Essen. Der Hype um “The Voice of Germany” hat mit der ersten Live-Show auf ProSieben einen Dämpfer erhalten. Ein teils miserabler Ton, eine schlechte Songauswahl und eine überdrehte Jury sorgten für Ernüchterung. Für einen der Top-Favoriten kam bei “The Voice of Germany“ überraschend das Aus.
Selten hat sich eine Show in den ersten zwei Minuten dermaßen bis an die Grenze der Arroganz gefeiert wie “The Voice of Germany”. Viermal wird in der Zeit erwähnt, dass in dem Casting-Format nur die Stimme zählt – doch es sollte in der ersten Live-Show von „The Voice of Germany“ alles ganz anders kommen.
Der Tontechniker von ProSieben erwischte einen rabenschwarzen Tag. Die ersten Kandidaten aus den Teams von TheBossHoss und Xavier Naidoo hatten stimmlich keine Chance gegen die Live-Band – viel zu schwach war das Mikro eingestellt. Glück hatte, wer einen ruhigen Song ausgewählt hatte, bei dem die Musiker zeitweise aussetzten.
Scharfe Kritik auf Facebook und Twitter an „The Voice of Germany“
Hatte es in den Wochen zuvor noch wahre Lobeshymnen bei Twitter und Facebook auf „The Voice of Germany“ gegeben, so machten diesmal Hunderte User ihrem Frust Luft: Von „stumpf“ über „zu leise“ bis zu „Ohrenterror“ und „Voice off Germany“ lauteten die Kommentare zur Tontechnik. Umso schlimmer, dass der Ton wohl im Studio sehr gut war. Anders sind die enthusiastischen Jubelstürme des Publikums im Saal kaum zu erklären.
Die Jury von „The Voice of Germany“ mit Nena, Xavier Naidoo, Rea Garvey und The BossHoss zeichnete sich in de Battles und den „Blind Auditions” dadurch aus, dass sie kein Talent niedermachten und ihre Kritik stets sachlich äußerten. Doch die ausschließliche Lobhudelei der Jury in der ersten Live-Show war fast unerträglich.
Schlechte Songauswahl brachte Rüdiger Skoczowsky das Aus
Schließlich haben einige Talente bei weitem nicht alle Töne getroffen. Sahar zum Beispiel erinnerte in einigen Momenten nicht nur optisch an die DSDS-Trashfigur Daniel Küblböck. Auch Benny McMillian hatte für seine sonst so schön soulige Stimme mit „Marry You“ von Bruno Mars nicht nur grundsätzlich den falschen Song ausgewählt, sondern lag mit einigen Tönen ziemlich daneben.
McMillian war nicht der einzige, der bei der Songauswahl völlig daneben lag. Für Rüdiger Skoczowsky – einen der Mitfavoriten bei „The Voice of Germany“ hatte das Lied „Without You“ von David Guetta feat. Usher tragische Folgen. Erst wählten ihn die Zuschauer nicht weiter, dann entschied sich auch noch Coach Xavier Naidoo gegen seinen „besten Sänger des Universums“. Null Gefühl, null Gänsehaut und null Emotion war das Ergebnis der Performance des sonst so starken Rüdiger Skoczowsky.
Zuschauer wählten Max Giesinger und Rino Galiano in die nächste Runde
Allerdings war er auch als erster Sänger mit am stärksten von dem Ton-Fiasko betroffen und hatte so wohl wenig Chancen bei den Fernsehzuschauern, die zwei der sechs Talente aus dem Team von Xavier Naidoo in die nächste Runde von „The Voice of Germany“ wählten. Die meisten Voting-Stimmen erhielten Max Giesinger und Rino Galiano.
Während Giesinger (sang „Fix You“ von Coldplay) der klassische Castingshow-Typ ist, dem die weiblichen Fans zu Füßen liegen, ist das Weiterkommen von Rino Galiano der Beweis, dass sich „The Voice of Germany“, ein Publikum erarbeitet hat, das auch hervorragende gesangliche Leistungen und den Stil außergewöhnlicher Typen honoriert. Galiano war mit dem Bee-Gees-Song „How deep is your love“ einer der wenigen, die ihre Leistung in der ersten Liveshow abrufen konnten.
Ramona Nerra aus Düsseldorf rockte bei „The Voice of Germany“
Nun hatte Xavier Naidoo die Wahl zwischen Rüdiger Skoczowsky, Dominic Sanz, Katja Friedenberg und Mic Donet. Aus diesem Quartett musste neben Rüdiger Skoczowsky auch Dominic Sanz die Heimreise antreten – obwohl er Nena mit seinem Auftritt fast zu Tränen gerührt hatte. Aber auch seine Stimme machte beim Fernsehpublikum durch die Tonprobleme nur einen mäßigen Eindruck.
Beim Team TheBossHoss profitierte Ramona Nerra aus Düsseldorf nicht nur davon, dass sie als letzter Act ihre Stimme kraftvoll einsetzen konnte. Sie war auch die erste, die die Bühne von „The Voice of Germany“ zu „Firework“ von Katy Perry richtig rockte. Die Zuschauer wählten sie und Ivy Quainoo in die nächste Runde. Diese hatte „Toxic“ viel besser als im Original von Britney Spears gesungen – was allerdings kein Wunder ist, da der Superstar aus den USA bei Live-Auftritten schon häufig eher ein zartes Stimmchen offenbart hatte. TheBossHoss nahmen zudem Benny McMillian und den Hamburger Kultsänger Ole mit in die nächste Liveshow. Für C.Jay und Sahar Haluzy kam das Aus.
Kritische Worte von „The Voice“-Jury gewünscht
Das Fazit nach der ersten Liveshow von „The Voice of Germany“ fällt nach dem Hype in den letzten Wochen ernüchternd aus: Die schlechte Tonqualität machte das hohe gesangliche Niveau vieler Kandidaten zumindest beim Fernsehzuschauer zunichte. Den Jury-Mitgliedern kann man nur wünschen, dass sie ihren Enthusiasmus mal wieder etwas herunterschrauben und auch einmal ein paar kritische Worte fallen lassen.
Moderator Stefan Gödde sollte sich wieder etwas zurücknehmen und vor allem seine Nervosität ablegen. Seine Co-Moderatorin Doris Golpashin, die laut Gödde „das Internet gleich mitgebracht hat“, könnte ebenfalls ihre Begeisterung etwas zügeln und stattdessen etwas sachlichere Interviews führen.
„The Voice of Germany“ hat Kredit verspielt
Bleibt zu hoffen, dass die gesamte Produktion die erste Live-Show sachlich reflektiert und die richtigen Schlüsse zieht, um bei den Fans nicht noch mehr Kredit zu verspielen. Mit den „Blind Auditions“ und den „Battles“ hat „The Voice of Germany“ neue Casting-Elemente eingeführt, die für viel Spannung, Überraschungen und Abwechslung gesorgt haben. Doch mit der ersten Liveshow hat sich „The Voice of Germany“ vom Ablauf her den gängigen Casting-Formaten wieder etwas angenähert.
Was „The Voice of Germany“ weiter auszeichnet, ist das enorm hohe gesangliche Niveau der Kandidaten. Darauf muss Sat.1 hoffen, wenn es am Freitag ab 20.15 Uhr mit den Teams von Nena und Rea Garvey in die zweite Live-Show geht.