Köln. . Warhol, Rauschenberg, Oldenburg & Co: Die üppigen ebenso wie die unpopulären Seiten der Pop-Art präsentiert eine große Schau im Kölner Museum Ludwig. Dabei zeigt sich: Was heute noch den Blick fesselt, ist eher das Krude und Sperrige.
Als Anfang der Sechzigerjahre Andy Warhol die Etiketten von Dosensuppen und Putzschwämmen auf den Altar der hehren Kunst hob und der geniale Maler Jasper Johns das mit Dosenbier tat, begann die Karriere der Pop-Art. Am Ende der Sechzigerjahre aber war aus der provozierenden Avantgarde eine marktbeherrschende Kunst geworden, auf der ‘68er-Documenta und in den zeitgenössischen Galerien dominierten die Amerikaner wie nie zuvor. Und der Aachener Schokoladen-Millionär Peter Ludwig, der noch Mitte der 60er-Jahre bei seinem ersten Anblick von Pop-Art „schockiert“ war, steigert sich in einen wahren Pop-Kaufrausch.
An einem einzigen Tag erwarb er gleich sieben Werke direkt aus der Documenta heraus und manchmal, weil er sich der Pop-Art erst spät zugewandt hatte, auch ganze Sammlungen blockweise. Am Ende hatte Ludwig eine der weltweit größten Privatsammlungen an Pop-Art zusammengetragen – Grundstock für das 1976 gegründete und zehn Jahre später eröffnete Museum Ludwig in Köln.
1969 bereits 200.000 Besucher
Das lässt nun also mit der Ausstellung „Ludwig goes Pop“ seine Muskeln spielen, wohl nicht ganz ohne Erinnerung daran, dass die erste Präsentation dieser Sammlung in Köln 1969 sagenhafte 200.000 Besucher anzog. 150 Werke, darunter Ikonen wie Warhols Marilyn und doppelter Elvis oder Roy Lichtensteins Leinwand-Comic „M-Maybe“.
Ausgerechnet sie aber, die einst für die Frische, die freche, befreiende Ironie dieser Kunstrichtung standen, haben kunsthistorische Patina angesetzt, sie sind verbraucht wie die Konsumgüter, deren Bilderwelt hier zum Material spielfreudiger Künstler wurde. Der doppelte Boden dieser Kunst-Schein-Welt klingt inzwischen an so mancher Stelle hohl, und für Anschauungsunterricht über den wahren und den Waren-Charakter ist es im Internet-Zeitalter ein bisschen spät.
Die sperrigen, kruden Werke fesseln
So zeigt sich, dass nicht die glatten und oberflächendeckend arbeitenden Werke dieser Stilrichtung heute noch unsere Blicke fesseln, sondern die sperrigen, kruden, ja fast schäbig daherkommenden. Die irrlichternden Collagen eines Richard Hamilton etwa, wenn sie mit der image-bewussten Manie der Monroe spielen, auf den Kontaktabzügen der Fotografen alles durchzustreichen, was nicht perfekt genug für ihr Wunschbild war.
Oder das genial gut gearbeitete Zahlenmalen eines Jasper Johns, der schon 1957 begann, mit dem Star-Spangled-Banner auf der Leinwand zu experimentieren. Oder die ätzend kritische, raumfüllende Installation eines Ed Kienholz, der in seinem „Beweglichen Kriegsdenkmal“ fünf Soldaten die Fahne ihres Triumphs in bester Iwo-Jima-Manier in einem bürgerlichen Wohnzimmer aufrichten lässt, und nebenan hat der Hot-Dog-Imbiss schon seine Stühle rausgestellt.
Rauschenberg ist der heimliche Star dieser Ausstellung
Man sieht in dieser Ausstellung, wie Lichtenstein plötzlich andere Bildmotive für seine Siebdruck-Comics sucht und deshalb die Stillleben von Monet und Matisse plündert. Und man hört, wie Robert Rauschenberg mit seiner elektronischen „Soundings“-Installation von 1968 bis heute den Museums-Rahmen sprengt: Mit Hilfe von Mikrofonen werden hier aus Geräuschen neue, überraschende Bilder. Weil das Werk aber bei seiner letzten Aufstellung im Ludwig allzu viele (vor allem junge) Besucher zu experimentierfreudiger Lärmproduktion verleitete, steht das Werk nun in einem abgedunkelten Kabinett am äußeren Rand der Ausstellung – an der Heiligung der Stille im Museum hat sich auch in fast fünf Jahrzehnten nichts geändert.
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Überhaupt: Rauschenberg ist – neben der biestig-bösen Objektkunst eines Claes Oldenburg – der heimliche Star dieser Ausstellung. Er fügt Hühner, Kopfkissen, Abendmahlspostkarte, Koffer, Straßenschilder und Feuerwehrschläuche zu immer noch gültigen Gegenwartsbildern zusammen. Und am Ende erinnert Andy Warhols Verarbeitung von Unfallbildern daran, dass selbst für einen Oberpriester der Oberfläche wie ihn nicht alles nur Spaß war. Es könnte glatt sein, dass das, was vom Pop bleibt, vor allem seine unpopuläre Seite ist. Auch die ist in Köln, wie sich das für Pop gehört, üppig ausgebreitet.
„Ludwig goes Pop“. Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz Köln. Bis 11.1., di-so 10-18 Uhr, jeden 1. Do im Monat bis 22 Uhr.
Eintritt: 11 Euro, erm. 7,50 Euro, Familien 22 Euro (inkl. ständiger Sammlung). Katalog: 29,80 Euro.