Essen. Frisch aus der Sommerpause, präsentierten Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt einen entrümpelten und entspannten „Circus Halligalli“. Mit viel Selbstironie und Sympathie für die Opfer der eigenen Scherze wendet sich die Show vom Demütigungs-TV des Stefan Raab ab.
Florian David Fitz hat sich verplappert, und er weiß es. Die Geschichte mit Winnetou, das war ein Fehler. „Den kennt ihr doch, oder?“, fragt der Schauspieler. Die Kamera schwenkt ins Publikum: Schulterzucken auf den Rängen. Winne-wer? Für Moderator Klaas Heufer-Umlauf ist es eine Steilvorlage. „Wie alt bist du noch mal, so Mitte 50?“ Fitz hustet und senkt sein Haupt. „Jahrgang '74“ Jetzt ist es raus. Nach „Oma Violetta“, der Comedy-Greisin, ist er wahrscheinlich der älteste Mensch im „Circus Halligalli“.
Immerhin, die eigene Zielgruppe bekommt auch ihr Fett weg. Stichwort: das gestrige Kanzlerduell. „Für junge Leute wie uns sind anderthalb Stunden Politik ein Problem“, sagt Co-Moderator Joko Winterscheidt. „Unsere Aufmerksamkeit reicht nur für sieben Sekunden.“
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Also hat er aus dem Duell von Merkel und Steinbrück einen „Vine“-Clip zusammengeschnitten. Das ist ein Smartphone-Video mit Zeitbegrenzung. Fass dich kurz, lautet die oberste Regel, wie bei Twitter. In Winterscheidts Version der Kanzlerdebatte sprechen Merkel und Steinbrück jeweils drei Worte. Das Studio-Publikum lacht. Auch über sich selbst.
"Circus Halligalli" glänzt mit Selbstironie
Selbstironie ist ein seltenes Gut im Fernsehen und das große Plus im Circus Halligalli. Heufer-Umlauf und Winterscheidt wissen, dass sie bei ihrem Haussender knietief im Trash stecken – und machen keinen Hehl daraus. Pro Sieben wiederum lässt sie gewähren. Notfalls auch auf eigene Kosten. Im Vergleich zur ersten Staffel ist die Sendung sogar besser geworden. Inzwischen stopfen die Direktoren ihren Zirkus nicht mehr ganz so voll. Für eine schlappe Stunde passiert immer noch ziemlich viel in der Manege. Und außerhalb.
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Da ist zum Beispiel die Rubrik „Mein bester Feind“. Diesmal spielt sie auf einem Rockfestival. Dort hat sich Winterscheidt einen jungen Mann und seinen besten Kumpel rausgepickt. Der eine kann einen 55-Zoll-Fernseher, eine Kaffeemaschine und orthopädische Schuhe gewinnen – aber nur, wenn sein Freund eine möglichst peinliche Prüfung meistert.
Joko Winterscheidt muss eine Träne der Rührung verdrücken
In diesem Falle besteht sie darin, auf die Bühne zu klettern und vor 50.000 Menschen Céline Dions „My Heart Will Go On“ zu schmettern. Im Damenkleid. Das klingt nach maximaler Peinlichkeit, aber es kommt anders. Das ganze Rockfestival singt mit, der Auftritt wird zum schrägen Triumph.
Hier kommt Palina Rojinski
Schließlich muss sogar Winterscheidt eine Träne der Rührung verdrücken. Der Einspieler zeigt den Unterschied zwischen diesem Programm und Sendungen wie „TV total“, DSDS & Co. Im Circus Halligalli wird jeder verarscht (inklusive der Moderatoren), aber niemand gedemütigt.
Am Ende signalisiert diese Show vielleicht das Ende des Raab-Prinzips. Unmittelbar nach Circus Halligalli ausgestrahlt, wirkt „TV total“ plötzlich erstaunlich angestaubt. Lästern von gestern.