Wuppertal. . Das Wuppertaler von der Heydt-Museum zeigt den Lebensweg von Camille Pissarro (1830-1903) als „Vater des Impressionismus“. Zu sehen sind seine Anfänge in der Karibik bis hin zu Bildern, die kurz vor dem Tod entstanden. Gezeigt werden auch Monet und Cézanne, denn sie nannten Pissarro ja “père“.
Camille Pissarro hatte wie so oft mit Geldnöten zu kämpfen, und diesmal riet ihm sein Galerist, einfach mal Straßenszenen in Paris zu malen, die gingen gerade gut weg. Aber sein Arzt hatte Pissaro vor dem Staub der Straße gewarnt, ein Abszess am Auge bedrohte seine Sehkraft. Also malte Pissarro seine Stadtansichten vom Hotelzimmerfenster aus – eine ungewohnte Perspektive für das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, die sich bei den wohlhabenden Bürgern allerdings rasend gut verkaufte.
So war Pissarro in seinen letzten Lebensjahren aller finanziellen Sorgen ledig – und malte sehr viel weniger von jenen idyllischen Landschaften, für die er heute vor allem geschätzt wird.
Wie die Farbe aufs Auge wirkt
Das Wuppertaler von der Heydt-Museum führt dieses glückliche Ende eines langen, wendungsreichen Malerlebens vor Augen, von Pissarros frühen Anfängen in Südamerika, wo er auf den Kleinen Antillen geboren wurde und sich bald gegen die Arbeit in der Eisenwaren-Handlung seines Vaters entschied, bis zu den letzten Bildern kurz vor seinem Tod 1903.
Es ist selbstverständlich auch eine Gelegenheit, in harmoniedurchströmten Bildern mit frischem Strich und lebenssatten Farben zu schwelgen. Und zum Beispiel die verblüffende Art und Weise zu verfolgen, in der Pissarro mit der Farbe Grün umging, die in seinen Landschaften bis in den Himmel hinein dominiert – selbst die Wolken dieser Gemälde spiegeln den grünen Schimmer der Wälder und Wiesen darunter oder werden durchzuckt von seegrünen Strichen, selbst der „Steinbruch in Pontoise“ ist eine Sinfonie in Grün, in der sich Smaragd-, Lind-, Oliv- und Flaschengrün mit dem Türkis darum prügeln, als erstes auf die Netzhaut des Betrachters vordringen zu dürfen.
Der Ausflug zum Pointillismus
Wie die Farbe aufs Auge wirkt, damit hat sich Pissarro zeitlebens beschäftigt. Für ein paar Jahre sah er im Pointillismus eine Lösung, vom willkürlich-intuitiven Pinselstrich des Impressionismus zu einem quasiwissenschaftlichen Farbauftrag zu kommen. Doch was in der Theorie noch stimmte, ließ Pissarros Bilder (anders als bei den pointillistischen Meistern Signac und Seurat) seltsam flächig und starr wirken. Also kehrte er zum Impressionismus zurück, als dessen „Vater“ er im Untertitel der Ausstellung gewürdigt wird.
Pissarros Jugend in der Karibik
Camille Pissarro kam 1830 auf der Antillen-Insel St. Thomas zur Welt, die damals noch zu Dänemark gehörte. Nach Schuljahren in Paris kehrte er in die Karibik zurück und brannte mit dem dänischen Maler Fritz Melbye nach Venezuela durch. Dort entstanden neben vielen Zeichnungen auch Gemälde, die bereits den typisch konturlosen Pissarro-Himmel der späteren Jahre aufweisen.
Das ist vor allem deshalb richtig, weil Pissarro zehn Jahre älter war als die meisten seiner Kollegen, die ihn häufig „Pere“ nannten, „Väterchen“. Der Rauschebart, den er schon mit 40 trug, tat ein übriges. Doch vor allem war Pissarro das Gravitationszentrum des Impressionismus. Er war der treibende Motor hinter der ersten gemeinsamen Ausstellung 1874, als die Maler, die von der etablierten Salon-Ausstellung ausgeschlossen wurden, eine Konkurrenz-Schau auf die Beine stellten. Die indes kläglich scheiterte. Immerhin trug sie der Bewegung den Namen ein, als sich der Kritiker Louis Leroy im „Charivari“ über Monets Bildtitel „Impression“ lustig machte. Die Verspotteten taten das einzig Richtige und erklärten „Impressionisten“ zu ihrem Kampfnamen.
Menschliche Randerscheinungen
Pissarro sollte der Einzige bleiben, der an allen Impressionisten-Ausstellungen teilnahm, er kannte sie alle, Renoir, Monet und Degas, Cézanne war über Jahre hinweg ein enger Freund, Gauguin wurde von ihm nach Leibeskräften gefördert. Mit deren Bildern lädt das von der Heydt zum Vergleich mit Pissarro ein. Auch Genres, die dem genialen Landschafter weniger lagen (wie das Stillleben oder der Akt), handelt die Ausstellung kurz ab.
Seltsam mutet allemal an, dass der große Menschenfreund Pissarro, der lange Zeit anarchistisch-sozialistischem Gedankengut anhing, sich ein wenig schwertat mit der Menschendarstellung. Während ihm die äußeren Formen durchaus gelangen, blicken die Menschen auf seinen Bildern fast immer abwesend, ins Leere. Meistens sind sie ohnehin Randerscheinungen seiner charaktervollen, erzählfreudigen Landschaften selbst dann noch, wenn sie im Zentrum des Bildes stehen.
Pissarro – Der Vater des Impressionismus. Bis 22. Februar, von der Heydt-Museum, Turmhof, Wuppertal. Eintritt: 12 €, erm. 10 €, Familien 24 €. Katalog: 25 €.