Essen. Amanda Knox hat in der Talkshow von Markus Lanz schwere Vorwürfe gegen die italienische Justiz erhoben. Die US-Amerikanerin, der ein zweiter Mordprozess in Italien droht, durfte im ZDF ihre Sicht der Dinge darstellen. Teil des Problems war dabei Markus Lanz. Er hakte nicht nach, sondern stellte Markus-Lanz-Fragen.
Amanda Knox war den Tränen das erste Mal nahe, als Markus Lanz sie auf den Moment der Urteilsverkündung ansprach. Wie sie sich damals gefühlt habe, als der Richter 2009 verfügte, sie müsse ins Gefängnis? Knox schluckte, sie blickte auf ihren Schoß, sie blinzelte die Tränen weg. Sieht so eine junge Frau aus, die Sex- und Drogenorgien gefeiert und die ihre Mitbewohnerin bestialisch umgebracht haben soll?
Dies sollte nicht die einzige Situation bleiben, in der Knox wirkte, als wolle sie weinen. Das Problem der in New York aufgezeichneten Sonderausgabe aber war: Natürlich wirkte Amanda Knox schüchtern, naiv, sympathisch – doch davon abgesehen brachte die 75 Minuten dauernde recht freundliche Befragung durch Markus Lanz wenig Erhellung in den mysteriösen Mordfall.
Amanda Knox' Aussagen werden nicht eingeordnet
Die Sendung ließ die Mordverdächtige über eine Stunde lang ihre Sicht der Dinge darstellen. Keine Zweitmeinung, keine allzu forschen Fragen - noch nicht mal Einspielfilme relativierten die Aussagen der 25-Jährigen.
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Die Geschichte der Frau, die die englische Boulevardpresse zum „Engel mit den Eisaugen“ ernannt hat, ist weltbekannt: Im Herbst 2007 wohnt die aus Seattle stammende Austauschstudentin im italienischen Perugia. Sie lebt in einer WG mit zwei Italienerinnen und der Britin Meredith Kercher. Als Kercher tot in der blutverschmierten Wohnung aufgefunden wird, geraten schnell Amanda Knox und ihr damaliger Liebhaber Raffaele Sollecito in Verdacht. Sie sollen Kercher unter Drogeneinfluss stehend während einer Sexparty mit einem Messer malträtiert und erstochen haben.
2009 werden Knox und Sollecito zu über 25 Jahren Haft verurteilt. Der Prozess fördert auch intime Details über Knox’ Sexualleben zutage. Sie und Sollecito beteuern ihre Unschuld. 2011 spricht ein Gericht sie wegen teils falscher Beweise wieder frei. In ein paar Monaten wird der Prozess nun noch einmal neu aufgerollt.
Knox wirft italienischen Behörden Misshandlung vor
Amanda Knox erhob in der ZDF-Sendung schwere Vorwürfe gegen die italienischen Strafverfolger. Die Polizei habe versucht, sie mit Schlägen und harten Drohungen zum Geständnis zu bringen. Die Polizei sei auch dafür verantwortlich gewesen, dass sie zunächst einen kongolesischen Barbesitzer beschuldigte, der später freigelassen wurde: „Ich wurde tagelang verhört. Nach all der Zeit glaubte ich, dass ich Amnesie habe.“
Dann sei ihr das Gesicht des Afrikaners in den Sinn gekommen. „Dafür gibt es keine Entschuldigung.“ Angst vor dem Fragesteller musste sie während des Interviews nicht haben. Diese Kammerspiel-Situationen – nur Lanz und der Gast, kein Studiopublikum – gehören oft zu den Stärken des Moderators.
Lanz macht guten Eindruck mit Lanz-Fragen zunichte
Leider machte er jeden guten Eindruck durch seine berüchtigten Lanz-Fragen zunichte. Über die Nacht vor dem Mord, in der Amanda Knox nach eigenen Angaben bei Raffaele Sollecito war, mit dem sie Gitarre gespielt und einen Joint geraucht habe, wollte Lanz wissen: „War das ein Abend, wie man ihn so hat, wenn man jung ist?“
Der Fall Amanda Knox
Und als er den Zuschauern sagen wollte, Knox wirke bei ausgeschalteten Kameras ziemlich unscheinbar, meinte er, sie sehe aus, „wie eine junge Studentin in den USA im Jahr 2013 aussieht“. Ah ja, so also.
Dass Knox zu dem Gespräch bereit war, lag mutmaßlich weniger an den Überredungskünsten der Redaktion als vielmehr an ihrem Buch, das sie auch schon im US-Fernsehen vorgestellt hat. Das ZDF freute sich trotzdem über das in Deutschland exklusive Interview. Bei „heute nacht“ im Anschluss war das Gespräch die Top-Nachricht. Und Markus Lanz erzählte noch einmal, dass Amanda Knox eben aussehe wie eine amerikanische Studentin.