV-Koch Steffen Henssler die 1900-Kubik- und Joey Kelly die Königs-Klasse irgendwie im „Vorbeischauen“.
Raab-Events sind ein Faszinosum
Das große Zuschauer-Jubeln stellte sich daher zwangsläufig immer nur dann ein, wenn in der Arena irgendetwas qualmte oder ein demolierter Auto-Korso auch dem Dach lag.
TV total Stock Car
Und so stellt sich dann doch unweigerlich nach die Frage nach den Beweggründen des Zuschauens. Und nach der Einschaltquote der Raab-Events. Diese sind, anders als man vielleicht erwarten würde, besonders in der Relation einzigartig: Denn man stelle sich einmal vor bei einem Amateur-Autorennen schauten fast genauso viele Menschen zu wie die Rennen der Formel 1. Oder bei den Turmspring-Versuchen von blutigen Anfängern klatschen ebenso viele wie bei den „Salti“ der olympischen Endausscheidung. Doch genau das gelingt Raab: Vettels Jagd zum vierten WM-Titel verfolgten in der vergangenen Woche knapp über drei Millionen Zuschauer. Raab kommt mit seinem Stock-Car-Event auf knapp zwei Millionen.
Und deshalb sind Raabs TV-Kreationen doch bemerkenswert: Schließlich vergleichen wir hier die Champions-League mit Kreisliga-Fußball, oder die Oscar-Feier mit der Verleihung der Goldenen Kamera. Angesichts dessen kann sich die Beliebtheit der Raabschen Spiele doch sehen lassen.
Roche dreht beim Rodeo am längsten ihre Runden
Als um kurz vor Eins in der Nacht wenig sinnvolle Stunden voller „Boom" und Bäm“, sattem Rock-Sound und dem verbissenen Kampf eines Dutzend C-Prominenz um fünfzehn weitere Minuten Ruhm zu Ende gehen, hat es Raab also wieder geschafft. Dass Joey Kelly zwischendurch noch den Wohnwagen-Wettstreit gewonnen hat und beim Höhepunkt der Sendung, dem langen Rodeo-Wettbewerb, Charlotte Roche als letzte noch ihre Runden drehte, war für den Zuschauer fast schon geschenkt. Warum auch immer: All das war trotzdem wieder irgendwie kurzweilig und unterhaltend.
Und das ist keinesfalls selbstverständlich. Mit ähnlichem Show-Konzept und Vorzeichen nämlich geht es auch anders. Das hat erst letzte Woche ein Show-Dino im ZDF mit Markus Lanz gezeigt.